Nicht nur in seiner Entscheidung vom 30. April 2007, sondern bereits in einer Entscheidung vom 18. April 2007 in dem Verfahren 2 BvR 2094/05 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Überwachung des Telefonanschlusses eines Rechtsanwaltes grundsätzlich unzulässig ist.
Seine Entscheidung hat das Gericht maßgeblich wie folgt begründet:
[…]Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, und die Verfassungsbeschwerde erweist sich demnach als offensichtlich begründet, so dass die Kammer entscheiden kann (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Art. 10 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG.
1. a) Mit dem angeordneten Zugriff auf die Inhalte der Kommunikation ist der Schutzbereich von Art. 10 Abs. 1 GG betroffen. Das Fernmeldegeheimnis schützt die unkörperliche Übermittlung von Informationen an individuelle Empfänger mit Hilfe des Telekommunikationsverkehrs (vgl.BVerfGE 67, 157 <172>; 106, 28 <35 f.>; 115, 166 <182> ). Mit der grundrechtlichen Verbürgung der Unverletzlichkeit des Fernmeldegeheimnisses soll vermieden werden, dass der Meinungs- und Informationsaustausch mittels Telekommunikationsanlagen deswegen unterbleibt oder nach Form und Inhalt anders verläuft, weil die Beteiligten damit rechnen müssen, dass staatliche Stellen sich in die Kommunikation einschalten und Kenntnisse über die Kommunikationsbeziehungen oder Kommunikationsinhalte gewinnen (vgl.BVerfGE 100, 313 <359>; 107, 299 <313>).
b) Mit der angegriffenen Anordnung der Abhörmaßnahme wurde in das Fernmeldegeheimnis eingegriffen, weil sich staatliche Stellen ohne Zustimmung des Beschwerdeführers und sonstiger Beteiligter Kenntnis von dem Inhalt und den Umständen der fernmeldetechnisch vermittelten Kommunikationsvorgänge verschafft haben.
c) Die in der Anordnung der Abhörmaßnahme liegenden Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis sind nicht gemäß Art. 10 Abs. 2 Satz 1 GG gerechtfertigt. Die Anordnung der Abhörmaßnahme diente zwar dem legitimen öffentlichen Zweck der Aufklärung und Verfolgung schwerer Straftaten. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt die unabweisbaren Bedürfnisse einer wirksamen Strafverfolgung hervorgehoben, das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren betont und die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten als einen wesentlichen Auftrag eines rechtsstaatlichen Gemeinwesens bezeichnet (vgl.BVerfGE 107, 299 <316> ). Jedoch waren die mit der Abhörmaßnahme verbundenen Eingriffe in die Grundrechte des Beschwerdeführers unverhältnismäßig im engeren Sinne. Die Frage, ob die Überwachung der Telekommunikation des Beschwerdeführers ein geeignetes Mittel zur Ermittlung des oder der Täter war, kann hier offen bleiben. Ebenso kann dahinstehen, ob vor der Anordnung der Abhörmaßnahmen mildere Mittel zur Ermittlung der Täter hätten ergriffen werden müssen. Jedenfalls war aber die Wahrscheinlichkeit, der Beschwerdeführer werde von dem oder den Tätern kontaktiert werden, als äußerst gering zu bewerten und vermochte – gerade mit Blick auf die seit der Tat verstrichene Zeit – keinesfalls die vorgenommenen schwerwiegenden Eingriffe in die Grundrechte des Beschwerdeführers zu rechtfertigen.
aa) Die Anordnung der Überwachung der Telekommunikation darf sich nur gegen solche Nichtbeschuldigte richten, von denen auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für den Beschuldigten bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder dass der Beschuldigte ihren Anschluss benutzt (§ 100 a Satz 2 StPO). Zum Tatbestandsmerkmal „bestimmte Tatsachen“ hat das Bundesverfassungsgericht verlangt, dass die Verdachtsgründe über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen müssen (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juli 2006 – 2 BvR 950/05 -, NJW 2006, S. 2974 <2975> zu § 100 c Abs. 1 Nr. 3 StPO). Bloßes Gerede, nicht überprüfte Gerüchte und Vermutungen reichen nicht. Erforderlich ist, dass auf Grund der Lebenserfahrung oder der kriminalistischen Erfahrung fallbezogen aus Zeugenaussagen, Observationen oder anderen sachlichen Beweisanzeichen auf die Eigenschaft als Nachrichtenmittler geschlossen werden kann.
bb) Dies erscheint im vorliegenden Fall sehr zweifelhaft. Dabei kann dahinstehen, ob nach dem Gesetzeswortlaut („für den Beschuldigten Handelnde“) und der Intention des Gesetzgebers Nachrichtenmittler nur solche Personen sind, die gewissermaßen „im Lager“ des Beschuldigten stehen (vgl. bei Mahnkopf/Döring, NStZ 1995, S. 112 <113>; Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl. 2006, § 100 a Rn. 12; a.A. dagegen zunehmend die neuere Literatur: vgl. Mahnkopf/Döring, a.a.O., S. 113; Schäfer, in: Löwe-Rosenberg, Die Strafprozessordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, 25. Aufl., § 100 a Rn. 68; Nack, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl. 2003, § 100 a Rn. 25: auch Opfer einer Schutzgelderpressung kann Nachrichtenmittler sein, weil es Mitteilungen vom Beschuldigten entgegennimmt), was hier zu verneinen wäre. Entscheidend ist jedoch, dass die Wahrscheinlichkeit einer Kontaktaufnahme des Beschuldigten oder seines Umfeldes mit dem Beschwerdeführer von vornherein so gering war, dass die Erfolgsaussichten der Maßnahme außer Verhältnis zur Schwere des Eingriffs standen. Die Umstände, die aus Sicht der Fachgerichte Kontakte zwischen dem Beschwerdeführer und dem Täterumfeld erwarten ließen, sind wenig konkret und tragen lediglich den Charakter von Vermutungen. Sie sind nicht geeignet, den Beschwerdeführer als Nachrichtenmittler im Sinne von § 100 a Satz 2 StPO erscheinen zu lassen.
Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass das Ende der Entführung schon mehr als eineinhalb Jahre zurücklag. Soweit sich die Fachgerichte auf ein „Ende des Jahres 2005 (wieder-)erwachtes Medieninteresse“ berufen, bleiben die Angaben zu unbestimmt. Das Landgericht setzt sich insbesondere nicht damit auseinander, dass bereits ab Beginn des Jahres 2005, auch in der ausländischen Presse und auch unter Nennung des Namens des Beschwerdeführers, über die Verschleppung des E. durch Geheimdienstkreise berichtet worden war. Es ist nicht ersichtlich, weshalb eine Kontaktaufnahme durch die Täter erst und gerade ab Januar 2006 zu erwarten gewesen wäre. Auch das vom Landgericht selbst ins Spiel gebrachte Gerücht, es sei bereits ein Schweigegeld gezahlt worden, spricht gerade gegen die Annahme diesbezüglicher aktueller Kontakte des Beschwerdeführers zu den Entführerkreisen. Inwiefern der Hinweis auf die „teilweise sehr zögerliche Behandlung diverser Erkenntnisanfragen und Rechtshilfeersuchen der ermittelnden Staatsanwaltschaft“ etwas für die Annahme herzugeben vermag, der Beschwerdeführer sei Nachrichtenmittler des unbekannten Täters gewesen, erschließt sich nicht. Auch der Hinweis darauf, der Beschwerdeführer sei mehrfach von „diversen Personen kontaktiert worden“, die die Angaben des Geschädigten bestätigt oder erhärtet haben wollten, sind zu pauschal und vage, um eine auf bestimmte Tatsachen gegründete Annahme stützen zu können.
2. Das Abhören der berufsbezogenen Gespräche des Beschwerdeführers berührt den Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG, das dem Rechtsanwalt eine von staatlicher Kontrolle und Bevormundung freie Berufsausübung gewährleistet und dazu insbesondere das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant schützt (vgl.BVerfGE 113, 29 <49> ). Maßnahmen, die geeignet sind, das Entstehen eines Vertrauensverhältnisses zwischen Rechtsanwalt und Mandant zu stören oder gar auszuschließen, greifen in die Berufsausübungsfreiheit des Rechtsanwalts ein. Die Tätigkeit des Rechtsanwalts liegt dabei auch im Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen und geordneten Rechtspflege (vgl.BVerfGE 113, 29 <49> ). Die herausgehobene Bedeutung der unkontrollierten Berufsausübung eines Rechtsanwalts gebietet die besonders sorgfältige Beachtung der Eingriffsvoraussetzungen und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und hätte die Fachgerichte vorliegend zu einer Ablehnung der Anordnung veranlassen müssen.
[…]
Die Entscheidung kann im Volltext hier auf den Seiten des BVerfG abgerufen werden.