Die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ist grundsätzlich inzident zu prüfen, wenn für die Anordnung Gebühren erhoben werden. Dabei darf nicht die falsche Rechtsgrundlage genannt werden. Ferner ist zwischen Anzeichen für Alkoholabhängigkeit und Alkoholmissbrauch zu trennen.
Diesen Leitsatz hat das VG Kassel zu seiner Entscheidung vom 24.04.2019 ( 7 K 6587/17.KS ) aufgestellt und in den Entscheidungsgründen Folgendes ausgeführt:
[…]
VG Kassel 7 K 6587/17.KS vom 24.4.2019
1. Ziffer 2 des Bescheides des Landkreises Fulda vom 10. Oktober 2017 (Az.: ) wird aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i. H. v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Kostenerhebung für einen Bescheid über die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens.
Die Klägerin wurde mit Bescheid des Beklagten vom 29. November 2016 (Bl. 15 der Verwaltungsvorgänge) aufgefordert, ein ärztliches Gutachten über ihre Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen vorzulegen. Die Zweifel des Beklagten an der Eignung der Klägerin beruhten auf Sachverhalten vom 2. November 2015, 2. März 2016, 4. November 2016 und 20. November 2016, bei denen die Klägerin alkoholisiert und teilweise hilflos oder verwirrt an verschiedenen Orten angetroffen bzw. gesehen wurde, wobei sie dabei einmal ein Kraftahrzeug führte und ihr Pkw ein weiteres mal mit einer leeren Flasche Jägermeister auf dem Beifahrersitz vor der Bank, bei der sich die Klägerin aufhielt, abgestellt war. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Bl. 2 ff., 15, 64 ff. der Verwaltungsvorgänge verwiesen. Ein im Auftrag der Klägerin vom TÜV Thüringen erstelltes Gutachten vom 12. Januar 2017 (Bl. 28 ff. der Verwaltungsvorgänge) kam zu dem Ergebnis, dass keine alkoholbedingten Körperschäden bei der Klägerin nachweisbar seien, jedoch die Annahme einer Alkoholabhängigkeit begründet sei, weshalb eine medizinisch-psychologische Untersuchung empfohlen wurde. Der Beklagte teilte daraufhin mit Schreiben vom 6. Juni 2017 mit, das Verfahren gegen die Klägerin werde ohne Veranlassung weiterer Maßnahmen beendet.
Im September 2017 wurde die Klägerin – nach Angaben der Beklagten alkoholisiert und verwirrt – von der Polizei aufgegriffen und in das Klinikum Fulda verbracht.
Am 10. Oktober 2017 erließ der Beklagte einen Bescheid, in dem die Klägerin aufgefordert wurde, auf ihre Kosten ein medizinisch-psychologisches Gutachten über ihre Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen vorzulegen. Unter Ziffer 2 wurden für die Anordnung Kosten i. H. v. 26,50 € gegenüber der Klägerin festgesetzt. Als Fragestellung des Gutachtens wurde vorgegeben:
„Kann die/der Untersuchte trotz der Hinweise auf Alkoholmissbrauch im Sinne der Anlage 4 FeV ein Kraftfahrzeug der Grupp(n) 1 / 2 (Klassen 3) sicher führen? Lässt sich die begründete Annahme des fachärztlichen Gutachtens bestätigen? Liegt also eine Alkoholabhängigkeit vor? Ist insbesondere nicht zu erwarten, dass sie/er ein Kraftfahrzeug unter einem, die fahrsicherheitsbeeinträchtigenden Alkoholeinfluss führen wird?“
Zur Begründung des Bescheides führte der Beklagte an, zur Vorbereitung einer Entscheidung über die Entziehung oder Einschränkung der Fahrerlaubnis könne die Fahrerlaubnisbehörde nach § 46 Abs. 3 i. V. m. §§ 11, 13 FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anordnen, wenn aus aktenkundigen Tatsachen eine begründete Annahme einer Alkoholabhängigkeit vorliege und weitere Tatsachen diese Annahme aktuell bestätigen. Der TÜV Thüringen habe festgestellt, dass die Annahme einer Alkoholabhängigkeit begründet sei. Da zunächst keine weiteren, aktuellen Auffälligkeiten vorgekommen seien, habe der Beklagte von der Beibringung eines Gutachtens Abstand genommen und das Verfahren eingestellt. Inzwischen seien jedoch weitere Tatsachen bekannt geworden, welche die Schlussfolgerung des Gutachtens untermauern würden, weil es am 17. September 2017 in Hünfeld zu einem Polizeieinsatz gekommen sei, bei dem die Klägerin nach einem Anruf eines Zeugen alkoholisiert und verwirrt auf einer Straße aufgegriffen und ins Klinikum Fulda eingewiesen worden sei. Selbst wenn dabei kein Kfz geführt worden sei, bestehe die abstrakte Gefahr einer entsprechenden Handlung. Die Auffälligkeiten der jüngeren Vergangenheit und das Gutachten würden auf eine vorliegende Alkoholerkrankung bei der Klägerin hinweisen. Eine solche führe zur Nichteignung zum Führen von Fahrzeugen. Zur Beseitigung der Eignungszweifel sei die Klägerin verpflichtet, ihre Eignung durch das geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nachzuweisen, ansonsten dürfe der Beklagte von der Nichteignung der Klägerin ausgehen (§ 11 Abs. 8 FeV).
Mit Schriftsatz vom 13. November 2017, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat die Klägerin Klage gegen den Kostenbescheid erhoben.
Zur Begründung führt sie nach Schilderung des Sachverhalts an, die vorliegend einschlägige Nr. 208 des Gebührentarifs für Maßnahmen im Straßenverkehr der GebOSt sehe eine Verwaltungsgebühr zwischen 12,80 € und 25,60 € vor. Die festgesetzte Gebühr von 26,50 € würde diesen Gebührenrahmen übersteigen. Dies zeige, dass der Beklagte sein Ermessen nicht ausgeübt habe und die Gebührenentscheidung daher insgesamt rechtswidrig sei. Eine Heilung gemäß § 114 S. 2 VwGO komme nicht in Betracht, weil die Vorschrift nur eine Ergänzung, aber keine vollständige Nachholung oder eine Auswechslung erlaube. Ferner sei die Kostenentscheidung rechtswidrig, weil die ihr zugrunde liegende Amtshandlung – die Anordnung der Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens – rechtswidrig sei. Es bleibe nämlich unklar, auf welche Rechtsgrundlage der Beklagte seine Aufforderung stütze, weil der Beklagte lediglich § 46 Abs. 3 i. V. m. §§ 11, 13 FeV genannt habe, ohne weiter nach Absätzen, Ziffern oder Buchstaben zu differenzieren. Die in Bezug genommene Rechtsgrundlage erschließe sich auch nicht anhand der Wiedergabe etwaiger tatbestandlichen Voraussetzungen. Werde eine falsche Rechtsgrundlage angegeben, könne die streitgegenständliche Gutachtenanforderung im Laufe des Verfahrens nicht auf eine andere, eigentlich zutreffende Rechtsgrundlage gestützt werden. Zudem sei das Gutachten vom 12. Januar 2017 nicht geeignet, die Überprüfungsanordnung zu stützen, denn es berufe sich auf Sachverhalte, die von der Fahrerlaubnisbehörde nicht berücksichtigt werden dürften, weil sie nicht den Voraussetzungen des § 2 Abs. 12 StVG entsprächen. Gleiches gelte für den Sachverhalt vom 17. September 2017. Überdies sei die vorgenommene Anordnung gemäß § 13 Nr. 2e FeV nur zulässig, wenn eine Alkoholabhängigkeit oder Alkoholmissbrauch feststünden. An einer solchen Feststellung fehle es hier. In dem Gutachten vom 19. Januar 2017 werde explizit dargelegt, dass es einer medizinisch-psychologischen Untersuchung bedürfe, um zu klären, ob eine Alkoholabhängigkeit vorliege. Die Frage sei also gerade offen gewesen.
Die Klägerin stellt den Antrag,
Ziffer 2 des Bescheides des Landkreises Fulda vom 10. Oktober 2017 (……..) aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie führt an, von der Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens sei zunächst Abstand genommen worden, weil über die Klägerin nichts weiteres Nachteiliges bekannt geworden sei. Der Vorfall am 17. September 2017 in Hünfeld, bei dem die Klägerin alkoholisiert und verwirrt aufgegriffen worden sei, habe jedoch aktuelle Hinweise darauf geliefert, dass Zweifel an ihrer Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bestünden. Die ursprüngliche ärztliche Untersuchung vom 12. Januar 2017 habe diesbezüglich aufgrund der beschränkten Untersuchungsmöglichkeiten keine abschließende Beurteilung erlaubt.
Die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens sei jedoch bis heute nicht durchgesetzt worden, weil die Klägerin seit dem 1. November 2017 erkrankt sei und hierüber entsprechende Nachweise vorgelegt habe.
Die Kostenentscheidung sei der Höhe nach gerechtfertigt, weil sich die Gebühr im vorgegebenen Kostenrahmen bewege. Sie betrage nämlich nur 23 € zzgl. 3,50 € als Auslagen für die Zustellung.
Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 21. Februar 2019 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Behördenvorgänge, die Gerichtsakte und das Protokoll der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Gem. § 6 Abs. 1 VwGO entscheidet vorliegend nach Übertragung durch die Kammer der Einzelrichter.
Die Klage ist zulässig.
Insbesondere wurde die Klagefrist, welche gem. § 74 VwGO einen Monat ab Bekanntgabe des angegriffenen Verwaltungsaktes beträgt, eingehalten. Die Klageschrift ging am 13. November 2017 bei Gericht ein. Der streitgegenständliche Bescheid ging dem Bevollmächtigten der Klägerin ausweislich der Zustellungsurkunde (Bl. 80 der Verwaltungsvorgänge) am 12. Oktober 2017 zu. Gemäß §§ 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. 222 ZPO und § 193 BGB ist für den Ablauf der Frist, welcher grundsätzlich auf den 12. November 2017 gefallen wäre, stattdessen auf den nächsten Werktag, den 13. November 2017 abzustellen, weil es sich beim 12. November um einen Sonntag handelte.
Genauso verhielt es sich hinsichtlich der am 16. April 2018 zugegangenen Betreibensaufforderung zur Begründung der Klage gem. § 92 Abs. 2 VwGO. Die zweimonatige Frist lief, da der der 16. Juni 2018 ein Samstag war, erst am 18. Juni 2018 ab, dem Tag des Eingangs der Klagebegründung.
Die Klage ist auch begründet. Die angegriffene Kostenfestsetzung im Bescheid vom 10. Oktober 2017 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Der Beklagte hat seine Kostenentscheidung zutreffend auf § 6a Straßenverkehrsgesetz (StVG) i. V. m. mit der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) und der Gebührennummer 208 der Anlage zu § 1 GebOSt gestützt.
Nach § 6a Abs. 1 Nr. 1a StVG werden Kosten für Amtshandlungen nach diesem Gesetz und den auf diesem Gesetz beruhenden Rechtsvorschriften erhoben. § 6a Abs. 2 StVG ermächtigt dazu, die gebührenpflichtigen Amtshandlungen sowie die Gebührensätze für die einzelnen Amtshandlungen durch Rechtsverordnung zu bestimmen. Gemäß § 6a Abs. 3 S.1 StVG findet im Übrigen das Verwaltungskostengesetz (VwKostG) Anwendung. Nach § 1 Abs. 1 der auf § 6a Abs. 2 und Abs. 3 StVG gestützten GebOStV ergeben sich die gebührenpflichtigen Tatbestände und die Gebührensätze aus dem der Gebührenordnung als Anlage beigefügten Gebührentarif für Maßnahmen in Straßenverkehr. Auslagen für die Zustellung können gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 GebOStV gegenüber dem Gebührenschuldner geltend gemacht werden.
Die Nr. 208 Gebührentarif sah zum Zeitpunkt der Erhebung der Gebühr bei einer Anordnung von Maßnahmen zur Vorbereitung der Entscheidung über die Entziehung oder die Einschränkung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Auflagen nach der FeV eine Verwaltungsgebühr zwischen 12,80 und 25,60 € vor.
Anders als von der Klägerin angeführt, die fälschlicherweise nicht zwischen Gebühren und Auslagen trennt, bewegt sich die von dem Beklagten erhobene Gebühr innerhalb des genannten Gebührenrahmens. Die veranschlagten Kosten i. H. v. 26,50 € setzen sich zusammen aus Auslagen für die Zustellung i. H. v. 3,50 € und Gebühren für die Beibringungsanordnung i. H. v. 23 €. Letztgenannter Betrag unterschreitet die vorgesehene Verwaltungshöchstgebühr um 2,60 €. Dass das Ermessen hinsichtlich der Gebührenhöhe entgegen der ständigen behördlichen Praxis und fehlerhaft ausgeübt worden wäre, ist nicht ersichtlich.
Die Kostenfestsetzung erfolgte auch gegenüber dem richtigen Kostenschuldner i. S. d. § 4 Abs. 1 Nr. 1 GebOStV, wonach zur Zahlung verpflichtet ist, wer die Amtshandlung veranlasst oder zu wessen Gunsten sie vorgenommen wird.
Der Landkreis Fulda war Kostengläubiger gem. § 3 Abs. 1 GebOStV,da er der Rechtsträger ist, dessen Stelle die Anordnung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens vornahm.
Über die gebührenrechtliche Kontrolle im engeren Sinn hinaus ist im vorliegenden Fall auch eine Inzidentkontrolle der Rechtmäßigkeit der zugrunde liegenden Amtshandlung – der Anordnung, ein medizinisch-psychologischen Gutachten vorzulegen – vorzunehmen.
Teilweise wird eine solche Inzidentprüfung nur dann als erforderlich angesehen, wenn keine abschließende Sachentscheidung in Form einer Entziehung der Fahrerlaubnis ergeht, gegen die sich der Betroffene wenden kann (OVG Lüneburg, Beschluss vom 04.12.2006 – 12 LA 426/05 –, juris Rn. 9; VG Würzburg, Urteil vom 30.07.2003 – W 6 K 02.724 –, juris Rn. 23). Zu beachten ist insoweit, dass die Anordnung der medizinisch-psychologischen Untersuchung nicht selbstständig anfechtbar (und damit gerichtlich überprüfbar) ist (dazu: BVerwG, Urteil vom 28.11.1969 – VII C 18.69 –, BVerwGE 34, 248-252).
Nach anderer Ansicht darf mit Blick auf § 14 Abs. 2 S. 1 VwKostG, der über § 6a Abs. 3 StVG Anwendung findet, eine Gebühr, die auf die genannten Rechtsgrundlagen gestützt wird, nur erhoben werden, wenn die Amtshandlung rechtmäßig war (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 12.12.2016 – 10 S 2406/14 –, juris Rn. 26 m. w. N.).
Vorliegend dürfte die zweitgenannte Ansicht vorzugswürdig sein. Letztlich kann dies aber offen bleiben, da die Klägerin seit vielen Monaten Atteste vorlegt, wonach sie arbeitsunfähig sei und folglich auch nach der erstgenannten Ansicht mangels einer abschließenden Sachentscheidung eine Überprüfung der Amtshandlung vorzunehmen ist.
Die Anordnung der medizinisch-psychologischen Untersuchung ist rechtswidrig. Sie beruht auf den §§ 46 Abs. 3 FeV i. V. m. § 13 FeV.
Danach kann unter den Voraussetzungen des § 13 FeV die Beibringung eines Gutachtens gefordert werden, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist.
Die Rechtmäßigkeit des vorliegenden Bescheides scheitert bereits daran, dass dort mit § 13 Nr. 2e) FeV die falsche Rechtsgrundlage genannt wurde.
Die Behörde muss zwar grundsätzlich nicht die Rechtsgrundlage nennen. Tut sie dies jedoch, muss diese Angabe grundsätzlich zutreffen (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 24.08.2010 – 11 CS 10.1139 –, juris Rn. 56; Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Gerichtsbescheid vom 14.10.2014 – 3 A 254/13 –, juris Rn. 22). Die Pflicht, eine Gutachtensanforderung zu begründen, dient dazu, dem Adressaten ein Urteil darüber zu ermöglichen, ob das behördliche Verlangen mit der Rechtsordnung in Einklang steht oder ob er die Gutachtensvorlage verweigern darf, ohne befürchten zu müssen, dass ihm die Fahrerlaubnis unter Berufung auf § 11 Abs. 8 FeV entzogen wird. Außerdem muss der Betroffene aufgrund der Darlegungen der Fahrerlaubnisbehörde in der Lage sein, sich darüber schlüssig zu werden, ob er dieser Forderung – auch für den Fall ihrer Rechtmäßigkeit – im Hinblick auf die körperlichen Eingriffe und die Exploration seiner Persönlichkeit, wie sie mit einer Eignungsbegutachtung einhergehen können, nachkommen will. Diese Zwecke vermag die Begründung der Gutachtensanforderung nur erfüllen, wenn sich der Adressat auf die darin enthaltenen Angaben verlassen kann. Das gilt umso mehr, als ihm kein rechtliches Mittel zur Verfügung steht, um die Berechtigung der an seiner Fahreignung angemeldeten Zweifel und die Berechtigung der Gutachtensanforderung vor dem Erlass einer Entziehungsverfügung verbindlich klären zu lassen. Deshalb können die Anforderungen an eine formell und materiell rechtmäßige Aufforderung nicht durch Überlegungen des Inhalts relativiert werden, „der Betroffene werde schon wissen, worum es gehe“ (BVerwG, Urteil vom 05.07.2001 – 3 C 13/01 –, juris; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, aaO; Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, aaO).
Im streitgegenständlichen Bescheid vom 10. Oktober 2017 wird zwar in der Begründung u. a. darauf hingewiesen, aufgrund des vorliegenden Gutachtens und der aktuellen Auffälligkeiten würden sich Hinweise auf eine Alkoholabhängigkeit finden, Als einzige konkrete Grundlage der Entscheidung wird aber § 13 Nr. 2e FeV genannt, im Übrigen wird stets nur pauschal auf § 13 FeV verwiesen. Vorliegend ergibt sich aus den sonstigen Umständen zwar, dass auch der Beklagte seine Entscheidung scheinbar nicht auf § 13 Nr. 2e FeV stützen wollte, denn Voraussetzung hierfür wäre ein in der Vergangenheit bestehender Alkoholmissbrauch bzw. eine Abhängigkeit und deren mögliche Überwindung, wofür es keine Anhaltspunkte gibt. Welches aber die Rechtsgrundlage ist, auf die sich der Beklagte tatsächlich stützt, lässt sich auch durch Auslegung nicht hinreichend klar ermitteln und genannt wird allein § 13 Nr. 2e) FeV. Vor dem Hintergrund des Vorgenannten führt dieser (im Widerspruchsverfahren) nicht heilbare Begründungsmangel (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 24.08.2010 – 11 CS 10.1139 –, juris Rn. 60) zur Rechtswidrigkeit.
Unabhängig davon hätte der Beklagte seine Aufforderung aber auch nicht rechtmäßigerweise auf eine andere Rechtsgrundlage stützen können, insbesondere nicht auf § 13 Nr. 1 oder Nr. 2a) FeV. Dort ist geregelt, dass die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen bezüglich der Fahrerlaubnis anordnet, dass
1.ein ärztliches Gutachten (§ 11 Absatz 2 Satz 3) beizubringen ist, wenn Tatsachen die Annahme von Alkoholabhängigkeit begründen, oder
2.ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn
a)nach dem ärztlichen Gutachten zwar keine Alkoholabhängigkeit, jedoch Anzeichen für Alkoholmissbrauch vorliegen oder sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen.
Der Beklagte hat vorliegend die Voraussetzungen von § 13 Nr. 1 und Nr. 2a) Alt. 1 FeV in unzulässigerweise miteinander vermengt. Nr. 1 gilt dem eindeutigen Wortlaut nach nur bei Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit. Dabei handelt es sich um eine Krankheit, weshalb eine medizinisch-psychologische Untersuchung nicht erforderlich ist. Die Fahreignung entfällt vielmehr unabhängig von Fragen der Straßenverkehrsteilnahme, so dass die konkreten Tatsachen, die auf die Alkoholabhängigkeit hindeuten, auch keinen Bezug zum Straßenverkehr haben müssen (Koehl in: Haus/ Krumm/ Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Auflage 2017, § 13 FeV Rn. 4, 6).
Auf Grundlage von § 13 Nr. 1 FeV durfte der Beklagte daher – wie er es in der Vergangenheit bereits getan hat, nur ein ärztliches Gutachten zur Frage der Alkoholabhängigkeit einholen, aber kein medizinisch-psychologisches Gutachten, wie es vorliegend angeordnet wurde. Dieses kann gem. § 13 Nr. 2a) Alt. 1 FeV angeordnet werden, wenn nach dem ärztlichen Gutachten Anzeichen für Alkoholmissbrauch vorliegen. Ein solches ergibt sich aus dem ärztlichen Gutachten vom 19. Januar 2017 aber nicht. Alkoholmissbrauch ist begrifflich von der beschriebenen Alkoholabhängigkeit zu unterscheiden und liegt vor, wenn das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können (Koehl in: Haus/ Krumm/ Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Auflage 2017, § 11 FeV Rn.17). Es müssen also zur Erfüllung des Tatbestands Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Betroffene zukünftig den Genuss von Alkohol und das Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr nicht trennen wird (Koehl in: Haus/ Krumm/ Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Auflage 2017, § 13 FeV Rn.12). Liegen sowohl Hinweise auf Alkoholabhängigkeit als auch auf -missbrauch vor, ist aus Verhältnismäßigkeitsgründen zunächst nur ein ärztliches Gutachten anzuordnen, welches das Bestehen von Alkoholabhängigkeit klärt, wobei die Fahrerlaubnisbehörde die Fragestellung aber auch so formulieren kann, dass für den Fall der Verneinung von Alkoholabhängigkeit mitgeklärt wird, ob aus ärztlicher Sicht Anzeichen für Alkoholmissbrauch bestehen (Koehl in: Haus/ Krumm/ Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Auflage 2017, § 13 FeV Rn.27).
Dies hat der Beklagte vorliegend gerade nicht getan, sondern eine Fragestellung vorgegeben, welche allein die Frage der Alkoholabhängigkeit der Klägerin klären sollte, wobei eine solche nach Angaben der Gutachterin aufgrund ihrer bagatellisierenden Angaben und der fehlenden Offenheit im Gespräch nicht sicher festgestellt werden konnte, weil lediglich zwei der sechs Kriterien, von denen mindestens drei parallel vorhanden sein müssen, um eine Alhoholabhängigkeit zu diagnostizieren, vorlagen. Zwar wurde in dem Gutachten eine medizinisch-psychologische Untersuchung zur Klärung der „Alkoholabhängigkeit“ empfohlen. Entsprechend der vorgegebenen Fragestellung ließ sich das Gutachten aber nicht zur Frage des Alkoholmissbrauchs der Klägerin ein.
Eine auf § 13 Nr. 2a Alt. 2 FeV gestützte Anordnung, die sich auf die geschilderten Sachverhalte stützt, scheidet ebenfalls aus. In Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen allein die Vorfälle vom 02 März 2016, in der die Klägerin während der Fahrt trank und vom 04. November 2016, in der eine leere Jägermeisterflasche auf dem Beifahrersitz des Fahrzeuges der Klägerin lag. Da die Klägerin beim ersten Vorfall nur eine gesetzlich grundsätzlich erlaubte Alkoholkonzentration von 0,3 Promille aufwies und die Klägerin beim zweiten Vorfall nicht fahrend beobachtet wurde, dürfte dies den Anforderungen nicht genügen, zumal die Vorschrift eng auszulegen ist und eine nachvollziehbare Darlegung, warum die Teilnahme am Straßenverkehr nach Alkoholkonsum zu erwarten ist, erfordert (Hahn/ Kalus in: MüKo zum StVR, 1. Auflage 2016, § 13 FeV Rn. 32; Koehl in: Haus/ Krumm/ Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Auflage 2017, § 13 FeV Rn.13).
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