Das OLG Stuttgart hat sich in seiner Entscheidung vom 6.11.2018 (1 Rb 25 Ss 1157/18) eingehend mit der Bemessung der Geldbuße bei unerlaubter Nutzung eines “auf dem Schoß“ eines im Außendienst beschäftigten Fahrers platzierten Laptops befasst und die vom Amtsgericht ursprünglich verhängte Geldbuße auf die Regelbuße reduziert.
Diesbezüglich stellte das OLG maßgeblich darauf ab, dass Hinblick auf den Wortlaut des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO die (rechtswidrige) Benutzung eines elektronischen Gerätes beim Führen eines Kraftfahrzeugs für den Tatbestand des § 23 Abs. 1a StVO konstitutiv sei und deshalb durch das Doppelverwertungsverbot vom Bußgeldbemessungsakt ausgeschlossen werde.
Aus den Entscheidungsgründen:
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Das Amtsgericht Tübingen hat durch das im Beschlusstenor bezeichnete Urteil gegen den Betroffenen wegen „vorsätzlicher unerlaubter Nutzung eines elektronischen Gerätes“ eine Geldbuße von EUR 150,– festgesetzt. Zum festgestellten Sachverhalt heißt es in der Entscheidung u.a. wie folgt:
„Am 21.02.2018 fuhr der Betroffene mit einem Firmenfahrzeug des Herstellers Volkswagen (…) in Tübingen auf der Kelternstraße in Richtung Stadtmitte. An der Kreuzung (…) befindet sich eine Lichtzeichenanlage. Als sich der Betroffene der Lichtzeichenanlage näherte, zeigte die Lichtzeichenanlage für die Fahrtrichtung des Betroffenen rot, weshalb er an der Lichtzeichenanlage anhielt. Während des Annäherungsvorgangs und auch noch beim Stand an der Ampelanlage hielt der Betroffene die linke Hand als Lenkrad, während er die rechte Hand an ein Laptop geführt hatte, das er auf dem Schoß abgelegt hatte. Schon bei Anfahrt an die Ampelanlage hatte er seinen Blick auf das Laptop gerichtet. Er kommunizierte über (…) `Microsoft Outlook´. Er war so auf die Kommunikation fixiert, daß er nicht bemerkte, wie ihn Zeugen (…) aus nächster Nähe beobachteten. (…)“
Zur Begründung seiner Rechtsfolgenentscheidung hat der Tatrichter (u.a.) unter Bezugnahme auf den durch § 24 StVG eröffneten Bußgeldrahmen Folgendes ausgeführt:
„(…) Der Bußgeldkatalog sieht in Ziffer 246.1 eine Regelbuße von 100,00 Euro vor. Im vorliegenden Fall weicht das Gericht von der Regelbuße ab. Der Betroffene hat ein relativ großes Gerät, einen Laptop, benutzt. § 23 Abs. 1a StVO hat historisch insbesondere den Verstoß des Telefonierens erfasst. Erst 2017 wurde die Vorschrift geändert und auch andere elektronische Geräte in den Anwendungsbereich der Vorschrift einbezogen. Telefone, auch Mobiltelefone, sind deutlich kleinere Geräte als ein Laptop, die sich auch einfacher bedienen lassen. Die Geldbuße ist zwar 2017 erhöht worden, gleichwohl war das Leitbild das Mobiltelefon oder Smartphon und nicht ein Laptop mit einem größeren Aufgaben- und Anwendungsbereich. So ist die Überschrift über die Neufassung des § 23 StVO in der Gesetzesbegründung plakativ mit `Handy´ gewählt (…). Dieser alltagssprachliche Begriff wird eher für kleine Geräte verwendet, nicht für Laptops. Der Unwertgehalt der Tat erscheint dem Gericht größer, wenn der Betroffene ein Laptop und nicht lediglich ein `Handy´ benutzt. (…)“
Mit Schriftsätzen seines Verteidigers vom 30. August 2018 und 4. Oktober 2018 hat der Betroffene die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt und die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Er macht insbesondere geltend, dass der Tatrichter die Art und Größe des in Rede stehenden elektronischen Gerätes rechtsfehlerhaft bei der Bemessung der Geldbuße zu seinen Ungunsten berücksichtigt habe.
Mit Beschluss vom 16. November 2018 hat der befasste Einzelrichter die Rechtsbeschwerde zugelassen und die Sache nach § 80a Abs. 3 Satz 1 OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
II.
Die nach § 79 Abs. 1 Satz 2 OWiG zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat im Rechtsfolgenausspruch auch teilweisen Erfolg: Der Tatrichter hat zur Begründung der bezeichneten Abweichung von dem (in der Bußgeldkatalog-Verordnung, kurz: BKatV) als Sanktion für den in Rede stehenden Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO vorgesehenen Bußgeldregelsatz ein (bereits) vom Tatbestand der entsprechenden gesetzlichen Vorschrift erfasstes Merkmal herangezogen. Insoweit ist daher ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 46 Abs. 3 StGB analog), das im Recht der Ordnungswidrigkeiten auch bei der Entscheidung, ob von einem Regelsatz der BKatV abgewichen werden darf/kann, gilt, gegeben. Die im Bußgeldkatalog (kurz: BKat; Anlage zu § 1 Abs. 1 BKatV) bestimmten Bußgeldregelsätze gehen von gewöhnlichen Tatumständen aus (§ 1 Abs. 2 Satz 2 BKatV); Abweichungen von entsprechenden Regelbußen setzen mithin besondere Umstände voraus, die in vorliegender Sache nicht gegeben sind. Hierzu im Einzelnen:
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Nach § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO darf ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, vom Führer eines Fahrzeugs nur unter eingeschränkten, gesetzlich normierten Voraussetzungen benutzt werden. Im Zuge der Neufassung der entsprechenden Regelung durch die 53. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 6. Oktober 2017 wurde das bis dahin geltende „Handyverbot“ – unter Zugrundlegung eines technikoffenen Ansatzes – auf sämtliche technischen Geräte der Kommunikations-, Informations- und Unterhaltungselektronik ausgeweitet und explizit klargestellt, dass die in Rede stehende Vorschrift auch für „tragbare Flachrechner“ gilt (§ 23 Abs. 1a Satz 2 StVO). Neben sogenannten Tablets (Tabletcomputern bzw. Tablet-PCs) erfasst diese Begrifflichkeit auch elektronische Geräte, die als „Laptop“, d.h. tragbare (Personal-)Computer (Mobil-/Klapprechner, Note-/Netbooks etc.) bezeichnet bzw. umschrieben werden.
Korrespondierend hierzu heißt es unter Bezugnahme auf § 23 Abs. 1a StVO in Nr. 246 und Nr. 246.1 BKat unter der Rubrik „Sonstige Pflichten von Fahrzeugführenden“ wie folgt: „Elektronisches Gerät rechtswidrig benutzt beim Führen eines Fahrzeugs“.
Die (rechtswidrige) Benutzung eines elektronischen Gerätes beim Führen eines (Kraft-)Fahrzeugs ist für den Tatbestand des § 23 Abs. 1a StVO konstitutiv und wird deshalb durch das Doppelverwertungsverbot vom Bußgeldbemessungsakt ausgeschlossen.
Die unterschiedslose Erfassung elektronischer Geräte belegt, dass Merkmale wie z.B. Größe und Gewicht oder der „Aufgaben-und Anwendungsbereich“ des betreffenden Gegenstandes ohne Hinzutreten weiterer, besonderer Umstände nicht geeignet sind, eine Erhöhung des Bußgeldregelsatzes zu rechtfertigen. Klarstellend bemerkt der Senat hierzu weiter Folgendes: Dass ein elektronisches Gerät während der unerlaubten Benutzung „auf dem Schoß“ des Fahrzeugführers platziert war, stellt keine entsprechende Besonderheit dar, da es einen allgemeinen Erfahrungssatz dahingehend, dass die Benutzung eines solchermaßen positionierten elektronischen Geräts die von § 23 Abs. 1a StVO in den Blick genommene Gefahrenlage für die Verkehrssicherheit (zwingend) weiter erhöht, nicht gibt. Schließlich ist auch der pauschale Hinweis des Tatrichters auf die berufliche Tätigkeit des Betroffenen als „Außendienstmitarbeiter“ und die hierauf – ohne jedwede weitere Konkretisierung – gestützte Mutmaßung, dieser sei infolgedessen „besonders anfällig für (…) Verstöße“ gegen § 23 Abs. 1a StVO, nicht geeignet, die (vorgenommene) Regelsatz-Abweichung tragfähig zu begründen.
Bei dieser Sachlage sind die vom Tatrichter zur Begründung der zu Ungunsten des Betroffenen vorgenommenen Regelsatz-Änderung angeführten Erwägungen als rechtsfehlerhaft zu beurteilen.
Da im angefochtenen Urteil keine konkreten, ein Abweichen vom Bußgeldregelsatz zulassende Umstände festgestellt sind und ferner auszuschließen ist, dass derartige Feststellungen noch getroffen werden können, hat der Senat gemäß § 79 Abs. 6 OWiG die Entscheidung im Rechtsfolgenausspruch abgeändert und die gegen den Betroffenen festgesetzte Geldbuße auf den in Nr. 246.1 BKat bestimmten Betrag (EUR 100,–) ermäßigt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 4 StPO.
OLG Stuttgart Beschluß vom 16.11.2018, 1 Rb 25 Ss 1157/18