Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 6. Juli 2006 in dem Verfahren III ZR 2/06 festgestellt, dass bei der Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB VIII der Pflegevertrag unter der Geltung des Bayerischen Kinder- und Jugendhilfegesetzes grundsätzlich nicht zwischen dem Träger der Jugendhilfe und den Pflegeeltern, sondern zwischen den Personensorgeberechtigten des betreffenden Kindes und den Pflegeeltern zustandekommt.
Das Gericht begründet seine Enstcheidung wie folgt:
Unter Berücksichtigung der Bestimmungen des Jugendhilferechts ist zwischen den Parteien weder ein Dienstvertrag (§ 611 BGB) noch ein Auftrag (§ 662 BGB) zustande gekommen, der den von dem Kläger geltend gemachten Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 670 BGB (unmittelbar oder analog) oder einen vertraglichen Schadensersatzanspruch stützen könnte.
a) Die Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) zählt als Hilfe zur Erziehung zu den Leistungen der Jugendhilfe (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII). Der Personensorgebe-rechtigte kann sie von dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe (vgl. § 69 Abs. 1 SGB VIII) beanspruchten, wenn eine dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet und die Hilfe für seine Entwick-lung geeignet und notwendig ist (§ 27 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 SGB VIII). Art und Umfang der Hilfe richten sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall; dabei soll das engere soziale Umfeld des Kindes oder Jugendlichen einbezogen werden (§ 27 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII). Ist die Hilfe außerhalb der eigenen Familie erforderlich – so liegt es bei der Vollzeitpflege -, sind der Per-sonensorgeberechtigte und das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen; ihren Wünschen ist möglichst zu entsprechen (vgl. § 36 Abs. 1 Satz 3 und 4 SGB VIII). Die Entscheidung über die Hilfeart soll, wenn sie wie die Vollzeitpflege voraussichtlich für längere Zeit zu leisten ist, im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte getroffen werden (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Als Grundlage für die Ausgestaltung der Hilfe sollen sie zusammen mit dem Personensorgebe-rechtigten und dem Kind oder Jugendlichen – im Fall der Vollzeitpflege weiter unter Beteiligung der Pflegeperson (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 3 SGB VIII) – einen Hilfeplan aufstellen, der Feststellungen über den Bedarf, die zu gewährende Art der Hilfe sowie die notwendigen Leistungen enthält (§ 36 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 SGB VIII).
b) Bei dem Hilfeplan handelt es sich um ein sozialpädagogisches Instrument, mit dem das Jugendamt – hoheitlich aufgrund der §§ 27 ff SGB VIII (vgl. Senatsurteil vom 23. Februar 2006 – III ZR 164/05 – NJW 2006, 1121, 1122 Rn. 12, vorgesehen für BGHZ) – den Hilfeprozess steuert und transparent macht. Er dient zur Selbstkontrolle und zur Koordinierung der Aktivitäten des Jugendamtes und der anderen an der Hilfe Beteiligten. In ihm werden ferner die Vorstellungen der Personensorgeberechtigten, der Kinder und Jugendlichen sowie der an der Hilfe Beteiligten dokumentiert und die getroffenen Arbeitsab-sprachen in einem von allen Beteiligten häufig unterschriebenen sogenannten „Hilfekontrakt“ festgehalten (vgl. Münder u.a., FK-SGB VIII 5. Aufl. 2006 § 36 Rn. 50 ff; Jans/Happe/Saurbier/Maas, Kinder- und Jugendhilferecht 3. Aufl. § 36 Rn. 44; Stähr in Hauck/Haines, SGB VIII § 36 Rn. 29, 31; Wiesner/Wiesner, SGB VIII 3. Aufl. 2006 § 36 Rn. 61; siehe auch Begründung der Bundesregierung zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Neuord-nung des Kinder- und Jugendhilferechts BT-Drucks. 11/5948 S. 74). Der Hilfe-plan – dessen Rechtsnatur unentschieden bleiben kann (vgl. Jans/Happe/Saur-bier/Maas aaO Rn. 46 und Stähr aaO Rn. 40; Wiesner/Wiesner aaO Rn. 62 ff jeweils m.w.N.) – bietet das erzieherische Konzept, das für die Gewährung der Jugendhilfe von Nöten ist (vgl. Münder u.a. aaO Rn. 51; Jans/Happe/Saur-bier/Maas aaO; Stähr aaO Rn. 40 f; Wiesner/Wiesner aaO Rn. 62; siehe auch BVerwGE 109, 155, 166 f). Dementsprechend ist darin, dass die hier an der Jugendhilfe Beteiligten, d.h. die personensorgeberechtigte Mutter von Kathrin, die Vertreter der Beklagten und die Ehefrau des Klägers, den Hilfeplan („Teil C: Kontrakt“) unterzeichnet haben, zunächst nur eine Billigung des in ihm nieder-gelegten erzieherischen Konzepts zu sehen, in dessen Vollzug Hilfe zur Erziehung bewilligt und – sofern noch nicht geschehen – ein zivilrechtlicher Pflegever-trag abgeschlossen werden konnte (vgl. Stähr aaO Rn. 22; s. auch Schellhorn, SGB VIII § 33 Rn. 16; OVG Münster, Urteil vom 23. Januar 1986 – 8 A 1600/84 – Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge 1986, 410, 411 und OVG Berlin, Urteil vom 21. Oktober 1982 – 6 B 35.81 – Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge 1983, 91, 92 zum Pflegevertrag zwischen Jugendbehörde und Pfle-geeltern).
c) Der Abschluss des Pflegevertrages oblag nach dem im Streitfall an-wendbaren Bayerischen Kinder- und Jugendhilfegesetz nicht der Beklagten, sondern der personensorgeberechtigten Mutter von K. . Das ergibt sich aus Art. 28 BayKJHG. Danach soll das Jugendamt darauf hinwirken, dass zwischen den Personensorgeberechtigten und der Pflegeperson – hier also zwischen der Mutter von K. und dem Kläger und seiner Frau – eine vertragliche Verein-barung über die Ausgestaltung des Pflegeverhältnisses abgeschlossen wird (Pflegevereinbarung – Art. 28 Abs. 1 BayKJHG). Diese Pflegevereinbarung soll insbesondere Regelungen enthalten über die Entgegennahme von Leistungen zum Unterhalt des Kindes oder des Jugendlichen nach § 39 SGB VIII (vgl. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 BayKJHG). Auf Verlangen soll das Jugendamt die Personensorgeberechtigten und die Pflegeperson in bestimmten Fällen auch beraten und beim Abschluss einer Pflegevereinbarung unterstützen (vgl. Art. 28 Abs. 3 Satz 1 KJHG). Nach dem gesetzlichen Leitbild soll das Jugendamt mithin nicht selbst die Pflegevereinbarung schließen, sondern lediglich fördern, dass sie zwischen den Personensorgeberechtigten und den Pflegepersonen zustande kommt (vgl. Steding ZfJ 1993, 576, 578). Es ist nicht ersichtlich, dass das Ju-gendamt der Beklagten hiervon abgewichen wäre.
d) Die Revision verweist – außer auf den schon angesprochenen Hilfe-plan – darauf, dass nach dem Vorbringen des Klägers die Beklagte sich bei der Bayerischen Versicherungskammer „gegen derartige Schäden“ versichert habe. Darin kann indes ein hinreichender Anhaltspunkt für eine – vom Gesetzgeber als Ausnahme gedachte – Pflegevereinbarung zwischen dem Jugendamt und den Pflegeeltern nicht gesehen werden. Der Abschluss der Versicherung konn-te sich, wovon die Revision selbst auszugehen scheint, allein auf die Bera-tungspflichten des Jugendamtes im Zusammenhang mit dem Hilfeplan sowie auf sein vermittelndes Wirken gemäß Art. 28 BayKJHG beziehen. Selbst wenn die Versicherung weiter die Inanspruchnahme der Beklagten aus einer von ihr mit der Pflegefamilie getroffenen Pflegevereinbarung umfasste, handelte es sich bloß um die Absicherung eines Risikos; es besagte nichts darüber, ob im Streitfall ein solcher Vertrag gegeben war.
2. Zwischen den Parteien bestand auch kein öffentlich-rechtliches Schuld-verhältnis, das die Beklagte verpflichtete, dem Kläger analog § 670 BGB Auf-wendungsersatz für Schäden zu leisten, die er durch das Verhalten des Pflege-kindes erlitt.
Zwar ist ein Fürsorgeverhältnis zwischen dem Jugendamt und dem Pfle-gekind und ein auf Hilfe zur Erziehung gerichtetes (§§ 27 ff SG VIII) sozialrecht-liches Verhältnis zwischen dem Jugendamt und dem Personensorgeberechtig-ten anzunehmen. Daraus folgt aber nicht – ebenso wenig wie das Jugendamt uneingeschränkt für das Verhalten der Pflegeeltern einzustehen hat (vgl. inso-weit Senatsurteil vom 23. Februar 2006 aaO S. 1123 f Rn. 18) -, dass das Ju-gendamt im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses stets für die Schäden haftete, die das Pflegekind den Pflegeeltern zufügt. Bei der Voll-zeitpflege (§ 33 SGB VIII) unterscheidet sich das Verhältnis der Pflegeeltern zum Pflegekind, soweit hier von Bedeutung, nicht von dem zu den leiblichen Eltern. Geht es um die gewöhnliche Betreuung und das Leben des Kindes in der Pflegefamilie, handelt es sich um einen Bereich, der zwar weiterhin der Auf-sicht des Jugendamtes unterliegt, grundsätzlich aber in die Verantwortung der Pflegeeltern gegeben ist (vgl. Senatsurteil vom 23. Februar 2006 aaO S. 1123 Rn. 15). Dementsprechend sind die Pflegeeltern, die Schäden durch das Pflegekind erleiden, – nicht anders als leibliche Eltern – auf die allgemeinen Vor-schriften (§§ 823 ff BGB) verwiesen; sie könnten allerdings, wie die Revision ausführt, durch den Abschluss einer Sammelhaftpflichtversicherung zum Schut-ze der Pflegestellen das Schadensrisiko jedenfalls mindern.
3. Eine verschuldensabhängige Haftung der Beklagten (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG; §§ 31, 89, 823; 831 BGB) kommt nicht in Betracht. Das Berufungsgericht hat – unangegriffen – ein Auswahlverschulden von Seiten der Bedienste-ten der Beklagten verneint. Soweit die Revision geltend macht, die Bedienste-ten des Jugendamtes hätten es versäumt, dem Kläger den Abschluss einer „entsprechenden Haftpflichtversicherung“ nahe zu legen, handelt es sich um neuen Tatsachenvortrag; dieser kann im Revisionsrechtszug nicht berücksichtigt werden.
Die Entscheidung kann im Volltext hier abgerufen werden.