In seiner Entscheidung vom 15. März 2007 in dem Verfahren 5 StR 536/06 hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass die wirksame Zustellung einer im Beschlußwege ergangenen einstweiligen Verfügung Voraussetzung für die Strafbarkeit nach § 4 GewSchG ist.
Seine Entscheidung hat der BGH maßgeblich wie folgt begründet:
a) Tathandlung nach § 4 GewSchG ist die Zuwiderhandlung gegen eine vollstreckbare Anordnung nach § 1 Abs.1 Satz 1 oder 3 GewSchG. Dabei handelt es sich um eine Blankettnorm, deren Verbotsgehalt sich aus der zugrunde liegenden zivilgerichtlichen Entscheidung ergibt (Heinke in Anwaltkommentar BGB 2005 § 4 GewSchG Rdn. 2). Ob eine ge-genüber dem Angeklagten vollstreckbare Anordnung vorliegt, ist deshalb nach den hierfür geltenden zivilrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen. Eine vollstreckbare Anordnung setzt voraus, dass diese dem Angeklagten gegen-über wirksam geworden ist. Dies geschieht durch die Zustellung der einstwei-ligen Verfügung. Insoweit ist die Zustellung Wirksamkeitsvoraussetzung. Mit der Zustellung entsteht überhaupt erst ein Prozessrechtsverhältnis gegen-über dem Adressaten der einstweiligen Verfügung (Vollkommer in Zöller, ZPO 26. Aufl. § 922 Rdn. 12a). Die vom Generalbundesanwalt angespro-chene Möglichkeit einer Vollziehung vor Zustellung nach § 929 Abs. 3 ZPO kommt bei einer – hier gegebenen – rechtsgestaltenden Regelungsverfügung daher ihrer Struktur nach nicht in Betracht (vgl. Vollkommer in Zöller aaO § 929 Rdn. 26; Grunsky in Stein/Jonas, ZPO 22. Aufl. § 938 Rdn. 30, 31).
aa) Da eine wirksame Zustellung Geltungsvoraussetzung der einstweiligen Verfügung gegenüber dem Betroffenen ist, kommt keine – von der Staatsanwaltschaft befürwortete – Auslegung des § 4 GewSchG in Be-tracht, wonach eine so genannte „abstrakte Vollstreckbarkeit“ der einstweili-gen Verfügung ausreichen solle (so aber OLG Oldenburg NStZ 2005, 411). Damit ist ersichtlich gemeint, dass für die Verwirklichung des objektiven Tat-bestandes die bloße Existenz einer einstweiligen Verfügung genügen soll, ihre durch eine ordnungsgemäße Zustellung bewirkte Wirksamkeit gegen-über dem Betroffenen aber nicht verlangt werden soll. Abgesehen davon, dass eine solche der grundlegenden Systematik des Rechts der einstweiligen Verfügung entgegenstehende Auslegung mit der Struktur des § 4 GewSchG als Blanketttatbestand nicht vereinbar wäre, gibt auch der Wort-laut dieser Bestimmung keinen Anhalt für eine derartige Auslegung. Dass die Anordnungen nach den §§ 1, 2 GewSchG zu befristen sind, soll ersichtlich einer Verletzung des Übermaßverbotes vorbeugen, stellt aber kein Argument im Sinne einer „abstrakten Vollstreckbarkeit“ dar (a.A. OLG Oldenburg aaO). Vielmehr legt der Wortlaut des § 4 GewSchG nahe, dass der Gesetzgeber auch insoweit die konkrete Vollstreckbarkeit gegenüber dem Betroffenen gemeint und zur Voraussetzung für eine Strafbarkeit gemacht hat. Dies wird nämlich aus dem ausdrücklichen und zusätzlichen Erfordernis deutlich, dass die vollstreckbare Anordnung bestimmt sein muss. Damit wollte der Gesetz-geber ersichtlich den Betroffenen vor strafrechtlichen Risiken für den Fall einer unklaren Verbotsverfügung schützen. Entsprechend wäre Rechtssi-cherheit für den Betroffenen noch weniger gegeben, wenn als Grundlage für den Vorsatz unter Umständen mündliche Berichte Dritter ausreichen sollen. Deshalb liegt die Annahme fern, der Gesetzgeber habe von einer wirksamen Zustellung gegenüber einem Betroffenen absehen wollen, der unter Umstän-den von dem Verfahren über die einstweilige Verfügung nicht einmal Kennt-nis erlangt hat.
bb) Die Zustellung hat nach § 936 i.V.m. § 922 Abs. 2 ZPO im Parteibetrieb zu erfolgen. Das bedeutet, dass der Antragsteller (im vorliegen-den Fall also die Nebenklägerin) die Zustellung zu bewirken hat. Damit soll die Entscheidung in der Hand des Antragstellers bleiben, ob er von der einstweiligen Verfügung Gebrauch macht, und sich unter Umständen da-durch auch Schadensersatzansprüchen nach § 945 ZPO aussetzt. Schon allein wegen dieses Zusammenhangs kann eine Zustellung im Parteibetrieb nicht durch andere Formen der Bekanntgabe ersetzt werden (vgl. BGHZ 120, 73, 78 ff.).
Die Entscheidung kann im Volltext hier auf den Seiten des BGH abgerufen werden.