…ist aus dem Dienst zu entfernen.
Dies hat das VG Wiesbaden (28 K 157/10.WI.D) in dem Verfahren einer Polizeibeamtin, die sich gegen die disziplinarrechtliche Maßnahme der Entfernung aus dem Beamtendienst zur Wehr gesetzt hat, festgestellt.
In den Entscheidungsgründen führt das VG unter anderem folgendes aus:
Der Schwerpunkt des der Beamtin vorzuwerfenden Dienstvergehens liegt in dem Vorwurf der Strafvereitelung im Amt. Bereits der gesetzliche Strafrahmen des § 258a StGB (sechs Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe im Regelfall) macht deutlich, dass es sich bei dem Fehlverhalten der Beamtin nach der Wertung des Gesetzgebers um eine Straftat mit erheblichem Gewicht handelt. Die Beklagte hat durch die Art und die Umstände der Tatbegehung zudem gegen ureigenste Kernpflichten des ihr anvertrauten Amtes, nämlich gegen die Pflicht, Straftaten zu verhindern und Straftäter zu ermitteln und zu verfolgen, nachhaltig verstoßen und damit gezeigt, dass sie in dem Amt einer Polizeibeamtin untragbar ist. Sie hat sich nicht nur auf die Seite eines wegen Vergewaltigung und versuchten Todschlags gesuchten Schwerstkriminellen gestellt und ihm Zuflucht gewährt. Sie hat darüber hinaus ihre dienstlich erworbenen Kenntnisse über die geplante Festnahme durch ihre Kollegen an den Gesuchten weitergegeben und dadurch die Ermittlungsmaßnahmen gefährdet und vermutlich deren unmittelbaren Erfolg (zunächst) auch verhindert. Form und Gewicht des Verschuldens wiegen schwer. Die vorsätzlich begangene Pflichtverletzung erstreckte sich über Wochen. Auch der von der Beklagten in ihrer Vernehmung im behördlichen Disziplinarverfahren vom 23.06.2006 geäußerte Beweggrund für ihr Handeln, sie habe auf den Gesuchten einwirken wollen, damit dieser sich freiwillig stellt, steht ersichtlich im Widerspruch zu der ihr obliegenden polizeilichen Handlungspflicht und lässt das pflichtwidrige Verhalten nicht in einem günstigeren Licht erscheinen. Die unmittelbaren Folgen ihres Fehlverhaltens auf den Dienstbetrieb waren erheblich, schon weil sie durch ihr Verhalten den polizeilichen Ermittlungsablauf empfindlich beeinträchtigt und das Einsatzziel der polizeilichen Aktion, die Festnahme eines Schwerstkriminellen, gefährdet hat. Ferner ist der erhebliche Achtungs- und Ansehensverlust für die Polizei und deren Arbeit zu berücksichtigen. Das Fehlverhalten der Beklagten war Gegenstand zahlreicher Presseberichte. Diese waren geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität und Effizienz der Polizei als Strafverfolgungsbehörde aufs Schwerste in Misskredit zu bringen.
Ein Polizeibeamter, der – wie die Beklagte – vorsätzliche Straftaten begeht, die dem Kernbereich seiner Amtspflichten zuwider laufen, beeinträchtigt das für die Ausübung seines Berufs erforderliche Vertrauen seines Dienstherrn und der Allgemeinheit auf das Schwerste. Die Kammer hält es für angezeigt und geboten, bei einem derart schwerwiegenden, vorsätzlichen Versagen im engsten Kernbereich der Pflichten eines Polizeibeamten grundsätzlich von der Höchstmaßnahme als Richtschnur für die Bemessung der angemessenen Disziplinarmaßnahme auszugehen (vgl. zur Verhängung der Höchstmaßnahme bei Strafvereitelung im Amt: BVerwG, Urteil vom 14.10.2003 – 1 D 2/03; VG München, Urteil vom 22.02.2010 – M 19 D 09.5559 – und Urteil vom 08.03.2010 – M 19 DK 09.5224; zitiert nach juris). Davon ausgehend kommt es für die weitere Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart zugunsten der Beamtin ins Gewicht fallen, dass eine mildere Maßnahme als die bereits durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist. Solche durchgreifenden Milderungsgründe in Bezug auf das Persönlichkeitsbild, die persönlichen Verhältnisse und das dienstliche Verhalten der Beklagten (§ 16 Abs. 1 Satz 3 HDG) liegen indes nicht vor.
Anhaltspunkte für das Vorliegen des Milderungsgrundes des Handelns in einer unverschuldet entstandenen ausweglosen existentiellen wirtschaftlichen Notlage zur Tatzeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.10.2002 – 1 D 5/02) liegen ersichtlich ebenso wenig vor wie solche für den Milderungsgrund der unbedachten, einmaligen persönlichkeitsfremden Augenblickstat in einer besonderen Versuchssituation (Gelegenheitstat), die durch ein gewisses Maß an Kopflosigkeit, Spontaneität und Unüberlegtheit herbeigeführt sein muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 05.05.1998 – 1 D 12/97).
Der Umstand, dass die Beamtin bislang strafrechtlich und disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten und in ihrer Dienstausübung bislang unauffällig war, ist zwar zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, kann aber nicht zum Absehen von der Höchstmaßnahme führen. Es handelt sich insoweit um ein Verhalten und um Leistungen, die von jedem Beamten erwartet werden und die angesichts des erheblichen Gewichts des Dienstvergehens keine andere Beurteilung rechtfertigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.10.1998, Az.: 1 D 109/97, Urteil vom 24.05.2007, Az.: 2 C 25/06, Urteil vom 07.02.2008, Az.: 1 D 4/07, zitiert nach juris).
Auch im Übrigen liegen nach Überzeugung der Kammer aufgrund des Persönlichkeitsbildes oder aufgrund sonstiger Umstände keine Entlastungsgründe von solchem Gewicht vor, dass die prognostische Gesamtwürdigung den Schluss rechtfertigt, die Beamtin habe das Vertrauensverhältnis noch nicht vollends zerstört. Dies gilt insbesondere, soweit der Sachverständige in seinem Gutachten ausführt, dass „man die Geschehnisse nur verstehen (kann), wenn man die Persönlichkeit von L. kennt“ (Seite 60). Die Straftaten der Beklagten, so der Sachverständige in seiner Anhörung vor der Kammer, wären nicht geschehen, „wenn die Begegnung mit einem solchen Menschen wie L. nicht stattgefunden hätte“. Dieser habe der Beamtin „überzeugend das Gefühl (vermittelt), nur sie könne ihn verstehen und helfen.“ Ihn „ihren Kollegen auszuliefern brachte sie nicht über das Herz, weil sie in ihm einen Freund und netten Menschen sah, der ihr selbst in einer schwierigen Zeit geholfen hat“ (Seite 65). Es sei diesem Mann gelungen, die Beamtin „unter gezieltem Ausnutzen ihrer altruistischen Hilfsbereitschaft und ihren emotionalen Bedürfnissen zu manipulieren und sie für seine Zwecke zu benutzen“. Ihre „Blauäugigkeit“ habe „maßgeblich auf dem Geschick des Straftäters (beruht), der zahlreiche andere Männer und Frauen auf jeweils individuelle Art und Weise zu manipulieren verstand und versteht“ (Seite 67). Mit diesen Erläuterungen des Sachverständigen mag das kaum fassbare Verhalten der Beklagten in ein Licht gerückt werden, das es ein Stück nachvollziehbar bzw. verstehbar erscheinen lässt, weil sich die Beamtin danach auch selbst als Opfer erweist. Eine Minderung ihrer Schuldfähigkeit, so der Sachverständige, war damit jedoch nicht verbunden. Die Kammer vermag aufgrund der Erläuterungen des Sachverständigen auch nicht zu erkennen, dass sich die Beamtin in einer extremen psychischen Notsituation oder einer damit vergleichbaren Lage befunden hätte, wie sie die Rechtsprechung der Disziplinargerichte etwa bei einer einmaligen persönlichkeitsfremden Augenblickstat zugunsten des Beamten zugrunde legt. Dagegen spricht auch, dass sie für ihr Handeln uneingeschränkt verantwortlich und von ihrer Steuerungsfähigkeit auszugehen ist. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass es nach den Feststellungen des Sachverständigen zwar „sehr unwahrscheinlich (ist), dass Frau A. noch einmal in dieser Weise Opfer eines dissozialen Psychopathen werden wird“, er die Wiederholungsgefahr aber auch nicht gänzlich ausschließt, sondern sie als „verschwindend gering“ bezeichnet (Seite 67f). Letztlich spielt die Frage der Wiederholungsgefahr – und damit auch der Erfolg der von der Beklagten durchgeführten Langzeittherapie zur Aufarbeitung ihres Fehlverhaltens – aber im Hinblick auf den hier eingetretenen völligen Vertrauensverlust ohnehin keine Rolle mehr und kann dahingestellt bleiben.
Unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensverlustes ergeben sich auch im Übrigen keine besonderen Umstände, die zu einer milderen Disziplinarmaßnahme führen. Das Vertrauensverhältnis zum Dienstherrn wie zur Allgemeinheit ist vorliegend aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung endgültig zerrüttet. Die Beamtin hat mit ihrem Verhalten gezeigt, dass sie für den Dienstherrn untragbar geworden ist und ihm ein Verbleiben der Beamtin im Dienst nicht zugemutet werden kann. Auch die Allgemeinheit hätte kein Verständnis, wenn eine Polizeibeamtin, die im Rahmen ihrer Dienstausübung so schwerwiegende Verfehlungen, die mit ihrem Dienst schlicht unvereinbar sind, begeht, weiter ihren Polizeidienst ausüben könnte. Soweit der Bevollmächtigte der Beklagten in seiner abschließenden (mündlichen) Stellungnahme darauf hingewiesen hat, dass das Verhalten des Klägers gegenüber der Beamtin nach begangener Straftat darauf schließen lasse, dass noch ein A. von Vertrauen vorhanden sei, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn, darauf hat der Vertreter des Klägers zutreffend hingewiesen, endet erst mit rechtskräftiger Entfernung. Maßnahmen oder Äußerungen als Ausdruck der Fürsorgepflicht, die seitens des Dienstherrn vor Abschluss des Disziplinarverfahrens erfolgen, können deshalb nicht ohne Weiteres als Indiz für das Vorliegen von bestehendem Vertrauen gewertet werden. Entsprechendes gilt für Maßnahmen, die im Rahmen der Ermittlungen angestellt werden und die Frage nach entlastenden Umständen zum Gegenstand haben. Schließlich kommt es aber ohnehin nicht auf die persönliche Einschätzung des jeweiligen Dienstvorgesetzten an. Ob und in welchem Umfang eine Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn vorliegt, ist vielmehr nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Maßgebend ist nicht die subjektive Einschätzung des jeweiligen Dienstvorgesetzten, sondern die Frage, ob der Dienstherr bei objektiver Gewichtung des Dienstvergehens noch darauf vertrauen kann, dass der Beamte in Zukunft seinen Dienstpflichten ordnungsgemäß nachkommen wird bzw. in welchem Umfang die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in eine zukünftige pflichtgemäße Amtsausübung entgegen bringen kann. Diese Frage unterliegt uneingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Überprüfung, ein Beurteilungsspielraum des Dienstherrn besteht insoweit nicht (BVerwG, Urteil vom 20.10.2010 – 2 C 12.94 -, juris, Rdnr. 26). Die Frage ist vorliegend, wie ausgeführt, wegen des Gewichts des Dienstvergehens und der fehlenden Entlastungsgründe im Ergebnis zu verneinen.
Die Entscheidung kann hier auf den Seiten des Hessenrechts im Volltext abgerufen werden.