Auch in einem freisprechendem Urteil sind jedenfalls dann, wenn diese für die Beurteilung des Tatvorwurfs eine Rolle spielen können, Feststellungen zu Werdegang, Vorleben und Persönlichkeit des Angeklagten erforderlich.
Dies hat der Bundesgerichtshof in seinem urteil vom 11. März 2010 in dem Verfahren 4 StR 22/10 festgestellt und hierzu u.a. folgendes ausgeführt:
[…] Jedenfalls enthalten die Urteilsgründe keine Feststellungen zu Werdegang, Vorleben und Persönlichkeit der Angeklagten. Solche Feststellungen sind zwar in erster Linie bei verurteilenden Erkenntnissen notwendig, um nachvollziehen zu können, ob der Tatrichter die wesentlichen Anknüpfungstatsachen für die Strafzumessung (§ 46 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 StGB) ermittelt und berücksichtigt hat. Aber auch bei freisprechenden Urteilen ist der Tatrichter aus sachlich-rechtlichen Gründen zumindest dann zu solchen Feststellungen verpflichtet, wenn diese für die Beurteilung des Tatvorwurfs eine Rolle spielen können und deshalb zur Überprüfung des Freispruchs durch das Revisionsgericht auf Rechtsfehler hin notwendig sind; das ist auch dann der Fall, wenn vom Tatrichter getroffene Feststellungen zum Tatgeschehen ohne solche zu den persönlichen Verhältnissen nicht in jeder Hinsicht nachvollziehbar und deshalb lückenhaft sind[…].Die Notwendigkeit, die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten umfassend in den Blick zu nehmen und nähere Feststellungen zu deren Lebenslauf, Werdegang und Persönlichkeit zu treffen und in den Urteilsgründen darzulegen, ergibt sich im vorliegenden Fall bereits aus der ihr zum Vorwurf gemachten Straftat. Sie beruht auf einer Handlung, die sich im familiären, häuslichen Bereich ereignet haben soll. Ist ein solcher Vorwurf, wie hier, von erheblichem Gewicht, liegt es nahe, dass der Persönlichkeitsentwicklung der Beteiligten, insbesondere des Beschuldigten, und seinen individuellen Lebensumständen Bedeutung auch für die Beurteilung des Tatvorwurfs zukommen kann. Dies gilt nicht nur, wenn der Verdacht einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung besteht, sondern gleichermaßen, wenn der Vorwurf eine Gewalttat im Verhältnis von Eltern zu ihren Kindern zum Gegenstand hat. Schon deshalb durfte sich die Strafkammer im vorliegenden Fall nicht darauf beschränken, im Zusammenhang mit der Schilderung des Anklagevorwurfs zur Person der Angeklagten mitzuteilen, sie sei zum Zeitpunkt des Vorfalls allein erziehende Mutter von drei kleinen Söhnen gewesen. Vielmehr waren insoweit detaillierte Feststellungen geboten, die genaueren Aufschluss über die Persönlichkeit der Angeklagten und deren Lebensumstände hätten geben können, was gegebenenfalls – etwa im Hinblick auf eine mögliche Überlastungssituation – Rückschlüsse auf den Tatvorwurf zugelassen hätte.
Auch vor dem Hintergrund der zum Tatvorwurf getroffenen Feststellungen hätten die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten nicht unerörtert bleiben dürfen. […]
Die Entscheidung kann im Volltext hier auf den Seiten des BGH abgerufen werden.