
Besitzen im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes setzt ein bewusstes tatsächliches Innehaben, ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis sowie Besitzwillen und Besitzbewusstsein voraus, die darauf gerichtet sind, sich die Möglichkeit ungehinderter Einwirkung auf das Betäubungsmittel zu erhalten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. August 2020 – 1 StR 247/20 Rn. 6; vom 17. Oktober 2007 – 2 StR 369/07 Rn. 23 und vom 10. Juni 2010 – 2 StR 246/10 Rn. 3; Urteil vom 18. November 2021 – 3 StR 131/21 Rn. 9; je mwN).
Besitzer im betäubungsrechtlichen Sinne ist dabei nicht nur ein Eigenbesitzer. Auch ein Fremdbesitzer, der die tatsächliche Verfügungsgewalt für einen anderen ausübt und keine eigene Verfügungsgewalt in Anspruch nehmen will, besitzt die Betäubungsmittel (vgl. Weber in Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 29 Rn. 1336). Das gilt insbesondere für den Verwahrer (BGH, Beschluss vom 17. Oktober 2007 – 2 StR 369/07 Rn. 23).
Dies hat der BGH in seiner Entscheidung vom 3.05.2022 (1 StR 75/22) ausgeführt und auf die Revision der Angeklagten das Urteil des Landgerichts Stuttgart, soweit es sie betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben und zur neuen Verhandlung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Bezüglich des betreffenden Falles hat der BGH seine Entscheidung insbesondere wie folgt begründet:
Ausgehend von diesen Maßstäben tragen die vom Landgericht getroffenen Feststellungen nicht die Wertung, die Angeklagte habe Besitz an den vom Mitangeklagten in ihrer Wohnung gelagerten Betäubungsmitteln gehabt. Aus ihnen ergibt sich insbesondere nicht, dass die Angeklagte mit Besitzwillen das Lagern der Betäubungsmittel in ihrer Wohnung geduldet hat. Allein der Umstand, dass die Angeklagte die Betäubungsmittel dort wahrgenommen hat und sie mit einer weiteren Nutzung der Wohnung durch den Mitangeklagten als Betäubungsmitteldepot einverstanden war, reicht für die Wertung, sie sei Besitzerin der Betäubungsmittel gewesen, nicht aus. Gegen einen Besitzwillen spricht insbesondere, dass die Angeklagte nicht befugt war, über die Betäubungsmittel zu verfügen, und dies auch nicht getan hat. Die Feststellungen belegen mithin nur den Besitz der Angeklagten an dem von ihr transportierten Kokain, dessen Wirkstoffgehalt den Grenzwert zur nicht geringen Menge nicht erreicht hat.
c) Angesichts der nicht belegten Annahme, die Angeklagte habe für den Mitangeklagten die Verfügungsmacht über die in ihrer Wohnung gelagerten Betäubungsmittel ausgeübt, kann die Verurteilung insgesamt keinen Bestand haben.
BGH 1 StR 75/22 vom 3.05.2022