Das OLG Frankfurt hat in seiner Entscheidung vom 14.01.2010 in dem Verfahren 3 Ws 21/10 mit einem Wiedereinsetzungsantrag befasst und bezüglich der Wirksamkeit der Ersatzzustellung gem. § 37 I. 1 StPO i.V. mit § 180 ZPO durch Einlegen in einen Gemeinschaftsbriefkasten folgenden Leitsatz aufgestellt:
Auch ein Gemeinschaftsbriefkasten für mehrere Mietparteien erfüllt die Voraussetzungen des § 180 Satz 1 ZPO, wenn er durch entsprechende Beschriftung eine eindeutige Zuordnung zum Adressaten ermöglicht, dieser typischerweise seine Post über den Gemeinschaftsbriefkasten erhält und der Kreis der Mitbenutzer überschaubar ist.
Seine Entscheidung hat das Oberlandesgericht maßgeblich wie folgt begründet:
Ausweislich der gemäß § 37 I StPO i.V. mit § 182 I 2 ZPO formell ordnungsgemäß ausgestellten und unterzeichneten Zustellungsurkunde vom 25.09.2009 ist dem Angeklagten an diesem Tag die Ladung – im Wege der Ersatzzustellung gem. § 37 I. 1 StPO i.V. mit § 180 ZPO – durch Einlegen in den zur Wohnung des Angeklagten gehörenden Briefkasten zugestellt worden. Als öffentliche Urkunde begründet diese gemäß §§ 182 I 2, 418 I ZPO den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen. Die Beweiskraft erstreckt sich demzufolge auch darauf, dass der Postzusteller die Sendung am 25.09. 2009 in einen zur Wohnung des Angeklagten gehörenden Briefkasten eingeworfen hat (OLG Frankfurt [10. Zivilsenat], Urt. v. 31.03.2009 – 10 U 185/08; OLG Köln, OLGR 2001, 298 zu § 182 ZPO a.F.; vgl. auch Senat, Beschl. v. 25.02.2004 – 3 Ws 212/04 mwN; BVerfG, NJW 1992, 225; NStZ-RR 1998, 73f.; NJW-RR 2002, 1008). Auf Grund der Postzustellungsurkunde ist daher von einer ordnungsgemäßen Ladung des Angeklagten auszugehen.
Der Gegenbeweis ist zwar zulässig (§ 418 II ZPO). Hierzu ist indes der volle Beweis der Unrichtigkeit der dem Gericht vorliegenden Zustellungsurkunde erforderlich (Senat aaO mwN; BVerfG, NJW-RR 2002, 1008; BGH, NJW 2006, 150, 151; Meyer-Goßner, § 37 Rn 27 mwN).
Dieser kann nur dadurch geführt werden, dass ein Sachverhalt vorgetragen und bewiesen wird, der zur Überzeugung des Gerichts jede Möglichkeit der Richtigkeit der beurkundeten Tatsache ausschließt (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschl. v. 20.1.1997 – 3 Ws 27/97 und v. 18.8.2000 –3 Ws 780/00; KG, Beschl. v. 25.05.2000 – 2 Ss 47/00). Vorliegend fehlt es bereits am substantiierten Antritt des Gegenbeweises.
Die Vortrag des Angeklagten, „er habe keinen Briefkasten für sich, sondern nur einen Briefkasten für 6 Parteien“ ist nicht geeignet, den bezeugten Inhalt der Zustellungsurkunde (vgl. OLG Frankfurt [10. Zivilsenat] und OLG Köln jew. aaO), dass die Ladung in einen zu seiner Wohnung gehörenden und zur sicheren Aufbewahrung geeigneten Briefkasten i.S. des § 180 S. 1 ZPO eingelegt wurde, zu entkräften. Es fehlt bereits an einer Glaubhaftmachung. Die schlichte Erklärung ist nicht ausreichend. Es ist auch nicht dargetan und glaubhaft gemacht oder sonst ersichtlich, dass weitere Mittel zur Glaubhaftmachung – z.B. eidesstattliche Versicherung des Vermieters und/oder von Mietmietern – nicht erlangt werden konnten.
Im Übrigen kann auch – entgegen einer in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung (OLG Hamm; VRS 107, 109 [111]; Maul, in: KK-StPO, 6. Aufl., § 37 Rn 22; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., §180 Rn 3; Wolst, in: Musielak, ZPO, § 180 Rn 2) – ein Gemeinschaftsbriefkasten für mehrere Mietparteien die Voraussetzungen des § 180 S. 1 ZPO erfüllen. Er muss lediglich – durch entsprechende Beschriftung – eine eindeutige Zuordnung zum Adressaten ermöglichen (vgl. hingegen für nicht beschrifteten Briefschlitz OLG Bremen, Urt. v. 28.02.2007 – 1 U 64/06b – juris), der Adressat muss typischerweise seine Post über diese Einrichtung erhalten und der Kreis der Mitbenutzer muss überschaubar sein (OLG Frankfurt [10. Zivilsenat] aaO; LSG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 10.1.2008 – L 5 ER 319/07 KR – juris; LArbG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 12.07.2005 – 5 Sa 164/05 –juris; Stöber , in: Zöller, ZPO 28. Aufl., § 180 Rn 3; Häublein, in: MüKo-ZPO § 10 Rn 4; Schütze-Rohe, in: Wiecorek, ZPO, 3. Aufl. § 180 Rn 9). Denn der Wortlaut des § 180 S. 1 ZPO erfordert nicht, dass der Briefkasten allein zur Wohnung des Adressaten gehört. Durch Zulassen des Postempfangs über den Gemeinschaftsbriefkasten gibt der Adressat ferner zu erkennen, dass er dem Kreis der Mitbenutzer Vertrauen entgegen bringt, der Gemeinschaftsbriefkasten also für eine sichere Aufbewahrung i.S. des § 180 S. 1 ZPO geeignet ist.
Schließlich hat auch hat die überwiegende Meinung in der Rechtsprechung zu § 182 ZPO a.F. die Einlegung des Benachrichtigungsschein in einen Sammelbriefkasten für ausreichend erachtet (vgl. BVerwG, NJW 1988, 578 und BGH, NJW 2001, 832 [für eine Wohngemeinschaft]; wN bei Böttiger, jurPR-SozR 6/2009 Anm. 6).
Die Entscheidung kann hier auf den Seiten des Hessenrechts im Volltext eingesehen werden.