In dem vom OLG Frankfurt am 25.03.2014 entschiedenen Fall (3 Ws 135/14) hat das OLG Frankfurt die Anordnung der weiteren Unterbringung des Beschwerdeführers durch die Strafvollstreckungskammer aufgehoben und angeordnet, dass der Untergebrachte mit einer Übergangsfrist aus dem Vollzug der Unterbringung zu entlassen ist
Das OLG hat festgestellt, dass bei der Entscheidung über die Fortdauer der Anordnung der Unterbringung zwischen dem Freiheitsanspruch des Untergebrachten und dem Sicherungsbedürfnis der Allgeimnheit abzuwägen ist.
Das Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des betroffenen Einzelnen und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor zu erwartenden erheblichen Rechtsgutverletzungen verlange nach gerechtem und vertretbarem Ausgleich. Dieser lasse sich für die Entscheidung über die Aussetzung der Maßregelvollstreckung nur dadurch bewirken, dass Sicherungsbelange und der Freiheitsanspruch des Untergebrachten als wechselseitiges Korrektiv gesehen und im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden. Die darauf aufbauende Gesamtwürdigung habe die von dem Täter ausgehenden Gefahren zur Schwere des mit der Maßregel verbundenen Eingriffs ins Verhältnis zu setzen. Abzustellen sei auf die Gefahr solcher rechtswidriger Taten, die ihrer Art und ihrem Gewicht nach ausreichen, auch die Anordnung der Maßregel zu tragen
Je länger die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus andauert, umso strenger seien die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzugs. Die Unterbringung nach § 63 StGB komme nur in Betracht, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustandes in Zukunft Taten begehen wird, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben. Dies sei anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, wobei die erforderliche Prognose auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Person des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln ist.
Bei der Frage der Verhältnismäßigkeit sei zudem zu berücksichtigen, dass die Behandlungsmöglichkeiten weitestgehend ausgeschöpft sind und der weitere Vollzug der Maßregel vorwiegend nur noch Sicherungscharakter gehabt hätte.
Die Entscheidung im Volltext:
Auf die sofortige Beschwerde des Untergebrachten wird der Beschluss des Landgerichts Wiesbaden – Strafvollstreckungskammer – vom …. Dezember 2013 aufgehoben.
Die mit Urteil des Amtsgerichts – Jugendschöffengericht – O5 vom … 2001 angeordnete Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus wird mit Wirkung ab dem … 2014 für erledigt erklärt.
Der Untergebrachte ist in dieser Sache am … 2014 aus dem Vollzug der Unterbringung zu entlassen.
Mit der Entlassung tritt Führungsaufsicht ein.
Die Dauer der Führungsaufsicht wird auf fünf Jahre festgesetzt.
Während dieser Zeit wird der Verurteilte der Aufsicht und Leitung des für seinen künftigen Wohnort zuständigen Bewährungshelfers unterstellt.
Die Erteilung weiterer Auflagen und Weisungen hinsichtlich der Führungsaufsicht sowie die Belehrung gemäß § 268a Abs. 3 StPO wird dem Landgericht Wiesbaden übertragen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
Mit Urteil vom … 2001 ordnete das Amtsgericht die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus an und setzte diese zugleich zur Bewährung aus. Im Bewährungsbeschluss wurde ihm – unter anderem – aufgegeben, die ärztlicherseits verordneten Medikamente weiterhin einzunehmen. Der Untergebrachte hatte am … 1998 dem Geschädigten A vor einem Bistro in O1 ohne ersichtlichen Grund mit der Faust ins Gesicht geschlagen, so dass dieser eine Nasenbeinfraktur erlitt und zu Boden fiel. Anschließend wollte er sich erneut auf das Opfer stürzen, wurde daran jedoch von anwesenden Personen gehindert, die ihm zudem ein Springmesser und ein Holzmesser aus der Hand schlugen. Herr C war bei der Tat infolge einer chronischen Schizophrenie schuldunfähig. Er hatte wahnhaft angenommen, seine Freunde aus der ehemaligen Clique, zu denen auch das Opfer gehörte, hätten ihm 80% seines Gehirns entnommen und wollte sich deshalb an ihnen rächen.Am …. November 2005 widerrief das Amtsgericht die Aussetzung der Unterbringung, weil Herr C seine Medikamente nicht zuverlässig einnahm und bei der dann mittels Depotspritzen fortgeführten Behandlung die Termine zur Verabreichung der Spritzen nicht oder nur unregelmäßig einhielt. Infolgedessen habe sich sein Zustand verschlechtert. Er sei nicht krankheitseinsichtig und habe Drohungen gegenüber vermeintlichen Verfolgern ausgesprochen. Er sei auch wieder straffällig geworden (Leistungserschleichung) und stehe im Verdacht, einen Diebstahl aus einer Gaststätte begangen zu haben. In seiner die Beschwerde des Untergebrachten verwerfenden Entscheidung führte das Landgericht aus, Herr C konsumiere Drogen, wodurch sich die Psychose aufgrund der Wechselwirkung mit den Medikamenten verschlimmere. Die behandelnde Ärztin erklärte seinerzeit, das Wahnsystem Herrn C habe selbst unter Medikation nicht beeinflusst werden können (LG O5, Beschluss vom ….. Dezember 2005 – …).
Die Maßregel wurde trotz Eintritts der Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses zunächst nicht vollzogen. Mit Verfügung vom …. April 2006 setzte die Vollstreckungsbehörde die Unterbringung im Gnadenwege zur Bewährung aus. Diese Gnadenentscheidung wurde am …. Mai 2007 widerrufen, weil Herr C der Weisung, die Rehabilitationsmaßnahme fortzuführen, zuwidergehandelt hatte. Am …. Juni 2007 wurde Herr C zum Vollzug der Maßregel in der Klinik für forensische Psychiatrie O2 aufgenommen. Die dort gestellten Diagnosen lauteten: paranoid-halluzinatorische Schizophrenie und dissoziale Persönlichkeitsstörung. Während eines im Jahre 2009 unternommenen Entlassungsversuchs (Entlassungsurlaub in ein Wohnheim) gab der Untergebrachte einer Mitbewohnerin am … 2009 aus nichtigem Anlass eine Ohrfeige, was die die Aussetzung des Entlassungsurlaubs zur Folge hatte. Am …. Februar 2010 wurde er aus organisatorischen Gründen in die C-Klinik für forensische Psychiatrie nach O3 verlegt und von dort aus am …. Juni 2011 in die C-Klinik für forensische Psychiatrie O4. Mit Beschluss vom …. Dezember 2011 setzte das Landgericht Wiesbaden die Unterbringung nicht zur Bewährung aus. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Untergebrachten blieb erfolglos (…). In dieser Entscheidung führte der Senat aus, dass die Verhältnismäßigkeit noch gewahrt sei, jedoch die Klinik ihr Vorhaben, die bedingte Entlassung durch gestufte Lockerungen vorzubereiten, zügig umzusetzen haben werde. Im Jahre 2012 wurde der Untergebrachte extern begutachtet (§ 463 Abs. 4 StPO). In seinem schriftlichen Gutachten vom …. Juli 2012 kam der Sachverständige D zu dem Ergebnis, das Risiko, dass der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs erneut Körperverletzungsdelikte begehe, sei gering, wenn er regelmäßig die erforderlichen Medikamenten einnähme. Auf der Grundlage dieses Gutachtens und der Stellungnahmen der Klinik vom …. Oktober 2012 sowie vom …. November 2012 sowie nach mündlicher Anhörung des Sachverständigen und des Untergebrachten entschied das Landgericht Wiesbaden am …. Dezember 2012, die Maßregel nicht zur Bewährung auszusetzen, führte jedoch aus, dass der Untergebrachte zeitnah in weiteren Lockerungen zu erproben sei, um seine Entlassung vorzubereiten. Er habe die Notwendigkeit der Medikamenteneinnahme erkannt.
Im von einem Auf und Ab geprägten Behandlungsverlauf zeigte der Untergebrachte insgesamt bei mangelnder Krankheitseinsicht nur eine unzureichende Bereitschaft, an den Therapiezielen mitzuarbeiten. Die von ihm als für ihn günstig erkannten Ausführungen der Strafvollstreckungskammer verschlechterten diese Einstellung noch, weil er nun annahm, dass er ohne weiteren Entwicklungsbedarf Anspruch auf fortschreitende Vollzugslockerungen habe. Gleichzeitig verschlechterte sich die psychotische Symptomatik, weshalb ihm eine Erhöhung der Depotmedikation empfohlen wurde. Die Erhöhung der Dosis lehnte er jedoch ab. Die Klinik empfahl daher in ihrer im Rahmen des damaligen Beschwerdeverfahrens durch den Senat eingeholten ergänzenden Stellungnahme vom …. März 2013 die Fortdauer der Unterbringung. Am …. Mai 2013 verwarf der Senat die sofortige Beschwerde des Untergebrachten gegen den Beschluss des Landgerichts Wiesbaden vom …. Dezember 2012.
Ausweislich der Stellungnahme der Klinik vom …. Oktober 2013 ist eine wesentliche Änderung seither nicht eingetreten. Weiterhin besteht bei dem Untergebrachten allenfalls eine vordergründige Krankheitseinsicht. Die Klinik sieht aufgrund fehlender Motivation, Anstrengungs- und Änderungsbereitschaft des Untergebrachten, sowie eingeschränkter Medikamentencompliance die Behandlungsmöglichkeiten weitestgehend ausgeschöpft, bei einem verbleibenden Restrisiko. Mit Beschluss vom …. Dezember 2013 lehnte die Strafvollstreckungskammer es ab, die Maßregel gemäß § 67d Abs. 2 StGB zur Bewährung auszusetzen. Dagegen wendet sich der Untergebrachte mit der sofortigen Beschwerde.
Das gemäß §§ 463 Abs. 3, 454 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 311 StPO zulässige Rechtsmittel führt zur Erledigung der Maßregel (§ 67d Abs. 6 StGB). Die weitere Vollstreckung der Maßregel ist unverhältnismäßig.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 26. August 2012 [richtig: 2013 – die Red.] – 2 BvR 371/12 m.w.N. = NJW 2013, 3228) beherrscht der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Anordnung und Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Das Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des betroffenen Einzelnen und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor zu erwartenden erheblichen Rechtsgutverletzungen verlangt nach gerechtem und vertretbarem Ausgleich. Dieser lässt sich für die Entscheidung über die Aussetzung der Maßregelvollstreckung nur dadurch bewirken, dass Sicherungsbelange und der Freiheitsanspruch des Untergebrachten als wechselseitiges Korrektiv gesehen und im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden. Die darauf aufbauende Gesamtwürdigung hat die von dem Täter ausgehenden Gefahren zur Schwere des mit der Maßregel verbundenen Eingriffs ins Verhältnis zu setzen. Abzustellen ist auf die Gefahr solcher rechtswidriger Taten, die ihrer Art und ihrem Gewicht nach ausreichen, auch die Anordnung der Maßregel zu tragen; diese müssen mithin „erheblich“ i. S. des § 63 StGB sein. Die Beurteilung hat sich darauf zu erstrecken, ob und welche Art rechtswidriger Taten von dem Untergebrachten drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (Häufigkeit und Rückfallfrequenz) und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt. Dabei ist die von dem Untergebrachten ausgehende Gefahr hinreichend zu konkretisieren; die Art und der Grad der Wahrscheinlichkeit zukünftiger rechtswidriger Taten sind zu bestimmen; deren bloße Möglichkeit vermag die weitere Maßregelvollstreckung nicht zu rechtfertigen. Bei allem ist auf die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls einzugehen. Zu erwägen sind das frühere Verhalten des Untergebrachten und von ihm bislang begangene Taten. Abzuheben ist aber auch auf die seit der Anordnung der Maßregel veränderten Umstände, die für die künftige Entwicklung bestimmend sind. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es zudem, die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB nur so lange zu vollstrecken, wie der Zweck der Maßregel dies unabweisbar erfordert und zu seiner Erreichung den Untergebrachten weniger belastende Maßnahmen nicht genügen. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit kann es daher auf die voraussichtlichen Wirkungen der im Falle der Erledigung der Maßregel kraft Gesetzes eintretenden Führungsaufsicht (§ 67d Abs. 6 Satz 2 StGB) und der damit verbindbaren weiteren Maßnahmen der Aufsicht und Hilfe (§§ 68a und 68b StGB), insbesondere also die Tätigkeit eines Bewährungshelfers und die Möglichkeit bestimmter Weisungen, ankommen. Je länger die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus andauert, umso strenger sind die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzugs.
Die Unterbringung nach § 63 StGB kommt nur in Betracht, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustandes in Zukunft Taten begehen wird, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben. Dies ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, wobei die erforderliche Prognose auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Person des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln ist. Dabei gelten umso höhere Anforderungen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt um einen Grenzfall handelt (BGH NStZ-RR 2014, 11 m.w.N.).
Nach diesem Maßstab ist die weitere Unterbringung, die zu dem in der Beschlussformel genannten Zeitpunkt mehr als sieben Jahre angedauert haben wird, dann nicht mehr verhältnismäßig. Das Einweisungsdelikt liegt inzwischen mehr als 15 Jahre zurück. Vor dieser Tat war der Untergebrachte ausschließlich wegen Diebstählen und Beförderungserschleichung straffällig geworden. Auch nach der Tat bis zum Beginn des Vollzuges der Maßregel – immerhin während eines Zeitraums von mehr als acht Jahren – beging der Untergebrachte trotz unzureichender Krankheitseinsicht und unzuverlässiger Medikamenteneinnahme während der Führungsaufsicht keine Gewalttaten mehr. Dies legt nahe, dass Maßnahmen im Zusammenhang mit der Führungsaufsicht geeignet sind, auch künftig Taten zu verhindern die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben. Aufgrund dieser Umstände handelt es sich vorliegend auch um einen Grenzfall in dem zuvor genannten Sinne. Dies ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass die Unterbringung nach § 63 StGB zunächst zur Bewährung ausgesetzt werden konnte, und es danach nicht mehr zu Taten im Sinne des Einweisungsdeliktes kam. Bei der Frage der Verhältnismäßigkeit ist zudem zu berücksichtigen, dass die Behandlungsmöglichkeiten weitestgehend ausgeschöpft sind und der weitere Vollzug der Maßregel vorwiegend nur noch Sicherungscharakter hätte.
Die Aussetzung tritt allerdings erst mit Wirkung ab dem … 2014 ein, um der Klinik ausreichend Zeit zur unabdingbaren Vorbereitung der Entlassung zu geben (vgl. Senat, Beschluss vom 4. Januar 2013 – 3 Ws 717/12; OLG Oldenburg NStZ-RR 2011, 307; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2005, 338).
Mit Entlassung aus dem Vollzug der Maßregel tritt kraft Gesetzes Führungsaufsicht ein (§ 67d Abs. 6 Satz 2 StGB). Der Senat hat diese nur hinsichtlich ihrer Dauer (§ 68c Abs. 1 StGB) und der Bestellung eines Bewährungshelfers (§ 68a Abs. 1 StGB) ausgestaltet.
Die weitere Ausgestaltung der Führungsaufsicht ist derzeit noch nicht möglich und obliegt ebenso wie die Belehrung nach § 268 Abs. 3 StPO der Strafvollstreckungs-kammer (vgl. Senat aaO; OLG Oldenburg aaO; OLG Karlsruhe aaO). Die Fortsetzung der Medikation, eine Anbindung an die forensisch-psychiatrische Fachambulanz, sowie eine Entlassung in ein Wohnheim erscheinen zwingend erforderlich. Der Senat versteht die Erklärungen des Untergebrachten in der mündlichen Anhörung vom …. November 2013 (Bl. 796 ff.) dahin, dass er mit einem entsprechenden Entlassungssetting einverstanden ist.