In seiner Entscheidung vom 12. April 2006 in dem Verfahren 9 E 2085/05 hat das VG Frankfurt sich mit der Frage der Wirksamkeit der Ersatzzustellung durch Einwurf in den Briefkasten befasst und folgende Leitsätze aufgestellt:
1. Für die Wirksamkeit der Ersatzzustellung durch Einlegen der Sendung in den Briefkasten des Empfängers kommt es nach § 3 VwZG i. V. m. § 180 ZPO nicht dar-auf an, ob das Datum der Einlegung auf dem Zustellungsumschlag überhaupt oder richtig angegeben ist oder ob die Zustellungsurkunde ausgefüllt wird oder an den Auftraggeber der Zustellung zuirückgelangt.
2. Für die Wirksamkeit einer Ersatzzustellung durch Einlegen der Sendung in den Briefkasten kommt es nicht darauf an, wann der Empfänger tatsächlich Kenntnis vom zugestellten Schriftstück nimmt.
3. Wird eine Verfügung über die Versetzung eines Beamten in den Ruhestand zweimal hintereinander zugestellt, kommt die rechtsgestaltende Wirkung der Zurruhesetzungsverfügung nur der zuerst zugestellten Verfügung zu.
Zur Begründung hat das Gericht u.a. ausgeführt:
Der Kläger hat nach der Einlegung des Widerspruchs und noch vor seiner Bescheidung geltend gemacht, die Nichtzahlung der Versorgungsbezüge für die Monate Januar und Februar 2005 verletze ihn in seinen Rechten. Zumindest als Schadensersatz stehe ihm der entsprechende Betrag zu. Damit ist das Zahlungsbegehren hinreichend konkret in das Vorverfahren eingeführt worden. Das beklagte Land hatte Gelegenheit, sich vorprozessual damit auseinander zu setzen. Dies genügt, um den Erfordernissen des § 126 Abs. 3 BRRG, § 182 Abs. 3 BRRG zu genügen. Da das Zahlungsbegehren dem Grunde nach bereits im Klageantrag zu 1b enthalten ist, ist die Einreichung des Hilfsantrags mit Schriftsatz vom 4. Juli 2005, eingegangen bei Gericht noch am gleichen Tag, nicht als eine Klageänderung zu werten. Vielmehr konkretisiert der Kläger lediglich sein von Anfang geäußertes Klagebegehren. Im Übrigen wäre eine Klageänderung noch innerhalb der Klagefrist erfolgt, da der 3. Juli 2005 ein Samtstag war, sodass die Klagefrist erst am 4. Juli 2005 ablief.
Der Kläger hat aufgrund des § 56 Abs. 3 HBG i. V. m. § 3 Abs. 1 BeamtVG einen unmittelbaren – primären – Anspruch auf Zahlung der ihm für die Monate Januar und Februar 2005 zustehenden Versorgungsbezüge. Der Kläger ist nämlich bereits mit Ablauf des Monats Dezember 2004 in den Ruhestand getreten, und zwar aufgrund der Verfügung des Beklagten vom 14. Dezember 2004.
Eines Rückgriffs auf einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Fürsorgepflicht (§ 92 Abs. 1 HBG) bedarf es nicht. Das Gericht ist bei der Beurteilung des Zahlungsanspruchs nicht an die vom Kläger genannten Anspruchsvoraussetzungen gebunden. Schon im Widerspruchsverfahren hat der Kläger nämlich ausgeführt, ihm stünden die entsprechenden Zahlungen jedenfalls als Schadensersatz zu. Damit hat der Kläger von vornherein sein Begehren nicht auf diese Anspruchsgrundlage beschränkt, sondern lediglich die aus seiner Sicht auf jeden Fall zum Erfolg führende Anspruchsgrundlage angegeben.
Nach § 56 Abs. 2 HBG beginnt der Ruhestand abgesehen von den hier nicht einschlägigen Fällen der §§ 50, 51 Abs. 4 HBG mit dem Ende desjenigen Monats, in dem die Versetzung in den Ruhestand dem Beamten mitgeteilt worden ist. Mitteilung im Sinne dieser Bestimmung bedeutet nach § 184 HBG Zustellung. Deren Modalitäten beurteilen sich nach § 1 Abs. 1 HessVwZG v. 14.2.1957 (GVBl. S. 9), zuletzt geändert durch Gesetz v. 5.2.1973 (GVBl. I S. 57) nach den jeweils geltenden Vorschriften des VwZG des Bundes. Anzuwenden ist hier noch die vor dem 1. Februar 2006 geltende Fassung des VwZG des Bundes v. 3.7.1952 (BGBl. I S. 379), zuletzt geändert durch Gesetz v. 25.6.2001 (BGBl. I S. 1206), da das VwZG v. 12.8.2005 (BGBl. I S. 2354) erst ab dem 1.2.2006 an die Stelle der früheren Fassung getreten ist (Art. 4 Abs. 1 des Gesetzes zur Novellierung des Verwaltungszustellungsrechts v. 12.8.2005 – BGBl. I S. 2354).
Eine Zustellung erfordert nach § 2 Abs. 1 VwZG a. F. grundsätzlich die Übergabe eines Schriftstücks an den Beamten. Übergabe verlangt, dem Beamten den Besitz an dem zuzustellenden Schriftstück zu verschaffen (VGH BW 13.2.1985, VBlBW 1986, 183; 6.2.1980, DÖV 655). Dies kann nach § 3 VwZG a. F. durch die Post mit Zustellungsurkunde geschehen. Nach § 3 Abs. 1 VwZG a. F. geschieht dies dadurch, dass die Behörde, die die Zustellung veranlasst, das Schriftstück verschlossen der Post mit dem Ersuchen übergibt, die Zustellung einem Postbediensteten des Bestimmungsortes aufzutragen. Die Sendung ist mit der Anschrift des Empfängers und mit der Bezeichnung der absendenden Dienststelle, einer Geschäftsnummer und einem Vordruck für die Zustellungsurkunde zu versehen. Nach § 3 Abs. 2 VwZG a. F. beurkundet der Postbedienstete die Zustellung; die Zustellungsurkunde wird an die Behörde zurückgeleitet. Im Übrigen finden nach § 3 Abs. 3 VwZG a. F. die Vorschriften der 177-181 ZPO entsprechende Anwendung.
Hier hat das Staatliche Schulamt der Beigeladenen die Zurruhesetzungsverfügung vom 14. Dezember 2004 als Postdienstleistungsunternehmen zur hoheitlichen Ausführung der Zustellung entsprechend § 33 PostG übergeben, und zwar laut Poststempel auf dem Zustellungsumschlag am 23. Dezember 2004 und unter Beifügung eines Vordrucks für die Zustellungsurkunde. Auch war eine Anschrift angegeben, wenn auch die seinerzeit nicht mehr aktuelle Anschrift des Klägers. Damit hat das beklagte Land den durch § 3 Abs. 2 VwZG a. F. vorgeschriebenen Förmlichkeiten Genüge getan.
Die Zustellung der ursprünglichen Fassung der Verfügung vom 14. Dezember 2004 an den Kläger ist nach § 3 Abs. 3 VwZG a. F. i. V. m. § 180 S. 1 ZPO im Wege der Ersatzzustellung durch Einlegen der Sendung in den Briefkasten des Klägers erfolgt, nicht durch Niederlegung. Durch das Einlegen der Verfügung in den Briefkasten gilt die Zustellung des Schriftstücks nach § 180 S. 2 ZPO als bewirkt. Es handelt sich um die Fiktion der an sich vorgeschriebenen Besitzverschaffung durch Übergabe, wie sie auch in § 177 ZPO als Regelfall der Zustellung vorgeschrieben ist. Dass die am 23. Dezember 2004 zur Zustellung gegebene Verfügung des Beklagten tatsächlich in den Briefkasten des Klägers eingelegt worden ist, ergibt sich aus dessen Schreiben vom 10. Februar 2005. Danach hat sowohl die im Dezember 2004 zur Zustellung gegebene Sendung wie auch die Anfang Februar 2005 – erneut – zur Zustellung gegebene Sendung vorgefunden, als er von seiner Reise zurückkam.
Der Verbleib des Vordrucks der Zustellungsurkunde bei der im Dezember zur Zustellung gegebenen Sendung, ihre Nichtausfüllung durch die Beigeladene und ihre Nichtrücksendung an das Staatliche Schulamt begründen keinen Zustellungsfehler (vgl. Engehardt/App, 6. Aufl., § 3 VwZG Rn. 38). Die Zustellungsurkunde dient nach § 3 Abs. 2 VwZG a. F. wie auch nach dem hier nicht unmittelbar anzuwendenden § 182 Abs. 1 S. 1 ZPO lediglich dem Nachweis einer tatsächlich durchgeführten Zustellung mit Zustellungsurkunde. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Es handelt sich um eine Regelung zur Beweissicherung, nicht aber um eine Bestimmung von Voraussetzungen für eine wirksame Zustellung. Das Ausfüllen der Zustellungsurkunde und ihre Rücksendung an den Auftraggeber des Zustellungsersuchens sind kein Teil des Zustellungsvorgangs mehr, sondern folgen ihm nach (Stöber in Zöller, 23. Aufl., § 182 ZPO Rn. 2; Wolst in Musielak, 4. Aufl., § 182 ZPO Rn. 1). Ebenso wenig kommt es für die Wirksamkeit einer Zustellung darauf an, ob auf dem Zustellungsumschlag das Datum der Einlegung der Sendung in den Briefkasten richtig eingetragen wird, eine solche Eintragung unterbleibt oder fehlerhaft erfolgt (BVerwG v. 31.1.2000, NVwZ-RR 2001, 484; Engelhardt/App a.a.O. Rn. 37; Stöber a.a.O. § 180 ZPO Rn. 7; a. A. Sadler, 5. Aufl., § 3 VwZG Rn. 73, 105). Mit dem Einlegen der Sendung in den Briefkasten ist die Zustellung bewirkt (Stöber a.a.O. Rn. 5). Auf die tatsächliche Kenntnis des Zustellungsempfängers von der eingelegten Sendung kommt es nicht an, da sie nach § 180 S. 2 ZPO keine Voraussetzung dafür ist, einen wirksamen Zustellungsvorgang anzunehmen (Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 63. Aufl., § 180 ZPO Rn. 7). Deshalb ist es ohne Bedeutung, dass der Kläger die Verfügung vom 14. Dezember 2004 erst nach seiner Rückkehr von seiner Reise, d. h. nach dem 7. Februar 2004 tatsächlich hat zur Kenntnis nehmen können (vgl. Engelhardt/App a.a.O. Rn. 27). Von Belang wäre das im Hinblick auf § 9 VwZG nur, wenn die Zustellung als solche fehlerhaft erfolgt wäre. Dies ist hier jedoch nicht der Fall gewesen.
Aufgrund der Datumsangabe auf dem nachträglich von der Beigeladenen angebrachten Adressaufkleber, der auf den 28. Dezember 2004 lautet, ist davon auszugehen, dass die Einlegung der Sendung mit der Verfügung des Beklagten vom 14. Dezember 2004 in den Briefkasten des Klägers spätestens am 29. Dezember 2004, d. h. noch Ablauf des Monats Dezember 2004 erfolgt ist. Zwar kann kein unmittelbarer Beweis für diese Annahme geführt werden. Aus den üblichen Abläufen der Übermittlung von Poststücken kann jedoch gefolgert werden, dass die am 28. Dezember 2004, einem Dienstag, erfolgte Änderung des Anschriftenfeldes auf dem Zustellungsumschlag unmittelbar anschließend auch zur Ausführung der Zustellung geführt hat. Nach dem regelmäßigen Lauf der Dinge ist davon auszugehen, dass die Einlegung des Schriftstücks am nächsten Werktag bewirkt wurde, jedenfalls aber vor dem 1. Januar 2005, einem Samstag.
Für diese Beweiswürdigung spricht auch, dass weder der Kläger noch das beklagte Land dem diesbezüglichen Vorbringen der Beigeladenen entgegen getreten sind noch es gar bestritten haben. Im Hinblick auf die Mitwirkungspflicht der Beteiligten nach § 86 Abs. 1 VwGO ist daher davon auszugehen, dass die gerichtliche Sachverhaltsfeststellung auch der Auffassung des Klägers und des Beklagten entspricht und diese keinen anderen Sachverhalt als Grundlage der rechtlichen Beurteilung annehmen.
Damit hat die Verfügung vom 14. Dezember 2004 noch im Dezember 2004 ihre äußere Wirksamkeit erlangt. Die Beendigung des Beamtenverhältnisses wurde mit Ablauf des 31. Dezember 2004 bewirkt. Gleichzeitig wurde auf diese Weise der Beginn des Ruhestands bewirkt, sodass sich der Kläger mit Ablauf des 31. Dezember 2004 schon im Ruhestand befand und nach § 56 Abs. 3 HBG Anspruch auf Ruhegehalt hatte. Die in § 49 BeamtVG angesprochene Festsetzung der Versorgungsbezüge ist keine eigenständige Anspruchsvoraussetzung, zumal der Kläger hier schon mit seinem Widerspruch die Nachzahlung für die Monate Januar und Februar 2005 streitig gestellt hatte.
Die weitere Zustellung der im Anschriftenfeld geänderten Verfügung über die Zurruhesetzung des Klägers vom 14. Dezember 2005 Anfang Februar 2005 konnte an dem bereits im Dezember 2004 bewirkten Wechsel des Klägers in den Ruhestand nichts mehr ändern. Die Rücknahme einer Zurruhesetzungsverfügung ist nach § 56 Abs. 1 S. 2, 2. Halbs. HBG nur bis zum Beginn des Ruhestands möglich. Daher ging die im Februar 2005 bewirkte Zustellung hinsichtlich ihrer rechtsgestaltenden Wirkung ins Leere und konnte keine Rechtsfolgen mehr auslösen. Schon aus diesen Gründen kommt es auch auf den Inhalt der Ruhestandsurkunde vom 14. Februar 2005 nicht an. Dort wird zwar ein Beginn des Ruhestands am 1. März 2005 bescheinigt. Die über den Ruhestandseintritt ausgestellte Urkunde hat jedoch im Unterschied zu einer Ernennungsurkunde keinerlei rechtsgestaltende Wirkung, sondern entbehrt jeder eigenständigen Regelungswirkung. Es handelt sich nur eine Bescheinigung, nicht um eine Maßnahme zur Regelung eines Rechtsverhältnisses mit Wirkung nach außen. Derartige Wirkungen kann nur die Mitteilung der Verfügung über die Versetzung in den Ruhestand nach § 56 HBG entfalten. Daher kann über das Zahlungsbegehren des Klägers ungeachtet des Inhalts der Ruhestandsurkunde vom 14. Februar 2005 entschieden werden. Eine vorherige Aufhebung der Urkunde oder ihre Einziehung sind nicht erforderlich.
Die Entscheidung kann im Volltext hier abgerufen werden.