Mit Entscheidung vom 16.08.2021 (3 Ws 408/21) hat das OLG Frankfurt festgestellt, dass eine Einziehung von Taterträgen nach §§ 73 bis 73c StGB und ein diesbezüglicher Vermögensarrest nach § 111e StPO gemäß 73e Abs. 1 StGB ausgeschlossen sind, wenn der Geschädigte bereits entschädigt wurde.
Diesbezüglich komme es nichts darauf an, wer die Zahlung an den Geschädigten geleistet hat. Allein die Gefahr, dass dem Angeklagten aus der Tat Erlangtes dauerhaft verbleibten könne, rechtfertige die Einziehung nicht.
Die Entscheidung im Volltext:
Leitsatz
Die Einziehung von Taterträgen nach §§ 73 bis 73c StGB und ein diesbezüglicher Vermögensarrest nach § 111e StPO sind gemäß 73e Abs. 1 StGB ausgeschlossen, wenn ein gesamtschuldnerisch haftender Mittäter oder diejenige Gesellschaft, für die der Mittäter gehandelt hat, den Anspruch des Verletzten erfüllt hat (Anschluss an BGH 2 StR 582/18 wistra 2020, 201). Das gilt selbst dann, wenn nicht zu erwarten ist oder gar ausgeschlossen sein sollte, dass der Angeklagte bzw. Arrestschuldner im Innenverhältnis insoweit noch herangezogen wird. Allein die Gefahr, dass dem Angeklagten aus der Tat Erlangtes dauerhaft verbleibt, rechtfertigt keine teleologische Reduktion des § 73e Abs. 1 StGB.
Tenor
Der Beschluss des Landgerichts Wiesbaden vom 22. März 2021 in der Fassung des Beschlusses vom 22. April 2021, mit dem der Arrest in das Vermögen des Angeklagten angeordnet wurde, wird aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die im Beschwerdeverfahren entstandenen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Gründe
I.
Dem Angeklagten wird mit Anklage vom 27. September 2017 vorgeworfen, sich mit dem 2013 verstorbenen früheren Mitbeschuldigten X und Mitarbeitern der Bank1 AG (nachfolgend: Bank1) zusammengeschlossen zu haben, um über mehrere Jahre hinweg Leerverkäufe mit deutschen DAX-Aktien um den Dividendenstichtag zu tätigen (sog. Cum-/Ex-Geschäfte), um aufgrund dieser Geschäfte Kapitalertragssteuerbescheinigungen zu erhalten und letztlich die bescheinigte Kapitalertragssteuer nebst Solidaritätszuschlag vom Finanzamt anrechnen und auszahlen zu lassen, obwohl bei der Durchführung der von ihnen geplanten Geschäfte kein Steuereinbehalt stattfinden sollte. Der Angeklagte soll das entsprechende Geschäftsmodell entwickelt bzw. weiterentwickelt haben, X soll die X1 GmbH (nachfolgend X1 GmbH) gegründet und die nötigen finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt haben. Der Tatplan der Angeklagten soll vorgesehen haben, ungedeckte Leerverkäufe deutscher DAX-Werte um den Dividendenstichtag zu tätigen, um unter Ausnutzung einer Schwäche im Abwicklungsmechanismus der Aktiengeschäfte die Erstellung von Kapitalertragssteuerbescheinigungen für die X1 als Leerverkäuferin zu erreichen, obwohl – was alle Angeklagten und der frühere Beschuldigte X gewusst haben sollen – der in den Bescheinigungen ausgewiesene Einbehalt von Kapitalertragssteuer und Solidaritätszuschlag für die X1 GmbH ebenso wenig erfolgte wie eine Abführung an das Finanzamt. Diesen Tatplan sollen die Beteiligten in den Jahren 2006 und mit Modifikationen 2007 und 2008 umgesetzt haben.
2011 forderte das Finanzamt Stadt1 Kapitalertragssteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag in Höhe von mehr als 112 Mio EUR von der Rechtsnachfolgerin der X1 GmbH zurück und erließ auch gegen die Bank1 unter dem 22. November 2011 einen Haftungsbescheid. Die Steueranrechnungsbeträge sollen aufgrund dessen durch die Bank1 sowie die X1 GmbH vollständig zurückgezahlt worden sein.
Der Angeklagte soll aufgrund einer Absprache mit X neben dem offiziellen Honorar seiner Kanzlei für die Beratung der X1 GmbH für seine Tatbeteiligung ein persönliches Erfolgshonorar in Höhe von 2.301.000 EUR erhalten haben. Das Geld soll über Offshore-Konstrukte auf Konten geflossen sein, auf die er Zugriff gehabt habe.
Das Landgericht Wiesbaden hat auf Antrag der Staatsanwaltschaft daraufhin unter dem 22. März 2021 den angefochtenen Beschluss erlassen, mit dem gemäß §§ 111e Abs. 1, 4, 111j Abs. 1 i. V. m. §§ 73 Abs. 1, 73c, 73d StGB zur Sicherung des Wertes des Taterlangten der Vermögensarrest in Höhe von 2.311.000 EUR in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Angeklagten angeordnet wird. Mit Beschluss vom 22. April 2021 korrigierte das Landgericht den ergangenen Beschluss dahin, dass der Arrest nur in Höhe von 2.301.000 EUR angeordnet wird. Gegen diese Beschlüsse richtet sich die Beschwerde des Angeklagten vom 06. Mai 2021.
Am 26. März 2021 wurde das Verfahren gegen den Angeklagten A abgetrennt. Es führt seitdem das Az 1111 Js 18753/21 ER.
Mit Beschluss vom 18. Mai 2021 hat das Landgericht Wiesbaden der Beschwerde nicht abgeholfen.
Dem ist die Generalstaatsanwaltschaft beigetreten. Sie hat in einer detaillierten Stellungnahme dargelegt, weshalb sie es vorliegend für verfehlt hält, sich allein am Wortlaut des § 73e Abs. 1 StGB zu orientieren. § 73e Abs. 1 StGB sei aus historischen Gründen nicht auf diejenigen Fälle anzuwenden, in denen der Täter das Erlangte nicht „aus“, sondern „für“ die Tat erlangt habe. Zumindest dürfe die Vorschrift mit Blick auf den gesetzgeberischen Willen dann nicht angewandt werden, wenn es nicht der Arrestschuldner, sondern nur ein in Gesamtschuldnerschaft stehender Mittäter gewesen sei, der das Erlöschen des Anspruchs des Verletzten herbeigeführt habe und der Arrestschuldner selbst bislang noch keinerlei finanziellen Beitrag zur Begleichung des Anspruchs des Verletzten geleistet habe. Wolle man selbst dieser Erwägung nicht beitreten, sei eine Einschränkung des § 73e Abs. 1 StGB jedenfalls dann geboten, wenn darüber hinaus feststehe, dass dem Betroffenen auch künftig, auch nach § 426 BGB, keine finanzielle Inanspruchnahme mehr drohe. Ein solcher Ausnahmefall liege hier vor.
II.
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.
Die Voraussetzungen des § 111e StPO liegen nicht vor, denn die Annahme, dass die Voraussetzungen der Einziehung von Wertersatz vorliegen, ist gegenwärtig nicht begründet.
Der Einziehung steht § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB entgegen. Nach dieser Vorschrift ist die Einziehung „ausgeschlossen“, „wenn der Anspruch, der dem Verletzten aus der Tat auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen ist, erloschen ist“.
Das ist hier aufgrund des auch von der Staatsanwaltschaft und im angefochtenen Beschluss zu Grunde gelegten Sachverhalts zumindest überwiegend wahrscheinlich.
Vorliegend ist der Anspruch des Verletzten, nämlich des durch das Finanzamt vertretenen Fiskus – aufgrund der Zahlungen seitens der Bank1 und der X1 GmbH – erloschen.
Der Wortlaut der Vorschrift ist damit erfüllt.
Zwar wird die Vorschrift für Fälle, in denen ein tatunbeteiligter Dritter, insbesondere eine Versicherung gezahlt hat, einschränkend ausgelegt. Von einem Erlöschen im Sinne der Vorschrift soll dann nicht gesprochen werden, wenn der Anspruch nur auf die Versicherung übergegangen ist (BGH NStZ-RR 2018, 335; Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 73e Rn.4a). Für den vorliegenden Fall kommt eine solche einschränkende Auslegung hingegen, entgegen der Auffassung der Kammer und der Generalstaatsanwaltschaft, nicht in Betracht.
Mit Beschluss vom 22. Januar 2020 (2 StR 582/18 wistra 2020, 201 BeckRS 2020, 2050) hat der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs eine in dem angefochtenen Urteil in Gesamtschuldnerschaft angeordnete Einziehung insoweit aufgehoben als die geschädigte Bank durch den gesondert verfolgten Mittäter bereits befriedigt worden ist. Insoweit sei der Anspruch der Geschädigten entsprechend § 73e Abs. 1 StGB erloschen. Zur Begründung führt der BGH aus:
„Durch § 73e StGB soll die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme des Tatbeteiligten oder Drittbegünstigten durch den Staat einerseits und den Verletzten andererseits vermieden werden (BT-Drucks. 18/9525/19). Schon hieraus erhellt, dass der Anspruch eines Verletzten auch dann als ganz oder teilweise erloschen anzusehen ist, wenn einer der als Gesamtschuldner haftenden Tatbeteiligten den Verletzten ganz oder teilweise schadlos stellt (vgl. Senat, Beschluss vom 10. September 2019 – 2 StR 245/19). Der Forderungsübergang nach § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB macht den Tatbeteiligten nicht zum Verletzten oder zu dessen Rechtsnachfolger im einziehungsrechtlichen Sinn. Rechtsnachfolger im Sinne der §§ 73 ff StGB, 459h ff StPO kann nur sein, wer – wie der Erbe (§ 1922) oder der Versicherer (§ 86 VVG) – dem Tatopfer nicht selbst wegen der Tat zum Schadensersatz verpflichtet ist. Anderes wäre mit dem das Einziehungsrecht beherrschenden Konzept der Rückgewinnungshilfe zu Gunsten der Tatopfer nicht vereinbar.“ (vgl. auch BGH, Beschluss vom 10. September 2019 – 2 StR 245/19; Beschluss vom 14. Juli 2020 – 2 StR 496/19; Beschluss vom 19. November 2020 – 4 StR 361/20; Beschluss vom 30. Juni 2020 – 6 StR 129/20; weitere Nachweise zur Rspr. des BGH bei Zahlungen eines Gesamtschuldners bei Bittmann NStZ 2021, 276ff Rn. 175, 176).
Diese Ausführungen sind auf den vorliegenden Fall übertragbar.
Allerdings weist die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend darauf hin, dass nach der alten, bis zum 30. Juni 2017 geltenden Rechtslage möglicherweise etwas Anderes gegolten hätte, weil § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB a. F. den (damals wesentlich weitergehenden) Ausschluss des Verfalls nur insoweit vorsah als „dem Verletzten aus der Tat ein Anspruch erwachsen ist, dessen Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würde. Daraus hat die Rechtsprechung damals überwiegend gefolgert, dass die Einziehung des für die Tat Erlangten möglich bleibe (vgl. BGH NStZ 2011, 229; BGH NStZ-RR 2012, 81 und, auch zur streitigen Frage, ob § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB analog auch auf das für die Tat Erlangte anzuwenden sei, MüKo-StGB/Joecks, 3. Aufl. 2016 Rn. 44-47 jeweils m. w. N.).
Der Wortlaut der Neuregelung des § 73e Abs. 1 StGB n. F. ist aber eindeutig. Er sieht keine solche Differenzierung vor. Auch der BGH hat a. a. O. keine diesbezügliche Differenzierung mehr vorgenommen.
Dem vom BGH am 22. Januar 2020 a. a. O. entschiedenen Fall, in dem die Tatbeute zunächst an einen Mittäter gelangte und dann, unter anderem an den Angeklagten, verteilt wurde, lag auch ein durchaus vergleichbarer Sachverhalt zu Grunde. Auch im vorliegenden Fall liegt es nahe, das vom Angeklagten dem angefochtenen Beschluss zufolge mutmaßlich Erlangte als Teil einer “mit Gruppenwillen für alle“ „gesammelten Gesamtmenge“ durch die Straftat erlangter Vermögenswerte zu verstehen (vgl. dazu BGH NStZ-RR 2012, 81, 82). Es liegt nahe, auch das dem angefochtenen Beschluss zufolge vom Angeklagten Erlangte als im Sinne des alten Rechts „aus“ der Tat erlangt einzuordnen. Dies bedarf aber keiner Vertiefung. Denn der Senat sieht weder durchgreifenden Anlass, unter Zugrundelegung der gegenwärtigen Gesetzeslage den vorliegenden Fall anders als den vom Bundesgerichtshof entschiedenen zu beurteilten noch Anlass dazu, dem Bundesgerichtshof nicht zu folgen. Dies gilt unbeschadet aller detailliert ausgeführten „Wertungswidersprüche“, die die Generalstaatsanwaltschaft bei einer auf den Wortlaut des § 73 Abs. 1 StGB gestützten Aufhebung des Arrests in vorliegender Sache mit verschiedenen Aspekten der Konzeption der Neureglung des Rechts der Einziehung von Taterträgen zu erkennen meint.
Soweit die Generalstaatsanwaltschaft meint, dass § 73e Abs. 1 StGB nur „unglücklich“ formuliert sei und darlegt, in § 73e Abs. 1 StGB sei nur eine missverständliche Präposition verwendet worden, geht dieses Argument schon deshalb fehl, weil § 73e Abs. 1 StGB weder vom durch den Täter „aus“ noch von diesem „für“ die Tat Erlangten, sondern vom Anspruch, der „dem Verletzten aus der Tat“ erwachsen ist, spricht. Durch eine einschränkende Interpretation einer in § 73e Abs. 1 StGB verwendeten Präposition lässt sich das von der Generalstaatsanwaltschaft befürwortete Ergebnis nicht erzielen. Eine dem Wortlaut nach eindeutige Einschränkung des § 73eStGB im von der Generalstaatsanwaltschaft verfochtenen Sinn hätte ausdrücklich formuliert werden müssen (etwa durch einen eigenen Halbsatz: „ist, soweit es sich nicht um für die Tat Erlangtes handelt, ausgeschlossen“). Das historische Argument der Generalstaatsanwaltschaft, die betont, dass es bekanntlich das Anliegen des Gesetzgebers der Neureglung des Rechts der Einziehung gewesen sei, die Möglichkeiten des Verfalls auszuweiten und nicht einzuschränken, kann daher angesichts des klaren Wortlauts der Neuregelung nicht überzeugen.
Das historische Argument überzeugt aber auch aus weiteren Gründen nicht. Zum einen sollten zwar „Abschöpfungslücken“ geschlossen, das Recht sollte aber auch „systematisiert, gestrafft und vereinfacht“ werden (Fischer, StGB; 68. Aufl. 2021 vor §§ 73-76a Rn. 3 m. w. N.). Zum anderen kann die Berufung auf Sinn und Zweck der Vorschriften jedenfalls die von der Generalstaatsanwaltschaft befürwortete Auslegung, nach der § 73e StGB insgesamt auf „für“ die Tat Erlangtes nicht anzuwenden sei, nicht rechtfertigen. Denn jedenfalls dann, wenn der Schaden von einem Mittäter wiedergutgemacht wurde und dieser den Angeklagten im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs erfolgreich hinsichtlich eines eine Provision des Angeklagten für die Tat übersteigenden Betrages in Anspruch genommen hat, würde es Sinn und Zweck der Neuregelung widersprechen, wenn der Angeklagte nach wie vor gemäß § 73 StGB in Anspruch genommen werden könnte. Denn eine solche doppelte Inanspruchnahme sollte nach dem Willen des Gesetzgebers, wie vom BGH a. a. O. dargelegt, gerade vermieden werden, weil die Regelungen der Einziehung nicht (vorrangig) der Bestrafung, sondern der Abschöpfung von Tatvorteilen dienen sollen (vgl. Fischer a. a. O. § 73 Rn. 4 – 6; Köhler NStZ 2917, 497, 498).
Soweit die Generalstaatsanwaltschaft vorliegend betont, der Angeklagte habe sich an der Schadenswiedergutmachung bislang noch „mit keinem Cent“ beteiligt, ist zuzugeben, dass rechtspolitisch durchaus erwogen werden könnte, ob die Einziehung von Taterträgen und deren vorläufige Sicherung auch dann, wenn ein gesamtschuldnerisch haftender Mittäter die Forderung des Geschädigten zum Erlöschen gebracht hat, solange möglich sein sollte, bis der Täter von diesem Mittäter tatsächlich in Anspruch genommen wurde. Dafür könnte der Umstand sprechen, dass mit der Regelung der §§ 111i StPO i. V. m. 73ff StGB nicht nur Rückgewinnungshilfe, sondern eben auch die Abschöpfung von Vermögensvorteilen selbst bezweckt wird (vgl. zu den Grundlinien der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung Köhler NStZ 2017, 497, 498). Eine solche Differenzierung sieht § 73e Abs. 1 StGB n. F. aber gerade nicht vor. Zwar haben auch Köhler/Burghard, maßgelblich an der Neufassung des Gesetzes beteiligt, in anderem Zusammenhang der Sache nach teleologische Einschränkungen des § 73e StGB für einzelne Fälle der Gesamtschuldnerschaft erwogen (vgl. NStZ 2017, 665, 673 für einen Fall der Hehlerei). Der Bundesgerichtshof hat a. a. O. aber überzeugend dargelegt, dass dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann, dass die Sicherung des Erlangten auch zu Gunsten des Mittäters, der seinen Gesamtschuldnerausgleichsanspruch bislang noch nicht hat vollstrecken können, greifen solle. Dessen Schutz sieht das Strafgesetz insoweit nicht vor. Für die seltenen Fallgestaltungen, in denen eine (vollständige) Schadenswiedergutmachung durch einen Mittäter erfolgt ist, es diesem aber noch nicht gelungen ist, wegen seines Anspruchs aus § 426 BGB in das Vermögen des anderen Mittäters zu vollstrecken, während dem Staat die Vollstreckung gelingt, ist deshalb das nach der Neuregelung de lege lata gebotene Ergebnis derzeit hinzunehmen.
Der Senat hat auch die Argumentation der Generalstaatsanwaltschaft in der Zuschrift vom 15. Juli 2021 geprüft. Vorliegend soll die Rechtsnachfolgerin der Bank1 nachdem diese die Steuerschuld beglichen hatte, mit der Rechtsnachfolgerin der X1 einen Vergleichsvertrag geschlossen haben, in dem als Bedingung für Zahlungen der Rechtsnachfolgerin der X1 an die Rechtsnachfolgerin der Bank1 geregelt wurde, dass der am Vergleich nicht beteiligte Angeklagte von Zahlungen an die Rechtsnachfolgerin der Bank1 freigestellt wurde. Auch diese Besonderheit rechtfertigt es aber nicht, § 73e StGB in einer solchen Konstellation einschränkend auszulegen.
Man könnte zwar erwägen, ob von einem „Erlöschen“ im Sinne von § 73e StGB dann nicht zu Gunsten eines Angeklagten gesprochen werden könne, wenn ein als Gesamtschuldner verpflichteter Mittäter gezahlt und den Angeklagten dauerhaft von einer Zahlungspflicht (etwa nach § 426 BGB) befreit hat, oder die Auffassung vertreten, dass § 73e StGB zumindest in diesem Sinne gegen den Wortlaut eingeschränkt werden müsse. Generell ließe sich erwägen, § 73e Abs. 1 StGB nicht auf Fälle anzuwenden, in denen das Erlöschen von einem Mittäter herbeigeführt wurde und sicher ausgeschlossen ist, dass der Angeklagte dazu finanziell beigetragen hat oder noch in Anspruch genommen werden kann. Dafür könnte sprechen, dass in solchen Fällen nicht einzusehen sei, weshalb demjenigen, der für oder aus der Straftat Beute erlangt hat, der aber nichts zur Schadenswiedergutmachung beigetragen hat und beitragen muss, dennoch die Beute verbleiben darf. Es könnte gegen die Intention der Neuregelungen der Einziehung von Taterträgen sprechen, dass einem Mittäter Tatvorteile verbleiben, deren zivilrechtliche oder sonst anderweitige Abschöpfung dauerhaft ausgeschlossen ist. Für eine solche Einschränkung ließe sich auch der in der Ergänzung des § 73 Abs. 1 StGB durch den am 29. Dezember 2020 in Kraft getretenen § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB erneut zum Ausdruck gekommene auf präventive Abschöpfung gerichtete Wille des Gesetzgebers anführen (vgl. dazu BeckOK StGB/Heuchemer, § 73e Rn. 1).
Auch diese Erwägung greift aber de lege lata nicht durch. Zum einen bietet der Wortlaut des § 73e StGB n. F. keinen Anhalt für eine solche Einschränkung. Während es dann, wenn ein Dritter, insbesondere die Versicherung Zahlung leistet, gerechtfertigt ist, ein „Erlöschen“ des Anspruchs des Geschädigten mit der Begründung zu verneinen, der Anspruch sei nur auf den Dritten übergegangen, erlaubt es der Wortlaut des § 73e StGB nicht, ein Erlöschen des Anspruchs nur deshalb zu verneinen, weil der Beschwerdeführer zu diesem Erlöschen möglicherweise nichts beigetragen hat. Dies war auch der ersichtliche Grund dafür, weshalb es der Gesetzgeber für nötig erachtet hat, nachträglich die zusätzliche Regelung des § 73e Abs. 1 Satz 2 StGB zu schaffen. Das Wortlautargument hat auch deshalb Gewicht, weil dem Gesetzgeber bei der Fassung des § 73 StGB im Rahmen der Novellierung 2017 und erst Recht bei deren Ergänzung Ende 2020 die mit dem Gesamtschuldnerausgleich verbundenen Fragestellungen angesichts der zur vorangegangenen Gesetzeslage diskutierten Fragen bekannt sein mussten und gleichwohl keine Ausnahme vorgesehen wurde.
Zum andern wäre eine solche Einschränkung auch nicht ohne Weiteres mit dem gesetzgeberischen Willen zu vereinbaren. Es ist nämlich anerkannt, dass der Gesetzgeber § 73e StGB mit Bedacht dadurch „vergleichsfreundlich“ ausgestalten wollte, dass auch ein Erlass oder Teilerlass seitens des Geschädigten zum Erlöschen führen soll (Fischer a. a. O. § 73e Rn. 4 mit Nachweisen zur Gesetzesbegründung; Köhler/Burghard a. a. O. 673). Dann liegt es aber fern, dass ein Erlass eines Mittäters gegenüber dem anderen Mittäter das Erlöschen verhindern soll. § 73e StGB will (zumal in der Auslegung des BGH a. a. O) alle Mittäter dann in den Genuss des Erlöschens der Einziehungsforderung bringen, wenn der Geschädigte befriedigt ist. Von welchem der Mittäter die Erfüllung stammt und wie diese sich untereinander auseinandersetzen, spielt für § 73e StGB keine Rolle. Weshalb die Rechtsnachfolgerin der Bank1 den Angeklagten freigestellt hat und ob es zumindest noch Ansprüche der Rechtsnachfolgerin der X1 GmbH gegen den Angeklagten gibt, oder ob (und ggf. in welcher Höhe) sich der Angeklagte intern (und ohne dies gegenüber den Ermittlungsbehörden offen zu legen) bereits an den Zahlungen der Rechtsnachfolgerin der GmbH seines verstorbenen Freundes und mutmaßlichen Mittäters beteiligt hat, bedarf deshalb keiner näheren Aufklärung. Diese Interna spielen für die – nach Auffassung des Senats aus den oben dargelegten Gründen: absichtlich – einfach gefasste Regelung des § 73e StGB n. F. ebenso wenig eine Rolle wie die Frage, weshalb ein Geschädigter teilweise verzichtet hat.
Man mag der Neuregelung des Rechts der Einziehung von Taterträgen vorwerfen können, dass die Umsetzung der hinter dieser Neuregelung stehenden Intention in bestimmten Sondersituationen der Gesamtschuldnerschaft von Mittätern nicht umfassend geglückt ist. Es ist aber nicht Aufgabe der Rechtsprechung, zu Lasten des Angeklagten unter mehreren rechtspolitisch denkbaren, aber nicht verfassungsrechtlich unabweisbaren Lösungswegen einen, möglicherweise rechtspolitisch sinnvollen, aber mit dem Wortlaut nicht vereinbaren denkbaren Lösungsweg durchzusetzen. Es steht dem Gesetzgeber frei, auf die von der Generalstaatsanwaltschaft zu Recht thematisierten Wertungswidersprüche mit einer weiteren raschen Ergänzung des § 73e Abs. 1 StGB, wie sie 2020 zur Verjährungsproblematik geschaffen wurde, zu reagieren.
Dagegen, unter Berufung auf eine vorgeblich eindeutige Regelungslücke eine zu Lasten des Angeklagten gehende teleologische Reduktion des § 73 Abs. 1 StGB vorzunehmen, spricht im Übrigen auch, dass sich rechtspolitisch durchaus verschieden weitgehende Einschränkungen diskutieren ließen. So erscheint zweifelhaft, ob es dem Gesetzeszweck entspräche, Zahlungen naher Angehöriger des Täters, an denen sich der Täter selbst nicht beteiligt hat, nicht zu seinen Gunsten wirken zu lassen. Bei Zahlungen die auch dem Zweck dienten, den Täter freizustellen, erschiene daher eine Einschränkung besonders problematisch. Zwar mag man es im vorliegenden Einzelfall für billig halten, dass die Zahlungen der Rechtsnachfolgerin X1 GmbH dem Angeklagten nicht zu Gute kommen, obwohl es sich bei dem wirtschaftlich Berechtigten der GmbH um einen „Freund“ des Angeklagten gehandelt haben soll. Denn dieser „Freund“ war dem Anklagevorwurf zufolge zugleich Mittäter und es mag zu vermuten sein, dass sowohl die Zahlungen als auch die zugunsten des Angeklagten getroffene Freistellungsvereinbarung ganz vorrangig im eigenen Interesse der wirtschaftlich Berechtigten der Nachfolgerin der X1 GmbH gestanden haben mögen. Solche an der Billigkeit des Ergebnisses im Einzelfall orientierten Differenzierungen können jedoch, wenn ein Anhalt im Wortlaut fehlt, nicht der Rechtsprechung überlassen werden. Die Entscheidung des Gesetzgebers, (mit Ausnahme von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB) alle Fälle des Erlöschens von Ansprüchen des Verletzten gleich zu behandeln und dadurch eine einfache Lösung auch um den Preis herbeizuführen, dass die Intention des Gesetzgebers, Tatvorteile vermehrt abzuschöpfen, in einigen Einzelfällen weiterhin nicht vollständig umgesetzt wurde, darf nicht im Wege einer einschränkenden „Auslegung“ des § 73e Abs. 1 StGB zu Lasten des Angeklagten korrigiert werden.
Da es mithin auf den Tatsachenvortrag in der Zuschrift vom 15. Juli 2021 nicht ankommt, war dem Beschwerdeführer insoweit auch kein rechtliches Gehör mehr zu gewähren.
Auch weitere Argumente für die Aufrechterhaltung des Arrests greifen nicht durch.
Vorliegend sind zwar die mutmaßlichen Mittäter des Angeklagten noch nicht verurteilt. Da sie aber unter Zugrundelegung desjenigen Sachverhalts, der zur Anklage und zur Eröffnung geführt hat, auch nach Beurteilung des Senats dringend tatverdächtig sind, fehlt es an einem auch nur hinreichend wahrscheinlichen Sachverhalt für die Annahme, dass es sich bei ihnen nicht um gesamtschuldnerisch haftende Mittäter handelt. Die Auffassung, dass § 73e StGB einem Arrest erst dann entgegenstehe, wenn diejenigen, die Zahlung geleistet haben, als Mittäter rechtskräftig verurteilt wurden, lässt sich mit § 111e StPO nicht vereinbaren. Auch der BGH hat a. a. O. nicht auf die Rechtskraft der Verurteilung des „Zeugen B“ abgestellt.
Auch der Umstand, dass vorliegend nicht die Mittäter selbst, sondern diejenige AG und die GmbH, für die die Mittäter ggf. gehandelt haben (§ 14 StGB), den Schaden wiedergutgemacht haben, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Auch die AG und die GmbH waren dem hier als wahrscheinlich zu Grunde zu legenden Sachverhalt zufolge dem Fiskus als dem Tatopfer „zum Schadensersatz“ verpflichtet. Darauf, dass der „Schaden“ vorliegend in einer Steuerverkürzung lag, kann es (unabhängig davon, ob dem 2. Senat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in der Einordnung der vorgeworfenen Straftaten als Betrugsstraftaten gefolgt werden kann, vgl. dazu Beschlüsse des 2. Strafsenats vom 09. März 2021 und vom 06. Mai 2021 in vorliegender Sache) nicht ankommen. Auch insoweit besteht Gesamtschuldnerschaft. Die vom Bundesgerichtshof im Beschluss vom 22. Januar 2020 a. a. O. angestellten Erwägungen gelten hier gleichermaßen. Wollte man die von Mittätern vertretene Juristische Person als nicht dem § 73e StGB unterfallenden Dritten behandeln, würde dem Angeklagten doppelte Inanspruchnahme drohen.
Schließlich bestehen auch im Fall von Cum-Ex-Geschäften keine Besonderheiten, die es rechtfertigen würden, Gesamtschuldnerschaft der Mittäter zu verneinen (so offenbar auch BGH, Urteil vom 28. Juli 2021 1 StR 519/20, bislang noch nicht veröffentlicht).