Rechtsmittelbelehrungen unter arbeitsgerichtlichen Entscheidungen haben auch über die Möglichkeit der Rechtsmitteleinlegung in elektronischer Form zu belehren.
Ohne eine solche Belehrung ist die Rechtsmittelbelehrung fehlerhaft, sodass die Rechtsmittelfrist gem. § 9 Abs. 5 Satz 3 ArbGG nicht zu laufen beginnt.
Diesen Leitsatz hat das Landesarbeitsgericht Hamburg zu seinem Beschluß vom 9.5.2018 (4 TaBV 7/17) aufgestellt und weicht damit von früheren Entscheidungen des BSG (vom 14.03.2013 – B 13 R 19/12 R) und des LAG Hamburg (vom 28.09.2017 – 7 Sa 72/17) ab.
Dies begründet das LAG in seinem Beschluss u.a. wie folgt:
[…] Gem. § 9 Abs. 5 Satz 3 ArbGG beginnt eine Frist für ein Rechtsmittel nur, wenn die Partei oder der Beteiligte über das Rechtsmittel und das Gericht, bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, die Anschrift des Gerichts und die einzuhaltende Frist und Form schriftlich belehrt worden ist. Ist die Rechtsmittelbelehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so beginnt die Frist zur Einlegung der Beschwerde abweichend von § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG aufgrund der Spezialvorschrift des § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG spätestens mit Ablauf von fünf Monaten ab Zustellung des Beschlusses (BAG 28. Oktober 2004 – 8 AZR 492/03). Auch wenn § 9 Abs. 5 ArbGG eigentlich nur für die Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels gilt (BAG 4. Juni 2003 – 10 AZR 586/02), ist Konsequenz einer fehlenden oder unrichtigen Rechtsmittelbelehrung, dass die Beschwerde innerhalb von sechs Monaten ab Zustellung eingelegt und innerhalb von sieben Monaten ab Zustellung begründet werden muss (Pfeiffer in Natter/Gross ArbGG 2. Aufl. § 66 Rn. 14; ErfK/Koch 17. Aufl. § 66 ArbGG Rn. 12; Maul/Sartori in Düwell/Lipke ArbGG 4. Aufl. § 66 Rn. 50).
Eine Rechtsmittelbelehrung ist fehlerhaft, wenn sie der Partei oder den Beteiligten nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit Antwort auf die Frage gibt, ob ein Rechtsmittel eingelegt werden kann oder nicht. Die nach § 9 Abs. 5 Satz 1 und 2 ArbGG bestehende Verpflichtung der Gerichte für Arbeitssachen, alle mit einem befristeten Rechtsmittel anfechtbaren Entscheidungen mit einer Belehrung über das Rechtsmittel zu versehen, verfolgt den Zweck, die rechtsunkundige Partei ohne Weiteres in die Lage zu versetzen, die für die Wahrnehmung und eventuelle Weiterverfolgung ihrer Rechte erforderlichen Schritte zu unternehmen. Die Rechtsmittelbelehrung muss den Parteien ermöglichen, sich allein aus der Belehrung über das für sie gegebene Rechtsmittel zu informieren (BAG 13. April 2005 – 5 AZB 76/04; BAG 20. Februar 1997 – 8 AZR 15/96). Eine Rechtsmittelbelehrung ist fehlerhaft, wenn sie zwingend erforderliche Angaben nicht enthält, diese unrichtig wiedergibt oder wenn sie geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsmittels hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, das Rechtsmittel überhaupt rechtzeitig oder in richtiger Form einzulegen (BVerwG 31. August 2015 – 2 B 61/14).
bb) Unter Anwendung dieser Grundsätze hat die Frist zur Beschwerdebegründung nicht mit der Beschlusszustellung am 16. August 2017 zu laufen begonnen. Die Rechtsmittelbelehrung der am 16. August 2017 zugestellten Beschlussfassung war unvollständig und fehlerhaft, weil sie keine Belehrung über die Möglichkeit der Einlegung des Rechtsmittels in elektronischer Form enthielt.
(1) Bislang wird jedoch in der Rechtsprechung weitgehend vertreten, dass eine Rechtsmittelbelehrung jedenfalls derzeit noch keine Belehrung über die Möglichkeit der Einlegung des Rechtsmittels auch in elektronischer Form enthalten müsse.
Für das sozialgerichtliche Verfahren führte das Bundessozialgericht (BSG 14. März 2013 – B 13 R 19/12 R) aus, die elektronische Form sei derzeit noch kein gleichgewichtiger Regelweg der Rechtsmitteleinlegung, zumal diese Form in zahlreichen Vorschriften des SGG über die Art und Weise der Rechtsmittel- und Rechtsbehelfseinlegung noch nicht erwähnt sei.
Für das arbeitsgerichtliche Verfahren hat das Landesarbeitsgericht Hamburg (LAG Hamburg 28. September 2017 – 7 Sa 72/17) das Erfordernis einer entsprechenden Rechtsbehelfsbelehrungen unter einem Versäumnisurteil verneint mit der Begründung, dass § 59 ArbGG, der die Form der Einspruchseinlegung regelt, die elektronische Form nicht ausdrücklich benenne. Es reiche aus, wenn in der Rechtsbehelfsbelehrung auf die Form der Rechtsbehelfseinlegung hingewiesen werde, die auch vom Gesetz benannt werde. Im Übrigen sei die elektronische Form keine eigenständige Form, sondern eine bloße Unterform der Schriftform, weshalb es ausreiche, auf die Schriftform hinzuweisen. Unter Bezugnahme auf die bereits oben zitierte Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG 14. März 2013 – B 13 R 19/12 R) vertritt das Landesarbeitsgericht Hamburg ebenfalls die Ansicht, die elektronische Form sei derzeit noch kein gleichwertiger Regelweg für die Einlegung eines Rechtsbehelfs.
(2) Diesen Auffassungen vermag die erkennende Kammer jedenfalls für die Einlegung eines Rechtsmittels im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht zu folgen.
Jedenfalls für die Berufungseinlegung ist es nämlich unrichtig, dass es an einem gesetzlichen Verweis auf die Möglichkeit einer elektronischen Rechtsmitteleinlegung fehle. § 519 Abs. 4 ZPO verweist nämlich für die Form der Berufungsschrift auf die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze, somit auch auf § 130a ZPO, bzw. im arbeitsgerichtlichen Verfahren auf § 46c ArbGG. Hinzu kommt, dass es bezogen auf §§ 130a ZPO, 46c ArbGG noch nicht einmal dieses Verweises bedürfte, da diese Normen ohnehin auch für „schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Parteien“ gelten, somit bereits unmittelbar auch für Klageschriften und Rechtsmittelschriften (Zöller/Greger ZPO 32. Aufl. § 130a Rn. 2; GMP/Germelmann/Künzl ArbGG 9. Aufl. § 46c Rn. 6).
Ebenfalls unrichtig ist die Annahme, die elektronische Form wäre nur eine Unterform der Schriftform. Der Gesetzgeber versteht das elektronische Dokument vielmehr als eine eigenständige „modifizierte Schriftform“ und „neue prozessuale Form“ (BT-Drs. 14/4987 Seite 24; ebenso: BSG 14. März 2013 – B 13 R 19/12 R; Kloppenburg in jurisPR-ArbR 26/2010 Anm. 1 zu BGH 14. Januar 2010 – VII ZB 112/08).
Auch die Annahme, das elektronische Dokument sei derzeit noch keine gleichwertige Form der Rechtsmitteleinlegung, entbehrt jeglicher rechtlicher Grundlage. Durch die Einführung des § 46c ArbGG hat der Gesetzgeber das elektronische Dokument zu einer gleichwertigen Form erhoben. Diese Form ist auch nicht unbedeutend, zumal beim Landesarbeitsgericht der elektronische Rechtsverkehr eröffnet ist und seit 1. August 2017 auch die elektronische Aktenführung gem. § 46e ArbGG eingeführt wurde. Die erkennende Kammer führt ihre Akten elektronisch. Jede elektronische Einlegung eines Rechtsmittels ist wünschenswert, reduziert Arbeitsschritte und erleichtert die Sachbearbeitung.
Es ist somit über die Wahlmöglichkeit zwischen der Schriftform und der elektronischen Form zu belehren (Reinfelder in Düwell/Lipke ArbGG 4. Aufl. § 9 Rn. 66).
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