BGH, Urteil vom 18.01.2006 – 2 StR 394/05
- Die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung sagt nichts darüber aus, ob sie im Sinne der §§ 20, 21 StGB „schwer“ ist. Hierfür ist maßgebend, ob es im Alltag außerhalb des angeklagten Delikts zu Einschränkungen des beruflichen und sozialen Handlungsvermögens gekommen ist (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 329; BGHSt 49, 45, 52 f.). Die Ausführungen im Urteil dürfen insoweit nicht allgemein gehalten sein und etwa nur Persönlichkeitsmerkmale anführen, die ohnehin innerhalb der Bandbreite menschlichen Verhaltens liegen (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 75).
- Die Verneinung des Mordmerkmals der sonstigen niedrigen Beweggründe ist nicht zu beanstanden, wenn dem Täter im Augenblick der Tat aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung und seiner aktuellen geistig-seelischen Verfassung die Fähigkeit gefehlt hat, die Umstände, die die Niedrigkeit der Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung ins Bewusstsein aufzunehmen und zu erkennen und sie gedanklich zu beherrschen und gewollt zu steuern. Zwar kann die Frage, ob ein Täter sich der Umstände bewusst war, die den Tatantrieb als besonders verwerflich erscheinen lassen, grundsätzlich erst dann beantwortet werden, wenn die Motivation der Tat aufgeklärt ist (vgl. BGH NStZ 2001, 87; NStZ 1996, 384, 385; Jähnke in LK 11. Aufl. § 211 Rdn. 34). Hat die Strafkammer keine niedrigen Beweggründe festgestellt und hat der Angeklagte in der Hauptverhandlung geschwiegen, so ist ein nahe liegender niedriger Beweggrund, auf den der Tatrichter hätte schließen können, nicht ersichtlich.
- Das Mordmerkmal der Grausamkeit muss sich dem Tatrichter trotz einer Vielzahl von Messerstichen nicht aufdrängen, wenn der Angeklagte dem Opfer nicht in gefühlloser unbarmherziger Gesinnung Schmerzen oder Qualen zufügen, sondern nur das für die Tötung erforderliche Maß einhalten wollte.
- Ist die Tat als Ausdruck einer klassischen Beziehungsproblematik anzusehen, die keine Rückschlüsse auf ein generell kriminelles Verhalten des Angeklagten und die Erwartung zukünftiger erheblicher Straftaten zulässt, so sind die Voraussetzungen der Unterbringung nach § 63 StGB nicht gegeben. Zwar kann auch die Gefährdung einer Person als Teil der Allgemeinheit für die Anwendung des § 63 StGB ausreichen. Dies ist aber nicht der Fall, wenn im konkreten Fall die Beziehung endgültig beendet ist und keine Anhaltspunkte für weitere Übergriffe bestehen.