Das Sozialgericht Aachen hat in dem Verfahren über den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz S 11 AS 49/06 ER am 30. Mai 2006 entschieden, dass in Anspruch des Antragstellers auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchendean § 8 Abs. 2 SGB II scheitert. Hiernach können Ausländer nur erwerbsfähig i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist (1. Alt.) oder erlaubt werden könnte (2. Alt.).
Seine Entscheidung begründete das Gericht wie folgt:
Gründe:
I.
Der am 00.00.1960 geborene Antragsteller ist marokkanischer StaatsangehörigerInhaber einer am 15.11.2005 von der Ausländerbehörde T (Sachsen) ausgestellten Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz – AufenthG), in der es weiter heißt, eine Erwerbstätigkeit sei nicht gestattet.
Im Januar 2006 wandte sich der inzwischen in B bei seiner Schwester wohnhafte Antragsteller an die Antragsgegnerin und beantragte Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende; der Antrag ist bislang noch nicht beschieden.
Am 11.05.2006 hat der Antragsteller sich an das Gericht gewandt. Er führt aus, er halte sich rechtmäßig in B auf, da sein Aufenthaltstitel mit keiner räumlichen Beschränkungen versehen sei. Die Nebenbestimmung, wonach eine Erwerbstätigkeit nicht gestattet sei, stehe einem Anspruch auf Grundsicherung nicht entgegen. Sie sei so zu verstehen, dass es im Einzelfall einer ausländerbehördlichen Genehmigung zur Aufnahme einer Beschäftigung bedürfe; einem generellen Arbeitsverbot unterliege er jedoch nicht.
Der Antragsteller beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu Leistung der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu verpflichten.
Die Antragsgegnerin beantragt telefonisch, den Antrag zurückzuweisen.
Sie führt aus, der Antragsteller habe den räumlichen Zuständigkeitsbereich der Ausländerbehörde T (Sachsen) nur mit deren Zustimmung verlassen dürfen. Da eine solche Zustimmung nicht erteilt worden sie, halte er sich rechtswidrig in B auf.
Das Gericht hat fernmündlich eine Auskunft der Ausländerbehörde T (Sachsen) eingeholt, wonach eine entsprechende räumliche Beschränkung nicht Teil des Aufenthaltstitels ist. Der zuständige Sachbearbeiter hat in diesem Zusammenhang die Auffassung geäußert, eine entsprechende Nebenbestimmung sei rechtswidrig unterblieben.
Hinsichtlich der wesentlichen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass das geltend gemachte Begehren im Rahmen der beim einstweiligen Rechtsschutz allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung begründet erscheint (Anordnungsanspruch) und erfordert zusätzlich die besondere Eilbedürftigkeit der Durchsetzung des Begehrens (Anordnungsgrund). Zudem darf eine Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache nicht endgültig (d.h. irreversibel) vorweg genommen werden (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 86 b, Rn. 31 m.w.N.).
Es fehlt bereits an einem Anordnungsanspruch. Ein Anspruch des Antragstellers auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende scheitert an § 8 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende. Hiernach können Ausländer nur erwerbsfähig i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist (1. Alt.) oder erlaubt werden könnte (2. Alt.). Ob die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt i.S.d. § 8 Abs. 2 1. Alt SGB II ist, ergibt sich aus dem im Einzelfall erteilten Aufenthaltstitel (vgl. nur Blüggel, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 8, Rn. 56). Hieran fehlt es bereits ausweislich der vorgelegten Aufenthaltserlaubnis.
Auch die Voraussetzungen von § 8 Abs. 2 2. Alt SGB II liegen nicht vor. Das Gericht braucht nicht zu entscheiden, ob die 2. Alternative („oder erlaubt werden könnte“) in der hiesigen Fallkonstellation, in der die Ausländerbehörde bereits ausdrücklich gegen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit entschieden hat, überhaupt zur Anwendung kommen kann (zweifelnd insbesondere LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.12.2005, L 25 B 1281/05 AS ER; in diesem Sinne wohl auch Brühl, in: LPK-SGB II, § 8, Rn. 35, wonach Ausländer, denen ausnahmsweise ausländerrechtlich eine Erwerbstätigkeit untersagt worden ist, von SGB II-Leistungen ausgeschlossen sind). Jedenfalls erfüllt die grundsätzlich eingeräumte („abstrakte“) rechtliche Möglichkeit zur Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis und Aufhebung der Nebenbestimmung nicht den Tatbestand des § 8 Abs. 2 2. Alt. SGB II (auch hierzu ausführlich LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O., juris, Rn. 40 ff.). Die Entscheidung, ob einem Ausländer die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt werden könnte, beinhaltet in erster Linie eine Prognose der Arbeitsmarktlage (Blüggel, a.a.O., Rn. 62), die von der Ausländerbehörde im Einvernehmen mit der Bundesagentur für Arbeit vorzunehmen ist. Das Gericht kann sich über die hierbei eingeräumten Entscheidungsspielräume nicht hinwegsetzen, zumal der Antragsteller nicht dargelegt hat, dass eine entsprechende Abänderung des Aufenthaltstitels zu erwarten steht oder auch nur betrieben wird.
Angesichts der Auffassung der Antragsgegnerin sieht das Gericht sich jedoch zu folgendem Hinweis veranlasst: Einem Anspruch steht nicht (nach § 7 Abs. 1 Satz 3 SGB II) entgegen, dass der Antragsteller sich nicht mehr im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Ausländerbehörde T (Sachsen) aufhält. Die derzeit gültige Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers enthält – was die ausstellende Behörde bestätigt hat – keine solchen Nebenbestimmungen. Solange jedoch keine entsprechende Änderung des Aufenthaltstitels stattgefunden hat, darf der Antragsteller seinen Aufenthalt auch andernorts nehmen. Dass die Aufnahme einer räumlichen Beschränkung hierbei möglicherweise rechtswidrig unterblieben ist, spielt jedenfalls im sozialgerichtlichen Eilverfahren keine Rolle. Auch der Leistungsausschluss aus § 7 Abs. 1 Satz 2, 2. HS SGB II steht nicht entgegen, denn der Antragsteller gehört nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis nach § 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Die dortige Aufzählung ist abschließend und insbesondere die ausdrückliche Bezugnahme auf die Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 4 und 5 AufenthG in § 1 Nr. 3 AsylbLG lässt darauf schließen, dass die Inhaber von Aufenthaltstiteln nach § 25 Abs. 3 AufenthG grundsätzlich nicht leistungsberechtigt nach dem AsylbLG sind (Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 1 AsylbLG, Rn. 7 m.w.N.). Auch aus der Ausnahmeregelung in § 1 Abs. 2 AsylbLG (der grundsätzlich auch die Inhaber eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 3 AufenthG unterfallen: Birk, in: LPK-SGB XII, § 1 AsylbLG, Rn. 11) ergibt sich nichts anderes, denn die Geltungsdauer des Titels ist im vorliegenden Fall gerade nicht auf sechs Monate oder weniger begrenzt.
Nicht zu entscheiden brauchte das Gericht, ob dem Antragsteller Sozialhilfe nach den Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs – Zwölftes Buch – (SGB XII) zusteht (so für Fälle, in denen ein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 3 AufenthG mit einer Geltungsdauer von mehr als sechs Monaten besteht, offenbar Birk, a.a.O.), denn ein solcher Anspruch richtet sich nicht gegen die Antragsgegnerin.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Die Entscheidung kann im Volltext hier abgerufen werden.