In seiner Entscheidung vom 15. März 2007 in dem Verfahren StR 486/06 hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass der Gebrauch des Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation in einer Darstellung, deren Inhalt in offenkundiger und eindeutiger Weise die Gegnerschaft zu dieser Organisation und die Bekämpfung ihrer Ideologie zum Ausdruck bringt, dem Schutzzweck des § 86 a StGB ersichtlich nicht zuwider läuft und daher vom Tatbestand der Vorschrift nicht erfasst wird.
Vorausgegangen war der Entscheidung des Bundesgerichtshofes ein Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 29. September 2006, in dem der Angeklagte wegen des Gebrauchs des Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation verurteilt worden war, weil sich in dem Sortiment der von ihm vertriebenen Artikel auch zahlreiche Artikel mit Darstellungen befunden haben, auf denen nationalsozialistische Symbole, insbesondere das Hakenkreuz, in zum Teil veränderter, aber noch erkennbarer Form abgebildet waren, wobei durch die Art der Darstellung die Gegnerschaft zum Nationalsozialismus zum Ausdruck gebracht werden sollte.
Seine Entscheidung begründet der BGH maßgeblich wie folgt:
Der Gebrauch des Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisa-tion in einer Darstellung, deren Inhalt in offenkundiger und eindeutiger Weise die Gegnerschaft zu der Organisation und die Bekämpfung ihrer Ideologie zum Ausdruck bringt, läuft dem Schutzzweck der Vorschrift ersichtlich nicht zuwider und wird daher vom Tatbestand des § 86a StGB nicht erfasst. Da sich in einem derartigen Fall die gegnerische Zielrichtung bereits aus dem Aussagegehalt der Darstellung selbst ergibt, erstreckt sich der Tatbestandsausschluss grundsätzlich auf jeglichen Gebrauch der Kennzeichen, sei es Herstellung, Vorrätighalten, Verbreiten oder sonstiges Verwenden. Auf die Umstände des Gebrauchs kommt es dabei zur Begründung eines Tatbestandsausschlusses nicht an. Der Senat weist freilich darauf hin, dass ein Tatbestandsausschluss nur gerechtfertigt erscheint, wenn die Gegnerschaft sich eindeutig und offenkundig ergibt und ein Beobachter sie somit auf Anhieb zu erkennen vermag. Ist dagegen der Aussagegehalt einer Darstellung mehrdeutig oder die Gegnerschaft nur undeutlich erkennbar, so ist der Schutzzweck des § 86a StGB verletzt. Dies mag etwa der Fall sein, wenn das Durchstreichen des Hakenkreuzes so dünn erfolgt, dass aus einer gewissen Entfernung nur noch das Hakenkreuz, nicht mehr aber die Distanzierung erkennbar ist.
a) Eine Einschränkung des Straftatbestandes in solchen Fällen trägt auch dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG Rechnung. Zwar handelt es sich bei § 86 a StGB um ein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG, das grundsätzlich geeignet ist, zur Verwirklichung seines Schutzzweckes die Meinungsfreiheit zu beschränken. Läuft jedoch ein Handeln – wie hier der Gebrauch von Kennzeichen in eindeutig und offenkundig ablehnender Weise – dem Schutzzweck des § 86a StGB ersichtlich nicht zuwider, wäre es auch verfassungsrechtlich bedenklich, ein solches Verhalten gleichwohl zu inkriminieren und dadurch die Freiheit von Bürgern zu beschränken, die gegen die Wiederbelebung von nationalsozialistischen Bestrebungen in der Weise protestieren wollen, dass sie gerade die Kennzeichen angreifen, die eben diese unerwünschten Bestrebungen symbolisieren (vgl. BVerfG, Beschl. vom 23. März 2006 – 1 BvR 204/03).
b) Einem Tatbestandsausschluss steht auch nicht der Umstand entgegen, dass der Angeklagte mit dem Vertrieb der Artikel auch oder sogar vorrangig kommerzielle Ziele verfolgte. Ein wirtschaftliches Motiv nimmt den Darstellungen nicht den ihnen selbst innewohnenden nachdrücklich ablehnenden Aussagegehalt. Insoweit kann hier nichts anderes gelten als in Fällen der Anwendung der Sozialadäquanzklausel. Wenn etwa eine Druckerei aus geschäftlichem Interesse Aufträge zur Herstellung von Plakaten, Schriften oder Büchern ausführt, die im Sinne des § 86 Abs. 3 StGB der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Wissenschaft oder der Geschichtsberichterstattung dienen und in denen entsprechende Kennzeichen dargestellt werden, wird auch für ihr Handeln diese Klausel Anwendung finden und eine Strafbarkeit ausscheiden. Im Übrigen steht auch die kommerzialisierte Meinungsverbreitung unter dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG (Leibholz/Rinck, GG Art. 5 Rdn. 61).
c) Der Senat teilt auch nicht die vom Landgericht gehegten Befürchtungen, eine solche Auslegung könne von Anhängern der verbotenen Organisationen zum gefahrlosen Gebrauch der Kennzeichen missbraucht werden.
aa) Solche Personen würden Darstellungen, in denen die Kennzeichen in eindeutig und offenkundig ablehnender Weise gebraucht werden, als Verhöhnung des ihnen „heiligen“ Kennzeichens empfinden und selbst nicht verwenden (vgl. BGHSt 25, 133, 137). Der Senat hält es daher nicht für vorstellbar, wie es das Landgericht befürchtet, dass eine Gruppe rechtsgerichteter Personen in Springerstiefeln, Braunhemden und mit einer Oberarmbinde, die ein – deutlich – durchgestrichenes Hakenkreuz enthält, in Erscheinung treten könnte. Er muss daher auch nicht abschließend dazu Stellung nehmen, ob in einem solchen Falle ebenfalls ein Tatbestandsausschluss anzunehmen oder infolge der besonderen gegenläufigen Umstände abzulehnen wäre.
bb) Soweit eingewandt wird, die Verwendung des „Umweltmännchens“ durch eine rechtsgerichtete Gruppierung belege eine solche Gefahr, trifft dies nicht zu: Dieses Symbol zeigt im allgemeinen Gebrauch eine stilisierte Figur, die einen Abfallgegenstand mit ausgestrecktem Arm in einen Abfallbehälter wirft und so zur Sauberhaltung etwa von Parkanlagen auffordert. Auf vom Angeklagten vertriebenen Artikeln wurde dieses Symbol dahin abgeändert, dass der Abfallgegenstand durch ein Hakenkreuz ersetzt wurde, um ersichtlich zum Ausdruck zu bringen, dass dieses nichts wert und daher wegzuwerfen sei. Die offensichtlich rechtsextreme Gruppe „Nationaler Widerstand“ hat nun diese veränderte Darstellung mit Hakenkreuz übernommen, aber mit der Überschrift „Ihr stimmt uns heiter“ und der Unterschrift „der Nationale Widerstand marschiert geschlossen weiter!“ versehen. Damit hat diese Gruppe nicht die vom Angeklagten verwendete Darstellung gebraucht, sondern diese durch den Begleittext so verändert, dass sie einen entgegengesetzten Sinngehalt bekommen hat. Denn in dem aufgedruckten Kontext ergibt sich die Aussage, dass der „Nationale Widerstand“ ungeachtet der dargestellten Gegenpropaganda, über die er nur lachen könne, „weitermarschiere“ und somit seine Ziele weiterverfolge. Die Verwendung des Hakenkreuzes in einer solchen Bedeutung unterfällt ohne weiteres dem Tatbestand des § 86 a StGB. Denn sie zeigt ein Bekenntnis zu diesem Symbol und nicht dessen Ablehnung.
cc) Dass, wie das Landgericht betont, die ablehnende Verwendung solcher Kennzeichen die Anhänger der verbotenen Organisationen herausfordern könnte, erst recht ihre Symbole zu zeigen und sich so zu ihnen zu bekennen, mag zutreffen. Dies kann aber nicht rechtfertigen, den durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Protest gegen solche inkriminierten Kennzeichen unter Strafe zu stellen.
d) Eine andere Beurteilung rechtfertigt auch nicht der vom Landgericht maßgeblich für seine Rechtsauffassung herangezogene Umstand, dass die vom Angeklagten vertriebenen Darstellungen für einen massenhaften Gebrauch gedacht waren.
aa) Allerdings kann der Entscheidung BGHSt 25, 30, 34 eine Beschränkung der Tatbestandsrestriktion auf Einzelverwendungen der Kennzeichen in Abgrenzung zu deren gehäuftem Gebrauch entnommen werden. Der Senat hat zum dortigen Sachverhalt (ein Angeklagter protestiert gegen den – nach seiner Auffassung ungerechtfertigten – Schlagstockeinsatz der Polizei mit dem „Hitlergruß“ und „Sieg Heil“-Rufen) darauf hingewiesen, dass bei einer einmaligen Verwendung, bei der das Kennzeichen nur kurz in Erscheinung trete, es der Feststellung besonderer Umstände bedürfe, um das Handeln als Verstoß gegen § 86 a StGB einzuordnen; jedoch sei der Tatbestand erfüllt, wenn etwa bei einer Demonstration solche Kennzeichen in einer Häufung verwendet werden würden, dass die Gefahr bestehe, sie könnten sich entgegen dem Schutzzweck des § 86 a StGB wieder einbürgern. Der zu entscheidende Sachverhalt war somit dadurch geprägt, dass die Kennzeichen in unveränderter Form gebraucht worden sind und ihre ablehnende Verwendung erst aus den näheren Begleitumständen gefolgert werden konnte. Dass eine solche Beurteilung bei einem gehäuften Gebrauch – etwa bei einer Demonstration – außerordentlich proble-matisch ist und die Gefahr einer Missinterpretation einschließt, liegt auf der Hand.
Auch im Fall einer neutralen Verwendung hat der Senat eine ähnliche Einschränkung vorgenommen. Bei einem Spielzeughersteller, der originalgetreue Modelle von Kriegsflugzeugen mit Hakenkreuz auf den Markt gebracht hatte, hat er entscheidend auf die „massenhafte Verbreitung“ abgestellt und diese für unzulässig erklärt (BGHSt 28, 394, 397).
bb) Für eine solche Einschränkung besteht jedoch in Fällen wie hier, in denen bereits die Darstellung selbst eine nachdrückliche Ablehnung zum Ausdruck bringt, kein Bedürfnis. Denn auch bei häufiger Verwendung eines derart dargestellten Kennzeichens ist eine Verletzung des Schutzzwecks des § 86 a StGB nicht zu befürchten (so auch Sonnen aaO). Gleich ob eine Person oder eine Vielzahl von Personen etwa ein Abzeichen mit einem deutlich durchgestrichenen Hakenkreuz zum Zeichen der Ablehnung des Nationalsozialismus und etwaiger Bestrebungen seiner Wiederbelebung öffentlich trägt, wird ein Beobachter des Geschehens nicht den Eindruck gewinnen können, in der Bundesrepublik Deutschland gebe es eine innenpolitische Entwicklung, die verfassungsfeindliche Bestrebungen der durch das Kennzeichen angezeigten Richtung duldet; ihm wird im Gegenteil vermittelt, dass es Bürger gibt, die sich dem engagiert widersetzen. Durch die Vielzahl solcher gegnerischer Verwendungen kann der Eindruck einer Ablehnung eher noch verstärkt werden. Demgemäß hat der Senat in BGHSt 25, 133 in einem vergleichbaren Fall, in dem der Angeklagte auf Plakaten ein Hakenkreuz in einer aus dem Inhalt des Plakats ersichtlichen, ablehnenden Weise verwendet hatte, die Erfüllung des Tatbestandes ohne weiteres verneint, ohne auf den Gesichtspunkt der gehäuften Verwendung, die bei einem Plakat nahe gelegen hätte, näher einzugehen.
Die Entscheidung kann im Volltext hier auf den Seiten des Bundesgerichtshofes abgerufen werden.