Die mündliche Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung durch den Richter kommt grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn aufgrund der zeitlichen Verzögerung, welche mit einer schriftlichen Anordnung einherginge, der Durchsuchungserfolg gefährdet würde. Im Falle einer mündlichen Anordnung sind die Gründe für die angenommene Eilbedürftigkeit zu dokumentieren.
Dies hat das Landgericht Fulda in seinem Beschluss vom 15.02.2018 (2 Qs 26/18), in dem es die Rechtswidrigkeit der Durchsuchung festgestellt hat, ausgeführt.
Aus den Entscheidungsgründen:
[…] Auf die Beschwerde des Beschuldigten wird festgestellt, dass die mündliche Durchsuchungsanordnung des Amtsgerichts Fulda vom 18.08.2017 rechtswidrig gewesen ist.Die Kosten des Beschwerdeverfahrens samt der notwendigen Auslagen des Beschuldigten trägt die Staatskasse.
GründeI.
Am 16.08.2017 beanzeigte der Zeuge G. per E-Mail einen Diebstahl bei der Firma L & M. Er teilte mit, dass anhand einer Videoaufzeichnung der Verdacht bestehe, dass der bei L & M beschäftigte Beschuldigte eine Retoursendung für B geöffnet und einen Silberring entnommen habe. Die Staatsanwaltschaft ersuchte daraufhin den Ermittlungsrichter am Amtsgericht Fulda – wohl fernmündlich – um Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses bezüglich des Beschuldigten und seiner Wohnung. Der Ermittlungsrichter ordnete die Durchsuchung ausweislich des Vermerks des Dezernenten der Staatsanwaltschaft um 11:30 Uhr an. Ferner heißt es in dem Formular: „Zum Zwecke der Auffindung folgender Beweismittel: silberner Damenring“. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf Bl. 1 und 2. d. A. verwiesen. Eine eigene Dokumentation durch den Ermittlungsrichter ist nicht erfolgt. Der Durchsuchungsbeschluss wurde sodann vollstreckt.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 25.01.2018 hat der Beschuldigte Beschwerde gegen die mündliche Durchsuchungsanordnung eingelegt mit dem Ziel festzustellen, dass diese rechtswidrig gewesen sei. Ferner enthält der Schriftsatz zwei Anträge nach § 98 Abs. 2 S. 2 StPO analog. Er rügt eine fehlende (nachträgliche) Dokumentation der Anordnung durch den Richter. Insbesondere sei nicht dokumentiert, warum vorliegend die Anordnung lediglich mündlich erfolgt sei. Zwar schreibe das Gesetz keine besondere Form für die Anordnung der Durchsuchung vor. Auch sei anerkannt, dass – zumindest in einfach gelagerten Fällen – bei Gefahr im Verzug die Anordnung mündlich erteilt werden könne. Das Bundesverfassungsgericht fordere in diesen Fällen aber eine nachträgliche Dokumentation, die sich auch dazu verhält, warum die Anordnung nur mündlich erteilt wurde. Vorliegend sei schon keine Eilbedürftigkeit erkennbar. Die Anordnung sei 48 Stunden nach Anzeigeerstattung erfolgt, weshalb dann keine Zeit mehr gewesen sei, einen schriftlichen Durchsuchungsbeschluss zu fassen, sei nicht nachvollziehbar. Zumindest fehle es an der Dokumentation der Gründe für die Eilbedürftigkeit.
Das Amtsgericht hat – in Person eines anderen Richters – mit Beschluss vom 13.02.2018 die Anträge nach § 98 Abs. 2 S. 2 StPO analog zurückgewiesen und der Beschwerde nicht abgeholfen. Die Dokumentationspflicht sei hinreichend erfüllt, da die zu durchsuchenden Räume und der Durchsuchungszweck angegeben worden seien. Jener Beschluss ist dem Beschwerdeführer vom Amtsgericht – bislang – nicht bekannt gegeben worden.
II.
Die Beschwerde mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Durchsuchungsanordnung ist zunächst zulässig. Ein Rechtsschutzinteresse für die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der hier gegenständlichen Durchsuchungsmaßnahme ist wegen des mit der Durchsuchung verbundenen gewichtigen Grundrechtseingriffs zu bejahen (vgl. Cirener in: BeckOK-StPO, Stand: 28.01.2013, § 296 Rn. 10 ff., m.w.N.; BVerfG, Beschluss v. 05.07.2013, Az.: 2 BvR 370/13, zitiert nach „juris“).
Die Beschwerde erweist sich auch als begründet, da die Anordnung vorliegend nicht mündlich ergehen durfte und es zudem an einer Dokumentation der maßgeblichen Erwägungen für die Eilbedürftigkeit fehlt.
Grundsätzlich ist es nicht zu beanstanden, was auch vom Beschwerdeführer nicht in Zweifel gezogen wird, dass das Amtsgericht die Durchsuchung angeordnet hat. Aufgrund der Angaben des Zeugen Fleck und der Videoaufzeichnung bestand ein ganz erheblicher Tatverdacht gegen den Beschuldigten, die Durchsuchung sollte zum Auffinden des entwendeten Rings, mithin eines Beweismittels mit überragender Bedeutung führen. Die Voraussetzungen des § 102 StPO waren mithin ohne weiteres gegeben.
Die Anordnung erweist sich dennoch als rechtswidrig, da sie nicht mündlich ergehen durfte. Auch wenn das Gesetz keine Formvorgabe für die Durchsuchungsanordnung vorsieht, ist in Rechtsprechung und Lehre anerkannt, dass die Anordnung grundsätzlich schriftlich zu erfolgen hat. In Eilfällen kann sie jedoch auch mündlich erlassen werden (Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Auflage 2016, § 105 Rn. 3; Karlsruher Kommentar, StPO, 7. Auflage, § 105 Rn.3 („sollte“) BGH, NStZ 2005, 392, zitiert nach Beck online). Insbesondere bei einem Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung dient der Richtervorbehalt der Kontrolle der Einhaltung der Verfassung und des einfachen Rechts. Durch eine geeignete Formulierung des Durchsuchungsbeschlusses trifft ihn die Pflicht, sicherzustellen, dass der Eingriff in Grundrechte messbar und kontrollierbar bleibt. Durch die Beschreibung des Tatvorwurfs und ein Abstecken des äußeren Rahmens wird auch dem Betroffenen ermöglicht, die Durchsuchung zu kontrollieren und einer etwaigen Ausuferung entgegen zu treten. Dies kann am effektivsten mit einer schriftlichen Anordnung erreicht werden, die dem Betroffenen – und auch den Durchsuchungsbeamten – ausgehändigt werden kann. Eine solche kann dann auch erst Grundlage für eine ggf. zu treffende Entscheidung des Rechtsmittelgerichts sein und einen effektiven Rechtsschutz gewährleisten. Ein eine mündliche Anordnung rechtfertigender Eilfall kann dagegen etwa gegeben sein, wenn bei einer erst schriftlichen Anordnung durch den Richter ein Beweismittelverlust droht (LG Lüneburg, Beschluss vom 07.12.2015 – 26 Qs 281/15, zitiert nach Beck online m.u.N.).
Vorliegend ist eine besondere Eilbedürftigkeit der Maßnahme nicht ersichtlich. Nach Angaben des Anzeigeerstatters soll sich der Diebstahl 3 Tage vor der Anordnung zugetragen haben. Weshalb in dieser Situation die mit Erlass einer schriftlichen Anordnung einhergehende Verzögerung – hier kann es sich allenfalls um ein paar Stunden handeln – nicht in Kauf genommen werden kann, ist nicht ersichtlich. Die Durchsuchung hätte auch in diesem Fall noch am selben Tag, spätestens aber am Folgetag stattfinden können. Dass diese geringfügige Verzögerung den Durchsuchungserfolg gefährdet, stand nicht zu erwarten. Anders hätten die Dinge gelegen, wenn die Tat unmittelbar nach Begehung beanzeigt worden wäre und der Beschuldigte sich seit Tatbegehung ununterbrochen in den Räumen der Firma befunden hätte, die Dursuchung also zum Ziel gehabt hätte, den Beschuldigten am Tatort mit der Beute zu stellen. Dieser Erfolg wäre durch die mit einer schriftlichen Abfassung einhergehende Verzögerung möglicherweise gefährdet worden, da nicht auszuschließen gewesen wäre, dass der Beschuldigte das Firmengelände verlässt und sich des Ringes wegen der erkannten Gefahr der Entdeckung zeitnah „entledigt“. Vorliegend lagen zwischen Tat und Durchsuchungsanordnung jedoch schon einige Tage, so dass nicht zu erwarten stand, dass der Beschuldigte den Ring noch bei sich führt. Durch diese Zäsur bestand zwar immer noch ein Bedürfnis an einer zügigen Durchsuchung, da bei Diebesgut immer die Gefahr besteht, dass dieses verkauft wird. Diese allgemeine Gefahr rechtfertigt es aber nicht, von einer mit nur geringer zeitlicher Verzögerung einhergehenden schriftlichen Absetzung des Durchsuchungsbeschlusses abzusehen.
Ferner erweist sich die Anordnung auch deshalb als rechtswidrig, weil es nicht zu einer hinreichenden Dokumentation der Anordnung gekommen ist. Zwar muss diese Dokumentation nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht durch den Richter selbst erfolgen, vielmehr genügt es, wenn – wie hier – die Ermittlungsbehörden die Anordnung dokumentieren (BGH NStZ 2005, 392 [BGH 13.01.2005 – 1 StR 531/04], zitiert nach Beck online). Die Dokumentation muss jedoch nicht lediglich die Anordnung sowie deren Inhalt und Zweck umfassen, sondern bei ausschließlicher mündlicher Anordnung müssen – soweit es sich nicht aus der Natur der Sache ergibt – auch die Gründe für die angenommene besondere Eilbedürftigkeit angegeben werden, die es erlauben, von einer schriftlichen Durchsuchungsanordnung abzusehen. Dieses Gebot der Dokumentation der Eilbedürftigkeit leitet das Bundesverfassungsgericht aus dem Grundsatz effektiven Rechtsschutzes ab, da nur bei entsprechender Dokumentation eine nachträgliche gerichtliche Überprüfung möglich ist (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2007 – 2 BvR 2267/06, zitiert nach Beck online). Eine grundsätzlich mögliche Heilung des Dokumentationsmangels im Abhilfeverfahren ist nicht erfolgt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO (analog).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 310 Abs. 2 StPO).