Das Hessiche Finanzgericht hat sich in seiner Entscheidung vom 16.05.2006 mit den Voraussetzungen der Aussetzung der Vollziehung von Umsatzsteuerbescheiden bis zum Abschluss eines Rechtsbehelfsverfahrens befasst:
Der Antragsgegner (das Finanzamt – FA-) hat einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Antragstellers (ASt) der mit Einspruch angefochtenen USt Be¬scheide 2003 und 2004 vom 18.1.2006 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Umsatz eines selbständigen Finanzdienstleisters sei nicht nach § 4 Nr.8a UStG als „Vermittlung von Krediten„ steuerbefreit. Der Antragsteller sei nur „als Dritter für den eigentlichen Kreditvermittler bzw. aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrages mit entsprechenden Vollmachten für die finanzie¬renden Banken„ tätig geworden. Er habe seine Mittlertätigkeit nicht direkt an eine Partei des Kreditvertrages erbracht. Diese Rechtsauffassung entspreche dem BMF Schreiben vom 13.12.2004 in BStBl I 2004, 1199 und dem BFH Ur¬teil vom 9.10.2003 V R 5/03 (Umsatzsteuerrundschau -UR- 2004, 30). Der jüngst ergangene Beschluss des hessischen Finanzgerichts vom 22.12.2005
6 V 3312/05, indem die Aussetzung der Vollziehung gewährt worden sei, könne über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht angewendet werden.
Nachdem das FA trotz des Aussetzungsantrages eine Kontenpfändung ausgebracht hat, hat der Antragsteller Aufhebung der Vollziehung beantragt. Die Rechtslage sei ernstlich zweifelhaft, weil das FG Brandenburg mit Beschluss vom 23.11.2005 1 K 692/05 (UR 2006, 277) die Rechtsfrage dem EuGH vor¬gelegt habe. Auch in der Sache 6 V 3221/05 habe ein anderes FA bereits die Vollziehung ausgesetzt.
Der ASt beantragt
die Vollziehung der USt Bescheides 2003 und 2004 vom 18.1.2006 in Höhe von 868,95 Euro einschließlich Zinsen von 38 Euro bzw.
3.842,72 Euro aufzuheben.
Das FA beantragt
den Antrag abzulehnen.
Es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit, weil die Entscheidung des FG Brandenburg „nicht nachzuvollziehen“, sei. Zwar könne der in der englischen Sprachfassung enthaltene Begriff „negoation“ auch weiter ausgelegt werden im Sinne von „Verhandlung“ oder „aushandeln“. Der in Art. 13 Teil B Buchst. d der 6.EG Richtlinie verwendete Begriff der „Vermittlung“ sei jedoch eher nach dem engeren deutschen, niederländischen oder französi¬schen Sprachverständnis auszulegen. Der Vermittler müsse im Namen einer der beiden Parteien auf einen Geschäftsabschluss hinwirken. Vorliegend habe der ASt nur als Untervertreter eine Finanzdienstleistung erbracht. Das FA halte ent¬sprechend einer Weisung der OFD am Abweisungsantrag fest.
II.
Der Antrag ist begründet.
1. Gem. § 69 Absatz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht die Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheides auf Antrag aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn seine Vollziehung eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheides ist ernstlich zweifelhaft, wenn die Prüfung der Sach- und Rechtlage auf Grund präsenter Beweismittel, der gerichtsbekannten Tatsachen und des unstreitigen Sachverhaltes in entscheidungserheblicher Weise zu Unsicherheiten in der Beurteilung der Rechtslage oder zu Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen führt (Urteil des BFH vom 17.5. 1987 I R 50/77, BStBl II 1978, 579).
2. Derartige Unsicherheiten in rechtlicher Hinsicht liegen im Streitfall vor. Zwar sind ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheides im Allgemeinen dann zu verneinen, wenn die Rechtsfrage bereits vom Bundesfinanzhof entschieden worden ist (Gräber, FGO, § 69 Tz.. 90). Wie das Hessisches Finanzgericht jedoch bereits in seinem Beschluss vom 22.12.2005
6 V 3312/05 entschieden hat, ist die Rechtsprechung des BFH auf Kritik gesto¬ßen (Herrmann UR 2004, 393; Hamacher UR 2005,362; zusammenfassend Nieskens UStB 2005, 209). Nachdem das FG Brandenburg nunmehr die Rechts¬frage, ob entsprechend früherer Rechtsprechung des EuGH bei der Auslegung des Be¬griffs der „Gewährung und Vermittlung von Krediten„ in Art. 13 B Buchstabe d nicht die Art der vertraglichen Beziehungen (so der BFH), sondern die Art der Tätigkeit maßgeblich ist, dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt hat, kann die Rechtslage nicht als abschließend geklärt angesehen werden. Auch in seiner Anmerkung zum Vorlagebeschluss des FG Brandenburg (UR 2006, 281) kommt Nieskens zu dem Ergebnis, es bleibe abzuwarten, wie der EuGH die Vorlage¬frage entscheide. Da das Aussetzungsverfahren nach § 69 FGO nicht der Ent¬scheidung von Rechtsfragen dient und das FA trotz richterlichen Hin¬weises die Aussetzung weiterhin abgelehnt hat, war durch Beschluss zu ent¬scheiden und die Vollziehung aufzuheben (ebenso FG Rheinland Pfalz, Be¬schluss vom 02.05.2006 6 V 13153/06, Juris).
Die Entscheidung kann im Volltext hier abgerufen weren.