Das SG Fulda hat sich in seiner Entscheidung vom 27.01.2010 in dem Verfahren S 10 AS 53/09 u.a. mit der Berechnung der Kosten der Unterkunft (KdU) im Rahmen von Grundsicherungsleistungen befasst.
Das Gericht stellte u.a. folgendes fest:
Bei Nichtvorliegen eines schlüssigen Konzepts zur Ermittlung der Unterkunftskosten und mangelnden Erkenntnismöglichkeiten des Gerichts sind die Kosten in tatsächlicher Höhe zu übernehmen, solange sie nicht evident unangemessen sind. Die Evidenzgrenze wird – bezogen auf den konkret streitgegenständlichen Zeitraum Februar bis Juli 2009 – nicht erreicht, solange die Tabellenwerte des § 12 WoGG zuzüglich eines Zuschlages i.H.v. weiteren 10 % nicht überschritten werden.
Diese Feststellung begründet das Gericht insbesondere wie folgt:
Die Angemessenheit der Wohnkosten ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG (Urt. vom 22.09.2009 – B 4 AS 18/09 R sowie vom 18.06.2008 – B 14/7b AS 44/06 R, beide zit. nach juris) in mehreren Schritten zu prüfen: Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu ermitteln. Alsdann ist festzustellen, ob die angemietete Wohnung dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard entspricht, der sich in der Wohnungsmiete niederschlägt. Vergleichsmaßstab sind insoweit die räumlichen Gegebenheiten am Wohnort des Hilfebedürftigen, wobei die örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt zu ermitteln und zu berücksichtigen sind (abstrakte Angemessenheit). Schlussendlich gilt es festzustellen, ob für den Hilfebedürftigen eine andere bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zugänglich war (konkrete Angemessenheit).
[…]Demgegenüber sieht sich die Kammer allerdings nicht in der Lage, ausgehend von den durch den Beklagten vorgelegten Wohnungsunterlagen den maßgeblichen Wohnungsmarkt festzulegen und die hypothetische Referenzmiete zu ermitteln. Das BSG hat hierzu folgende Grundsätze aufgestellt (Urt. vom 22.09.2009 – B 4 AS 18/09 R, zit. nach juris):
„Ziel der Ermittlungen des Grundsicherungsträgers ist es, einen Quadratmeterpreis für Wohnungen einfachen Standards zu ermitteln, um diesen nach Maßgabe der Produkttheorie mit der dem Hilfeempfänger zugestandenen Quadratmeterzahl zu multiplizieren und so die angemessene Miete feststellen zu können.
Eine pauschale bundeseinheitliche Grenze (Quadratmeterpreis) scheidet hierbei aus, da einerseits auf die konkreten Verhältnisse abzustellen ist, die Kosten für Wohnraum in den einzelnen Vergleichsräumen andererseits sehr unterschiedlich sein können. Um trotzdem ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln auch innerhalb eines Vergleichsraums zu gewährleisten, muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze (Urteil vom 18.6.2008 – B 14/7b AS 44/06 R) auf Grundlage eines überprüfbaren „schlüssigen Konzepts“ erfolgen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (vgl BSG, Urteil vom 18.6.2008 – B 14/7b AS 44/06 R = FEVS 60, 145, 149; vgl auch BSG, Urteil vom 19.3.2008 – B 11b AS 41/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 7 RdNr 23) . Dabei muss der Grundsicherungsträger nicht zwingend auf einen einfachen oder qualifizierten Mietspiegel iS der §§ 558c und 558d BGB abstellen (vgl Urteil des 7b. Senats vom 7.11.2006 – B 7b AS 18/06 R, BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3; BSG, Urteil vom 18.6.2008 – B 14/7b AS 44/06 R = juris RdNr 7). Entscheidend ist vielmehr, dass den Feststellungen des Grundsicherungsträgers ein Konzept zu Grunde liegt, dieses im Interesse der Überprüfbarkeit des Ergebnisses schlüssig und damit die Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein „angemessenes Maß“ hinreichend nachvollziehbar ist.
Ein Konzept ist ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall.
Schlüssig ist das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt:
= Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),
= es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, zB welche Art von Wohnungen – Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete, Differenzierung nach Wohnungsgröße,
= Angaben über den Beobachtungszeitraum,
= Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, zB Mietspiegel),
= Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,
= Validität der Datenerhebung,
= Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und
= Angaben über die gezogenen Schlüsse (zB Spannoberwert oder Kappungsgrenze).Ausgehend von diesen Grundsätzen kann auch unter Zuhilfenahme der vom Beklagten vorgelegten Wohnungsunterlagen nicht hinreichend geprüft werden, welche Aufwendungen für eine einfache Wohnung mit einer abstrakt angemessenen Größe von 60 m² im unteren Segment des hier maßgeblichen Wohnungsmarktes zu zahlen sind. Es ist bereits nicht nachzuvollziehen, wie der Beklagte für seinen Zuständigkeitsbereich die Beschaffenheit des örtlichen Wohnungsmarktes ermittelt hat. Ausgehend von der vorgelegten Auswertung der Wohnungsangebote aus den regionalen Zeitungen, dem Internet und den anrufenden Vermietern muss davon ausgegangen werden, dass im gesamten Jahr 2008 für die Gemeinde W. lediglich 22 Wohnungsangebote betreffen Wohnungen mit einer Wohnfläche um 60 m² und im Jahr 2009 insgesamt lediglich 37 solcher Wohnungsangebote ausgewertet wurden. Eine solch geringe Zahl ausgewerteter Wohnungsangebote kann bei einer Gemeinde mit mehr als 12.000 Einwohnern keinesfalls als repräsentativ bezeichnet werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass aus der Aufstellung des Beklagten in keiner Weise hervorgeht, inwieweit hier die den Mietpreis bestimmenden Faktoren (Wohnungsstandard, Wohnungsausstattung etc.) in die Auswertung mit eingeflossen sind. Angesichts der Tatsache, dass die Angebotsmieten aus den regionalen Zeitungsannoncen, dem Internet sowie aus Angeboten von Vermietern, welche selbst auf den Beklagten zugekommen sind, entstammen, muss vielmehr unterstellt werden, dass diese Faktoren keinerlei Berücksichtigung fanden. Bezogen auf die von dem Beklagten vorgelegten Prosoz-Daten gilt im Ergebnis nichts anderes, so dass nach alledem festzuhalten ist, dass das entsprechend den Grundsätzen des BSG stets erforderliche schlüssige Konzept, auf welchem die Datengrundlage der Grundsicherungsträgers beruhen muss, hier nicht erkennbar ist.
Darüber hinaus ist die Kammer zu der Auffassung gelangt, dass im vorliegenden Fall auch keine Ermittlungen seitens des Gerichts zur Feststellung der hypothetischen Referenzmiete angezeigt sind. Nach Auffassung des BSG (Urt. vom 22.09.2009 – B 4 AS 18/09 R) ist es
„im Wesentlichen Sache der Grundsicherungsträger, für ihren Zuständigkeitsbereich ein schlüssiges Konzept zu entwickeln, auf dessen Grundlage die erforderlichen Daten zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze zu erheben und auszuwerten. Die anhand eines solchen Konzeptes erzielbaren Erkenntnisse sind vom Grundsicherungsträger daher grundsätzlich schon für eine sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren notwendig und in einem Rechtsstreit vom Grundsicherungsträger vorzulegen. Entscheidet der Grundsicherungsträger ohne eine hinreichende Datengrundlage, ist er im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 Satz 1, 2. Halbsatz SGG gehalten, dem Gericht eine möglichst zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und ggf eine unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen. Es kann von dem gemäß § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II für die Leistungen nach § 22 SGB II zuständigen kommunalen Träger erwartet werden, dass er die bei ihm vorhandenen Daten sowie die persönlichen und/oder sachlichen Voraussetzungen für die Erhebung und Auswertung der erforderlichen Daten zur Verfügung stellt. Diese Ermittlungspflicht geht nicht ohne Weiteres auf das Sozialgericht über, wenn sich das Konzept des Grundsicherungsträgers als nicht tragfähig (schlüssig) erweist oder bei einem an sich schlüssigen Konzept die erforderlichen Daten nicht oder nicht ordnungsgemäß erhoben worden sind.
Liegt der Bestimmung der Angemessenheitsgrenze des Grundsicherungsträgers ein schlüssiges Konzept nicht zu Grunde, besteht für das Sozialgericht die Möglichkeit, den angefochtenen Verwaltungsakt innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Eingang der Akten alle Bescheide nach § 131 Abs 2 SGG aufzuheben. Die Belange der Beklagten können dadurch gewahrt werden, dass das Gericht bis zum Erlass eines neuen Verwaltungsaktes eine einstweilige Regelung trifft (§ 131 Abs 5 Satz 2 SGG) die auch in der Verpflichtung zur Fortzahlung der tatsächlichen Unterkunftskosten bestehen kann. Steht nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten zur Überzeugung des Gerichts fest, dass keine solchen Erkenntnismöglichkeiten mehr vorhanden sind – etwa durch Zeitablauf – sind vom Grundsicherungsträger die tatsächlichen Aufwendungen des Hilfebedürftigen für Unterkunft zu übernehmen. Sie sind allerdings auch in diesem Fall nicht völlig unbegrenzt zu übernehmen, sondern nur bis zur Höhe der durch einen Zuschlag maßvoll erhöhten Tabellenwerte in § 8 WoGG.“
Bleibt meines Erachtens aber immer noch die Frag ob, mit welchen Aufschlägen und warum die Wohngeldtabelle herangezogen werden kann, um die angemessenen Kosten der Unterkunft zu ermitteln.
Die Entscheidung kann hier auf den Seiten des Hessenrechts im Volltext eingesehen werden.