In dem vom OLG Celle am 12.12.2019 entschiedenen Verfahren (2 Ss 138/19) hatte der Angeklagte nach Entzug der polnischen Fahrerlaubnis in Polen nach Erstattung einer Verlustanzeige einen polnischen Ersatzführerschein ausgestellt bekommen und hat mit diesem in Deutschland einen PKW geführt.
Das OLG bestätigte, dass der polnischer Ersatzführerschein nicht als neuer Führerschein anzusehen ist und der Angeklagte vor dem Führen von fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugen in Deutschland wieder die Berechtigung zur Teilnahme am öffentlichen Verkehr in Deutschland hätte beantragen müssen.
Das OLG hat zu seiner Entscheidung folgende Leitsätze aufgestellt:
- Der in einem EU-Mitgliedsstaat aufgrund einer Verlust- oder Diebstahlsanzeige nach Art. 11 Abs. 5 der 3. FS-RL ausgestellte Ersatzführerschein ist – anders als der im Wege des Umtauschs einer in Deutschland erteilten Fahrerlaubnis erteilte Führerschein eines anderen EU-Mitgliedsstaates nach Art. 11 Abs. 2 der 3. FS-RL – nicht als „neue“ Fahrerlaubnis anzusehen (Anschluss an OLG Zweibrücken, Beschl. v. 18.01.2016, 1 Ss 106/15 – juris). Dies gilt auch dann, wenn der Ersatzführerschein erstmals eine Befristung nach Art. 7 Abs. 2.a der 3. FS-RL enthält.
- Ist einem Verurteilten in Deutschland die von einem anderen EU-Mitgliedsstaat ausgestellte Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 1 StGB rechtskräftig entzogen, zugleich eine Sperrfrist für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis nach § 69a Abs. 1 StGB angeordnet und dem Verurteilten nach Ablauf der Sperrfrist das Recht zur Teilnahme am öffentlichen Verkehr in Deutschland nicht wiedererteilt worden, berechtigt ein für die entzogene Fahrerlaubnis von dem EU-Mitgliedsstaat nach Art. 11 Abs. 5, 3. FS-RL ausgestellter Ersatzführerschein nicht zur Teilnah-me am öffentlichen Verkehr in Deutschland, § 28 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 Nr. 3 FeV.
Die Entscheidungsgründe:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 16.07.2019 im Ausspruch über die Gesamtstrafe und die Höhe des einzelnen Tagessatzes der verhängten Einzelgeldstrafen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen, § 349 Abs. 2 StPO.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Hannover zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Hannover hat den Angeklagten in zwei Strafverfahren vom jeweils erhobenen Tatvorwurf des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung, freigesprochen. Auf die hiergegen von der Staatsanwaltschaft Hannover eingelegten Berufungen hat das Landgericht Hannover beide Verfahren zwecks gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden. In der Berufungsverhandlung vom 16.07.2019 hat das Landgericht die erstinstanzlichen Urteile aufgehoben, den Angeklagten wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen zu Einzelgeldstrafen von jeweils 30 Tagessätzen zu je 30 € verurteilt und diese auf eine Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 30 € zurückgeführt.
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen wurde dem Angeklagten die ihm im Jahr 2003 erteilte deutsche Fahrerlaubnis durch die R. H. mit Bescheid vom 14.09.2005 bestandskräftig entzogen. Im weiteren Verlauf erwarb der Angeklagte am 19.06.2008 in Polen einen polnischen Führerschein der Klasse B. Mit Strafbefehl vom 19.05.2012 ordnete das Amtsgericht Hannover die Entziehung der polnischen Fahrerlaubnis an und bestimmte zugleich eine Sperrfrist für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis von noch 8 Monaten. Am 19.07.2013 erlangte der Angeklagte, nachdem er eine Verlustanzeige für den o.g. polnischen Führerschein abgegeben hatte, in Polen einen neuen polnischen Führerschein. Dieser enthielt im Gegensatz zu dem als verlustig gemeldeten Führerschein erstmals eine Befristung. Zudem enthielt die Spalte 12 des Führerscheins die Eintragung „71“.
Nach den weiteren Feststellungen des Landgerichts befuhr der Angeklagte am 22.11.2016 sowie am 08.06.2017 jeweils in Hannover mit einem PKW öffentliche Straßen und wies sich bei der hierbei jeweils durchgeführten Polizeikontrolle mit dem am 19.07.2013 in Polen ausgestellten polnischen Führerschein aus.
Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte bei beiden Fahrten nicht über die erforderliche Fahrerlaubnis verfügt habe. Denn nach den getroffenen Feststellungen sei ihm weder eine neue deutsche Fahrerlaubnis erteilt noch die Berechtigung aus dem polnischen Führerschein vom 19.06.2008 zur Teilnahme am öffentlichen Verkehr in Deutschland wieder zuerkannt worden. Bei dem am 19.07.2013 in Polen ausgestellten Führerschein habe es sich nicht um eine neue Fahrerlaubnis, sondern lediglich um einen Ersatzführerschein für den ihm am 19.06.2008 erteilten polnischen Führerschein gehandelt.
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Er macht geltend, bei den verfahrensgegenständlichen Taten zur Teilnahme am öffentlichen Verkehr in Deutschland berechtigt gewesen zu sein. Zwar sei ihm die Berechtigung aus dem polnischen Führerschein vom 19.06.2008 im Jahr 2012 entzogen worden. Jedoch sei der nachfolgend ausgestellte polnische Führerschein vom 19.07.2013 als eine neue Fahrerlaubnis anzusehen. Dies folge bereits daraus, dass dieser Führerschein erstmals eine Befristung enthalten habe, woraus sich ergebe, dass die polnischen Behörden bei seiner Ausstellung eine erneute Fahreignungsprüfung vorgenommen hätten. Sofern ihn dieser Führerschein nicht zur Teilnahme am öffentlichen Verkehr in Deutschland berechtigt haben sollte, sei dies für ihn nicht erkennbar gewesen.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen. Zu ihrer Antragsschrift vom 13.11.2019 hat der Angeklagte am 25.11.2019 eine Gegenerklärung abgegeben.
II.
Die zulässige Revision führt in der Sache – vorläufig – teilweise zum Erfolg.
1. Die vom Landgericht zu den verfahrensgegenständlichen Anklagevorwürfen rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch des angefochtenen Urteils wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen.
a) Der Angeklagte war zum Zeitpunkt der ihm zur Last gelegten Taten nicht im Besitz einer deutschen Fahrerlaubnis. Diese war ihm bereits am 14.09.2005 im Verwaltungsverfahren entzogen worden. Der polnische Führerschein vom 19.07.2013, den der Angeklagte bei den anlässlich der in Rede stehenden Fahrten durchgeführten Polizeikontrollen vorgezeigt hat, berechtigte den Angeklagten nicht zur Teilnahme am öffentlichen Verkehr in Deutschland.
aa) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei dem polnischen Führerschein vom 19.07.2013 nicht um eine „neue“ Fahrerlaubnis, sondern lediglich um einen Ersatzführerschein für den vom Angeklagten als abhanden gemeldeten polnischen Führerschein vom 19.06.2008 gehandelt hat. Dies ergibt sich bereits daraus, dass nach den Urteilsfeststellungen in der Spalte 12 des Führerscheins vom 19.07.2013 der Code „71“ eingetragen war. Dieser Code stellt nach dem Anhang I der 3. EU-Führerschein-Richtlinie (2006/126/EG) – im Folgenden 3. FS-RL genannt – die Bezeichnung für ein Duplikat eines bereits ausgestellten Führerscheins dar.
Die von der Revision zur Begründung der gegenteiligen Ansicht angeführte Entscheidung des OLG Zweibrücken (vgl. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 18.01.2016, 1 Ss 106/15 – juris) betreffend den Umtausch einer deutschen Fahrerlaubnis in einen Führerschein eines EU-Mitgliedsstaates und dessen Einstufung als „neue“ Fahrerlaubnis ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Denn der hier zu beurteilende Sachverhalt betrifft die Ausstellung eines Ersatzführerscheins. Beide Konstellationen unterscheiden sich, worauf das OLG Zweibrücken in der genannten Entscheidung zutreffend hinweist, grundlegend und unterliegen unterschiedlichen Regelungen. Für den Umtausch erlaubt Art. 11 Abs. 2 der 3. FS-RL dem Ausstellungsmitgliedsstaat eine – der Prüfung der Erteilung einer (neuen) Fahrerlaubnis immanente – eigenständige Fahreignungsprüfung unter Zugrundelegung seiner eigenen Vorschriften, weshalb das OLG Zweibrücken den Umtausch eines Führerscheins der Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis gleichgesetzt hat. Demgegenüber enthält die für die Ersetzung von verlorengegangenen oder gestohlenen Führerscheinen geltende Bestimmung in Art. 11 Abs. 5 der 3. FS-RL eine solche Regelung gerade nicht. Vielmehr erfolgt die Ausstellung eines Ersatzführerscheins durch die Behörden des Ausstellungsstaates lediglich „… anhand der ihnen vorliegenden Informationen oder ggf. anhand einer Bescheinigung der zuständigen Behörden, die den ursprünglichen Führerschein ausgestellt haben“.
Der am 19.07.2013 ausgestellte polnische Ersatzführerschein ist schließlich auch trotz des Umstands, dass er im Gegensatz zu dem polnischen Führerschein vom 19.06.2008 eine Befristung enthielt, nicht als neue Fahrerlaubnis anzusehen. Denn die erstmalige Befristung war eine zwangsläufige Folge der 3. FS-RL, welche gemäß Artikel 17 ab dem 19.01.2013 die bis dahin in Teilen noch geltende EU-Richtlinie 91/439/EWG endgültig ablöste. In Art. 7 Abs. 2.a der 3. FS-RL ist bestimmt, dass die von den Mitgliedsstaaten ab dem 19.01.2013 ausgestellten Führerscheine u.a. auch der Klasse B eine Gültigkeitsdauer von 10 Jahren haben, die Mitgliedsstaaten sie aber auch mit einer Gültigkeitsdauer von bis zu 15 Jahren ausstellen können. An bestimmte Bedingungen, insbesondere an die Durchführung einer (erneuten) Fahreignungsprüfung knüpft die Bestimmung die in das behördliche Ermessen gestellte Entscheidung über eine über die Mindestdauer von 10 Jahren hinausgehende Gültigkeit neuausgestellter Führerscheine hingegen nicht. Die erstmalige Einführung einer Gültigkeitsdauer für Führerscheine in Art. 7 Abs. 2.a der 3. FS-RL sollte es vielmehr lediglich ermöglichen, anlässlich der regelmäßigen Erneuerung die neuesten Maßnahmen zum Schutz gegen Fälschungen von Führerscheinen anzuwenden und ärztliche Untersuchungen oder andere von den Mitgliedsstaaten vorgeschriebene Maßnahmen durchzuführen (vgl. Erwägungsgrund 7 der 3. FS-RL).
bb)Der polnische Ersatzführerschein vom 19.07.2013 berechtigte den Angeklagten zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Taten nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Verkehr in Deutschland.
Grundsätzlich darf der Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, der seinen ordentlichen Wohnsitz im Sinne des § 7 Abs. 1 oder 2 FeV in der Bundesrepublik Deutschland hat, gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 FeV im Umfang ihrer Berechtigung Kraftfahrzeuge im Inland führen. Dies gilt nach § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV jedoch nicht, wenn dem Inhaber die Fahrerlaubnis im Inland vorläufig oder rechtskräftig von einem Gericht oder bestandskräftig von einer Verwaltungsbehörde entzogen worden ist. Diese Bestimmung unterliegt mit Blick auf das EU-Recht und nach der Rechtsprechung des EuGH jedoch einer Einschränkung im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 und 11 Abs. 4 der 3. FS-RL. Danach ist es einem EU-Mitgliedstaat verwehrt, die Anerkennung der Gültigkeit des Führerscheins einer Person abzulehnen, die Inhaber einer ihr in seinem Hoheitsgebiet entzogenen früheren Fahrerlaubnis war, wenn ihr außerhalb einer ihr auferlegten Sperrfrist von einem anderen EU-Mitgliedstaat ein Führerschein ausgestellt und wenn die Voraussetzungen eines ordentlichen Wohnsitzes im Hoheitsgebiet des anderen EU-Mitgliedstaates eingehalten wurden (EuGH NJW 2012, 1935; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 18.01.2016, 1 OLG 1 Ss 106/15 – juris; OLG München NZV 2012, 553; OLG Hamm NStZ-RR 2013, 113, 114; Dauer in Hentschel/König/Dauer, StVR, 44. Aufl., FeV § 28 Rn. 40).
Vorliegend hat der Angeklagte seinen polnischen Führerschein, auf dessen Grundlage der Ersatzführerschein vom 19.07.2013 ausgestellt wurde, am 19.06.2008 erlangt. Ob der letztgenannte Führerschein – wie die Generalstaatsanwaltschaft meint – schon deshalb nicht als „neue“ Fahrerlaubnis i.S. der o.g. Grundsätze anzusehen ist, weil er erst nach der im Januar 2005 erfolgten Entziehung der deutschen Fahrerlaubnis des Angeklagten ausgestellt worden war, kann dahinstehen. Denn die Fahrerlaubnis aus dem polnischen Führerschein vom 19.06.2008 war dem Angeklagten jedenfalls durch den Strafbefehl des Amtsgerichts Hannover vom 19.05.2012 gemäß § 69 Abs. 1 StGB entzogen und gemäß § 69a Abs. 1 StGB eine Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis angeordnet worden. Dies hatte nach § 69b Abs. 1 StGB die Wirkung, dass ihm die aus dem polnischen Führerschein vom 19.06.2008 folgende Berechtigung, am öffentlichen Verkehr in Deutschland teilzunehmen, entzogen war und ihm innerhalb der angeordneten Sperrfrist nicht wieder zuerkannt werden durfte. Nach Ablauf der Sperrfrist hat der Angeklagte indes weder einen Antrag auf Wiedererteilung der Berechtigung aus dem genannten polnischen Führerschein gestellt, noch ist ihm eine neue deutsche Fahrerlaubnis erteilt worden. Der am 19.07.2013 ausgestellte polnische Ersatzführerschein ist – wie oben bereits ausgeführt – ebenfalls nicht als neue Fahrerlaubnis anzusehen.
b)
Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe die ihm zur Last gelegten Taten fahrlässig begangen, sowie die ihr zugrunde liegende Beweiswürdigung erweisen sich ebenfalls als frei von Rechtsfehlern. Es kann den Angeklagten, der genau wusste, dass es sich bei einem polnischen Führerschein um einen Ersatzführerschein handelte, nicht entlasten, dass dies von den ihn kontrollierenden Polizeibeamten übersehen wurde. Die Rechtslage zur Rechtsnatur eines Ersatzführerscheins ist eindeutig. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Landgericht davon ausgeht, dass eine entsprechende Auskunft von den deutschen Behörden ihm auch erteilt worden wäre.
2. Hingegen hält der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in vollem Umfang stand.
a) Keinen Bedenken begegnen die vom Landgericht für die abgeurteilten Taten bestimmte Anzahl der Tagessätze der verhängten Einzelgeldstrafen und die dem zugrunde liegenden Strafzumessungserwägungen.
b) Hingegen weist die Bildung der Gesamtstrafe einen durchgreifenden Mangel zum Nachteil des Angeklagten auf.
Bei einer Gesamtstrafenbildung ist im Wege einer Gesamtschau des Unrechtsgehalts und des Schuldumfangs vor allem das Verhältnis der einzelnen Taten zueinander, ihre größere und geringere Selbständigkeit, die Häufigkeit ihrer Begehung, die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und der Begehungsweisen sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen (vgl. Heintschel-Heinegg in Münchener Kommentar StGB, 3. Auflage, § 54 Rd. 20 mwN). Die vom Tatrichter hierbei als bestimmend angesehenen Umstände sind in den Urteilsgründen darzulegen, um es dem Revisionsgericht zu ermöglichen, die Zumessungserwägungen auf etwaige sachlich-rechtliche Mängel zu überprüfen. Wird bei der Bildung einer Gesamtstrafe die Einsatzstrafe nur geringfügig überschritten oder aber erheblich erhöht, verlangt dies nach einer eingehenden Begründung (vgl. Heintschel-Heinegg, aaO, Rd. 23 und 29 mwN). Fehlt es hieran, legt dies die Annahme nahe, dass der Tatrichter sich bei der Bildung der Gesamtstrafe unzulässig an der Summe der Einzelstrafen orientiert hat (vgl. Fischer, StGB, 76. Auflage, § 54 Rd. 7b mwN). So liegt der Fall hier. Das Landgericht hat die gegen den Angeklagten verhängten beiden Einzelgeldstrafen von jeweils 30 Tagessätzen zu je 30 € auf eine Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 30 € – maßgebend ist insoweit der Urteilstenor und nicht die in den Urteilsgründen offenbar wegen eines Schreibversehens angegebene Anzahl von 60 Tagessätzen – zurückgeführt. Es hat die Einsatzstrafe mithin um mehr als die Hälfte erhöht. Indes benennen die Urteilsgründe bei der Begründung der verhängten Einzelgeldstrafen und der aus ihnen gebildeten Gesamtgeldstrafe lediglich strafmildernde Umstände. Strafschärfende Umstände sind nicht aufgeführt und lassen sich auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen. Warum das Landgericht gleichwohl eine wesentliche Erhöhung der Einsatzstrafe vorgenommen hat, wird nicht erörtert. Dies stellt einen durchgreifenden Mangel dar.
c) Auch die Begründung der festgesetzten Höhe der einzelnen Tagessätze genügt nicht den sachlich-rechtlichen Anforderungen. Bei der Verhängung einer Geldstrafe sind regelmäßig konkrete Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen und insbesondere zu den monatlich erzielten Einkünften eines Angeklagten zu treffen. Nur so ist es dem Revisionsgericht möglich, die Bestimmung der Tagessatzhöhe auf Rechtsfehler zu überprüfen (vgl. BGH StraFo 2017, 338; Senatsbeschluss vom 03.06.2019, 2 Ss 63/19; OLG Köln, Beschluss vom 17. Juni 2015 – III-1 RVs 101/15 –, juris). Hieran fehlt es vorliegend. Die Ausführungen des angefochtenen Urteils erschöpfen sich darin, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung keine Angaben zu seiner Person gemacht habe und die Höhe des einzelnen Tagessatzes auf seinen wirtschaftlichen Verhältnissen beruhe. Indes enthalten die Urteilsgründe weder Ausführungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnisses des Angeklagten noch zu etwaigen Unterhalts- oder sonstigen Zahlungsverpflichtungen.
d) Aufgrund der aufgezeigten Mängel war das angefochtene Urteil im aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang aufzuheben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Hannover zurückzuverweisen.
OLG Celle 2. Strafsenat, Beschluss vom 12.12.2019, 2 Ss 138/19
ECLI:DE:OLGCE:2019:1212.2SS138.19.00
OLG Celle 2. Strafsenat, Beschluss vom 12.12.2019, 2 Ss 138/19
ECLI:DE:OLGCE:2019:1212.2SS138.19.00