1. Bei der Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 67 d Abs. 6 Satz 1 1. Alt. StGB zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist, ist vorrangig zu prüfen, ob gegenwärtig überhaupt noch sämtliche Maßregelvoraussetzungen des §§ 63 StGB vorliegen.
2. Für die Gefährlichkeitsprognose im Rahmen der Entscheidung über die Fortdauer einer gemäß § 63 StGB angeordneten Unterbringung in einen psychiatrischen Krankenhaus ist die Darlegung unabdingbar, welche Art von rechtswidrigen Taten mit welcher Wahrscheinlichkeit zum gegenwärtigen Zeitpunkt von dem Untergebrachten drohen.
3. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist auch bei Entscheidungen über die Maßregelfortdauer zu beachten. Hieraus folgt, dass eine integrative Betrachtung, d.h. eine Auseinandersetzung mit der Bedeutung der von dem Untergebrachten begangenen Taten und deren indizieller Bedeutung für seine zukünftige Gefährlichkeit ebenso wie mit der Art und der Bedeutung der von dem Untergebrachten zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Freiheit zu erwartenden Taten und dem Grad der Wahrscheinlichkeit ihrer Begehung stattzufinden hat (Anschluss an OLG München, Beschluss vom 10.01.2014 – 1 Ws 1062/13 ).
Diese Leitsätze hat das OLG Bamberg zu seinem Beschluss vom 26.02.2014 (1 Ws 52/14) aufgestellt. In dem betreffenden Verfahren hat das OLG auf die sofortige Beschwerde des Untergebrachten den Beschluss der Strafvollstreckungskammer teilweise aufgehoben und zur erneuten Behandlung und Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückgewiesen.
Seine Entscheidung hat das Gericht u.a. wie folgt begründet:
1. Das Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde statthaft (§§ 463 Abs. 3, 454 Abs. 3 StPO) und auch sonst zulässig, da form- und fristgerecht eingelegt (§§ 306 Abs. 1, 311 Abs. 2 StPO).
2. Das Rechtsmittel erweist sich auch in der Sache als zumindest vorläufig erfolgreich, weil die angegriffene Fortdauerentscheidung der Strafvollstreckungskammer nicht auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage beruht.a) Nach § 67 e Abs. 1 Satz 1 StGB hat die Strafvollstreckungskammer zu prüfen, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist. Deshalb muss die Strafvollstreckungskammer im Rahmen ihrer (jährlichen) Überprüfung sämtliche diesbezüglichen Voraussetzungen des § 67 d StGB überprüfen.
aa) Sie hat zunächst zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Maßregel noch vorliegen (§ 67 d Abs. 6 Satz 1 1. Alt. StGB). Die Voraussetzungen der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus liegen dann nicht mehr vor, wenn der Zustand, aufgrund dessen Feststellung die Unterbringung erfolgt ist, nicht oder nicht mehr besteht oder wenn die von § 63 StGB vorausgesetzte Gefährlichkeit des Untergebrachten nicht mehr besteht.
bb) Weiterhin hat die Strafvollstreckungskammer sodann zu prüfen, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Bewährung ausgesetzt werden kann, was dann der Fall ist, wenn zu erwarten ist, dass der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird (§ 67 d Abs. 2 Satz 1 StGB).
cc) Schließlich hat die Strafvollstreckungskammer zu prüfen, ob die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus für erledigt zu erklären ist, wenn deren weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre (§ 67 d Abs. 6 Satz 1 2. Alt. StGB).
b) Zu diesen Voraussetzungen der Anordnung der Fortdauer der Maßregel verhält sich der Beschluss der Strafvollstreckungskammer nur ansatzweise oder gar nicht. Auch die gutachterliche Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung vom 24.09.2013, auf die sich die Strafvollstreckungskammer stützt, beantwortet die sich damit stellenden maßgeblichen Fragen aus medizinischer Sicht nicht.
aa) So bleibt vollkommen offen, ob bei dem Untergebrachten die Voraussetzungen der Maßregel überhaupt noch vorliegen. Insoweit ist von Bedeutung, dass der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus im Urteil des Landgerichts Z. eine Persönlichkeitsstörung des Beschwerdeführers zugrunde lag. Der damalige Sachverständige im Erkenntnisverfahren führt in seinem schriftlichen Gutachten vom 01.04.1998 insoweit aus, dass bei dem Untergebrachten Auffälligkeiten der Persönlichkeitsentwicklung bzw. der Persönlichkeit bestünden. Er sei auffallend rigide, kontaktarm, unselbstständig und selbstunsicher. Auffallend sei der Mangel an emotionaler Äußerungsfähigkeit und der Fähigkeit zum sozialen Kontakt. Eindeutig seien massive Schwierigkeiten, eine Freundin oder Partnerin zu gewinnen. Aufgrund der erheblichen Beeinträchtigung der Persönlichkeit im Zusammenhang mit der Alkoholisierung des Untergebrachten (es bestehe ein Alkoholmissbrauch), müsse die Gefahr erneuter ähnlicher Tathandlungen bejaht werden. Ausdrücklich führt der Sachverständige des Erkenntnisverfahrens aus, dass die früher diagnostizierte ausgeprägte Zyklothymie zum Tatzeitpunkt nicht mehr bestanden habe, diese Erkrankung jedoch zum damals skizzierten Persönlichkeitsbild in der Entwicklungsphase des Untergebrachten beigetragen habe. Die Strafkammer stellt in ihrem Urteil insoweit fest, dass bei dem Beschwerdeführer eine Persönlichkeitsstörung bestehe, die ihm aufgrund einer manisch-depressiven Erkrankung in der Jugendzeit zu Teil geworden sei. Die Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wurde angeordnet, weil aufgrund der Persönlichkeitsstörung des Beschwerdeführers in Verbindung mit dem bei ihm gegebenen Alkoholabusus die konkrete Gefahr der Wiederholung gleichartiger Taten bestehe.
(1) Auch der externe Sachverständige Prof. Dr. L. kommt in seinem schriftlichen Gutachten vom 07.12.2009 zur Diagnose einer damals remittierten, bipolaren Störung, eines schädlichen Gebrauchs von Alkohol sowie des Vorliegens einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit selbstunsicheren, dependenten und dissozialen Zügen. Der externe Sachverständige führt aus, dass die bipolare Störung bei dem Anlassdelikt und der zuvor aufgetretenen Straffälligkeit nicht im Vordergrund stand, sondern vielmehr Sozialisation und Persönlichkeitsentwicklung des Beschwerdeführers so insbesondere eine stark defizitäre soziale Kompetenz.
(2) Liest man die nachfolgenden gutachterlichen Stellungnahmen der Maßregelvollzugseinrichtung wird deutlich, dass auch nach Erstellung dieses Gutachtens der Beschwerdeführer am therapeutischen Prozess zur Behandlung seiner Persönlichkeitsstörung teilnahm, wobei allerdings die Behandlung sich durch die manisch-depressive Erkrankung als wechselhaft und schwierig herausstellte und der Beschwerdeführer sowohl in manischen als auch während depressiver Episoden nur wenig belastbar und leicht zu überfordern war. Die gutachterliche Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung verhält sich allerdings nicht dazu, ob die Persönlichkeitsstörung (mit dependenten, selbstunsicheren Zügen) auch jetzt noch einen Schweregrad aufweist, der die Eingangsvoraussetzungen des § 20 StGB erfüllt.
bb) Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer und die gutachterliche Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung enthalten auch keine ausreichenden Feststellungen zur Frage der Prognose.
(1) Im Rahmen der Entscheidung über die Fortdauer einer gemäß § 63 StGB angeordneten Unterbringung in einen psychiatrischen Krankenhaus ist unabdingbar, dass die Strafvollstreckungskammer darlegt, welche Art von rechtswidrigen Taten mit welcher Wahrscheinlichkeit ihrer Überzeugung nach zum gegenwärtigen Zeitpunkt von dem Untergebrachten drohen. Voraussetzung für die Anordnung der Fortdauer der zeitlich nicht befristeten Unterbringung nach § 63 StGB ist, dass vom Untergebrachten in Folge seines aktuellen Zustands in Freiheit weiterhin erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Erforderlich ist insoweit eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades, die lediglich latente Gefahr oder die bloße Möglichkeit der künftigen Begehung irgendwelcher rechtswidrigen Taten ist nicht ausreichend. Insoweit hat sich die Strafvollstreckungskammer im Rahmen der Entscheidung über die Fortdauer der Maßregel mit der Bedeutung der von dem Untergebrachten bereits begangenen Taten und deren indizielle Bedeutung für seine zukünftige Gefährlichkeit ebenso wie mit der Art und der Bedeutung der von dem Untergebrachten zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Freiheit zu erwartenden Taten und dem Grad der Wahrscheinlichkeit der Begehung solcher neuer Taten auseinanderzusetzen. Dies folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der in § 62 StGB zum Ausdruck kommt und dessen Grundgedanke daher auch im Rahmen von Entscheidungen über die Fortdauer einer Maßregel der Besserung und Sicherung zu berücksichtigen ist. Es ist insoweit eine „integrative Betrachtung“ vorzunehmen (vgl. OLG München, Beschluss vom 10.01.2014 – 1 Ws 1062/13 [bei Juris] m.w.N.). Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an.
(2) Ausgangspunkt der von der Strafvollstreckungskammer im Rahmen des § 67 d Abs. 2 StGB vorzunehmenden Gefährlichkeitsprognose kann insoweit unter Beachtung des Grundsatzes der bestmöglichen Sachaufklärung nur eine solche gutachterliche Stellungnahme sein, die sich zu der Art der von dem untergebrachten zu erwartenden Taten und zum Grad der Wahrscheinlichkeit ihrer Begehung verhält (OLG München a.a.O.).
(3) Eine Darlegung, welche konkreten Taten mit welchem Wahrscheinlichkeitsgrad aus psychiatrischer Sicht von dem Beschwerdeführer in Freiheit zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu erwarten sind, fehlt in der Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung ebenso wie eine Darlegung, ob einer solchen Gefahr aus psychiatrischer Sicht gegebenenfalls aus Mitteln der Führungsaufsicht oder durch eine zivilrechtliche Betreuerbestellung begegnet werden kann. Hierbei kann nicht auf das Gutachten des externen Sachverständigen Prof. Dr. L. vom 07.12.2009 zurückgegriffen werden, weil (naturgemäß) die seit der damaligen Gutachtenerstellung zu verzeichnenden Behandlungserfolge angesichts des lange zurückliegenden Zeitpunkts der Gutachtenserstattung nicht berücksichtigt werden konnten.
c) Nachdem die aufgezeigten Verfahrensmängel im Beschwerdeverfahren nicht behoben werden können, war auf die sofortige Beschwerde der Beschluss der Strafvollstreckungskammer in seinen Ziffern 1. und 2. aufzuheben und das Verfahren insoweit zurückzuverweisen.
3. Demgegenüber hat der Senat die Beauftragung des externen Sachverständigen Prof. Dr. R. aufrecht erhalten und überlässt es insoweit der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer, ob es bei der Beauftragung dieses Sachverständigen bleibt, was auch davon abhängen dürfte, mit welchen zeitlichen Vorgaben unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgebots sich der Sachverständige arrangieren kann. Weiterhin wird die Strafvollstreckungskammer zu prüfen haben, ob der Gutachtensauftrag entsprechend den obigen Vorgaben zu ergänzen sein wird.
4. Schließlich wird die Strafvollstreckungskammer bei der Prüfung der Frage der Verhältnismäßigkeit der Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus zu berücksichtigen haben, dass die Maßregel seit mehr als 11 Jahren vollzogen wird. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass bereits das Tatgericht im Erkenntnisverfahren berücksichtigt hat, dass die von dem Beschwerdeführer beabsichtigten sexuellen Handlungen eher im unteren Bereich aller denkbaren Möglichkeiten anzusiedeln waren und dass er über das bloße Festhalten der Geschädigten hinaus keine weitere Gewalt angewandt hat. Hierbei wird die Strafvollstreckungskammer auch die im Urteil des Landgerichts Z. vom Juli 1998 im Einzelnen dargestellten Vorahndungen hinsichtlich ihrer Intensität bei Gewaltausübung und beabsichtigten oder durchgeführten sexuellen Handlungen einzubeziehen haben. Denn bei langandauernden Unterbringungen – wie hier – sind die Strafvollstreckungsgerichte in besonderem Maße gehalten, auf der Grundlage ausreichend geklärter Tatsachen hinsichtlich Diagnose und Prognose eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen, in der die mögliche Gefährdung der Allgemeinheit zur Dauer des Freiheitsentzugs in Beziehung zu setzen ist. Je länger die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus andauert, umso strenger sind die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzuges (BVerfG, Beschluss vom 19.11.2012 – 2 BvR 193/12 = RuP 2013, 96 ff. = StV 2014, 148 ff.).