Das OLG Frankfurt hat in dem Verfahren 3 Ws 24/11 mit Beschluss vom 28.04.2011 festgestellt, dass die Frage, ob ein Inhaftierter einem Arzt vorgeführt wird nicht davon abhängig gemacht werden darf, dass er einem Vollzugsbeamten Auskunft über Art und Umfang der Erkrankung gibt.
Der im vorliegenden Fall inhaftierte litt an einem Mittwoch Vormittag an akuten gesundheitlichen Beschwerden, betätigte gegen 11.30 Uhr den Notruf und bat die auf der Station tätige Vollzugsbeamtin, einen Arzt zu besorgen bzw. ihn zu einem Arzt zu bringen. Das von der Beamtin prt Telefon informierte Pflegepersonal auf der Krankenstation verlangte unter dem Hinweis, die Sprechstunde sei bereits voll ausgeplant, Auskünfte über den Krankheitszustand des Antragstellers, um beurteilen zu können, ob es sich um einen Notfall handelt. Die Vollzugsbeamtin fragte den Inhaftierten daher nach der Art und Umfang seiner Beschwerden. Dieser verweigerte zunächst die Auskunft, erteilte diese dann aber doch, um dem Anstaltsarzt vorgestellt zu werden.
Er wurde dann schließlich im Laufe des Tages vom Anstaltsarzt behandelt.
Der beantragte sodann die gerichtliche Feststellung, dass die Befragung durch eine Beamtin des Vollzugsdienstes rechtswidrig gewesen ist.
Die Strafvollstreckungskammer hat dem Antrag stattgegeben. Hiergegen wiederum wendete sich die Anstaltsleitung u.a. mit der Begründung ,dass die von der Strafvollstreckungskammer erkannte Feststellung der Rechtswidrigkeit der Befragung durch die Stationsbeamtin zu weitgehend sei. Die planvolle Organisation des Arbeitsbetriebes im Kranken- und sonstigen Anstaltsbereich, sowie die Belange der Sicherheit und Ordnung würden eine vorläufige Erstbefragung der Gefangenen durch den allgemeinen Vollzugsdienst gebieten, um beurteilen zu können, ob es sich um einen Notfall handelt.
Dieser Argumentation folgte das Oberlandesgericht nicht und wies das Rechtsmittel der Anstaltsleitung als unbegründet zurück.
Die Entscheidung wird u.a. wie folgt begründet:
Die Aufforderung, die Art und den Grad seiner gesundheitlichen Beschwerden gegenüber der Vollzugsbeamtin näher zu definieren, stellt eine Anordnung (§ 82 Abs.2 StVZG) und damit eine Maßnahme dar, deren Rechtswidrigkeit auf Antrag festgestellt werden kann, wenn an der Feststellung – wie im vorliegenden Fall – ein berechtigtes Interesse deshalb besteht, weil die Anstalt diese Maßnahme nach wie vor für rechtmäßig erachtet und deshalb Wiederholungsgefahr besteht (§ 115 Abs.3 StVollzG).
Zu Recht hat die Strafvollstreckungskammer auch darauf abgestellt, das eine Verpflichtung des Strafgefangenen, Angaben zu seinem Gesundheitszustand gegenüber allgemeinen Vollzugsbeamten zu machen, um einem Arzt – auch notfallmäßig – vorgestellt werden nicht besteht. Angaben/Daten des Gefangenen über seinen Gesundheitszustand unterliegen der ärztlichen Schweigepflicht und dessen informationeller Selbstbestimmung. Auch im Rahmen einer ärztlichen Untersuchung/Anamnese erhobene Daten dürfen folglich in der Regel nicht gegenüber der Anstaltsleitung offenbart oder allgemein zugänglich gemacht werden (§ 182 Abs.2 StVollzG). Erst recht kann nicht verlangt werden, dass solche Angaben gegenüber nicht zur Verschwiegenheit verpflichteten Vollzugsbeamten gemacht werden. Eine Befragung ist zur Erfüllung der Vollzugsaufgaben auch keinesfalls, wie der Beschwerdeführer offensichtlich meint, unerlässlich. Weder die Anstaltsorganisation noch Belange der Anstaltssicherheit gebieten dies. Die bloße Befragung durch medizinisch nicht ausgebildete Vollzugskräfte stellt ohnehin kein ausreichendes Beurteilungskriterium dar, ob tatsächlich ein medizinischer Notfall vorliegt oder der Gefangene auf die allgemeinen Sprechstunden verwiesen werden kann. Allgemeine Vollzugsbeamte können auch trotz Angaben des Gefangenen nicht feststellen, ob ein Krankheitsbild vorhanden ist oder lediglich simuliert wird. Eine unmittelbare (ggfls. fernmündliche) Kommunikation zwischen Gefangenem und medizinisch gebildetem Personal ist während der normalen Dienstzeiten/ Sprechzeiten organisatorisch darstellbar. Außerhalb dieser Zeiten und bei Verhinderung des Anstaltsarztes ist in dringenden Fällen ohnehin ein anderer Arzt zu konsultieren oder herbeizurufen.
Entgegen der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers und der Aufsichtsbehörde hat der Antragssteller auch in der vorliegenden Fallgestaltung nicht auf sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung verzichtet, indem er die Fragen der Beamtin beantwortet hat. Ein solcher Verzicht muss freiwillig und eindeutig erfolgen und setzt voraus, dass der Gefangene sich bewusst war, dass er keine Angaben zu machen brauchte, namentlich durch die Anstalt entsprechend belehrt worden ist. Hier hat der Antragssteller gerade Angaben zu seinem Gesundheitszustand zunächst explizit verweigert und wurde erst durch die ihm aufgezeigte Notwendigkeit, dass er anderenfalls nicht zeitnah einem Arzt vorgestellt wird, hierzu motiviert.
Die Entscheidung kann hier auf den Seiten des Hessenrechts im Volltext abgerufen werden.