Wird die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gem. § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO erst nach Beendigung des Rechtsstreits und nach Ablauf einer vom Gericht gesetzten Nachfrist eingereicht, kann Prozesskostenhilfe regelmäßig nicht mehr bewilligt werden.
Diesen Leitsatz hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg zu seinem Beschluß vom 19.1.2021 (3 Ta 1/20) aufgestellt und die vorhergehende Entscheidung des Arbeitsgerichts, das den Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe wegen verspäteter Vorlage des PKH-Formulars zurückgewiesen hatte, bestätigt.
Die Entscheidungsgründe im Volltext:
I. Am 21. Juli 2020 reichte der Prozessbevollmächtigte des Klägers für diesen Klage beim Arbeitsgericht Ulm ein und beantragte, dem Kläger für die angekündigten Anträge Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung zu bewilligen. Im Gütetermin vom 14. September 2020 schlossen die Parteien ausweislich des Sitzungsprotokolls (Bl. 46 f. d. ArbG-Akte) einen Vergleich, mit dem der Rechtsstreit erledigt wurde. Im Sitzungsprotokoll ist sodann noch festgehalten: „Dem Kläger wird nachgelassen, noch fehlende Prozesskostenhilfeerklärung nebst entsprechender Belege zur Akte nachzureichen bis 30.09.2020. Es wird darauf hingewiesen, dass für den Fall, dass innerhalb der Frist die Unterlagen nicht eingehen, mit einer Zurückweisung der Prozesskostenhilfe insoweit zu rechnen ist (§ 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO).“ Das Güteterminsprotokoll ging dem Klägervertreter am 7. Oktober 2020 zu. Am 9. Oktober 2020 reichte er eine Erklärung des Klägers über dessen persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse nebst Anlagen beim Arbeitsgericht ein. Mit auf den 8. Oktober 2020 datiertem, dem Klägervertreter am 23. Oktober 2020 zugestelltem Beschluss (Bl. 52 f. d. ArbG-Akte) wies das Arbeitsgericht den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers mit der Begründung zurück, dass der Kläger trotz Nachfristsetzung keine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zur Akte gereicht habe. Der hiergegen am 27. Oktober 2020 eingelegten sofortigen Beschwerde des Klägers hat das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 30. November 2020 (Bl. 60 d. ArbG-Akte) nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg zur Entscheidung vorgelegt. II. Die gem. § 11a Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und damit zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist unbegründet. 1. Prozesskostenhilfe kann erst von dem Zeitpunkt an bewilligt werden, in dem die notwendigen Unterlagen, insbesondere die Formularerklärung nach § 117 Abs. 2 und Abs. 4 ZPO, bei Gericht eingereicht sind. Wurde der Antrag vor Ende der Instanz gestellt, sind aber die hierfür erforderlichen Unterlagen erst nach Instanzende eingereicht worden, kann Prozesskostenhilfe grundsätzlich nicht mehr bewilligt werden. Der Grund liegt darin, dass Prozesskostenhilfe die Führung eines laufenden Prozesses ermöglichen soll und dieser Zweck im Allgemeinen nicht mehr zu erreichen ist, wenn der Prozess auch ohne Bewilligung der Prozesskostenhilfe durchgeführt und bereits abgeschlossen ist (OLG Karlsruhe 6. Oktober 2003 – 16 WF 161/03 – FamRZ 2004, 1217). Prozesskostenhilfe kann ausnahmsweise noch nach Instanzende mit Rückwirkung gewährt werden, wenn der Antragsteller die erforderlichen Unterlagen mit Zustimmung des Gerichts erst nach Beendigung des Hauptsacheverfahrens nachgebracht hat (BAG 3. Dezember 2003 – 2 AZB 19/03 – MDR 2004, 415). Auch wenn für diese gerichtliche Praxis, auch noch nach Instanzende die Nachreichung einer Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zuzulassen, eine gesetzliche Grundlage fehlt (Schürmann in: Rehm/Künkel, Handbuch Familien- und Familienverfahrensrecht, Formelle Voraussetzungen der VKH-Gewährung, Rn. 32), kann die bedürftige Partei infolge der Nachfrist darauf vertrauen, dass über ihr Prozesskostenhilfegesuch auch nach Verfahrens- oder Instanzbeendigung noch gegebenenfalls positiv entschieden wird, d.h. durch die Fristgewährung wird ein Vertrauenstatbestand geschaffen (LAG Hamm 14. Juni 2019 – 14 Ta 566/18 – NZA-RR 2019, 436). Dieser Vertrauenstatbestand endet jedoch mit dem Ablauf der gesetzten Nachfrist (LAG Hamm 2. November 2009 – 14 Ta 109/09 – juris). Werden fehlende Unterlagen erst nach deren Ablauf eingereicht, kommt eine rückwirkende Bewilligung der Prozesskostenhilfe nicht mehr in Betracht (BAG 3. Dezember 2003 – 2 AZB 19/03 – a.a.O.; LAG Köln 1. Februar 2019 – 1 Ta 1/19 – juris). 2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Arbeitsgericht den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers zu Recht abgelehnt. Der Kläger hat die gem. § 117 Abs. 4 ZPO erforderliche Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dem Arbeitsgericht am 9. Oktober 2020 vorgelegt. Der Rechtsstreit wurde bereits am 14. September 2020 durch den im Gütetermin geschlossenen Vergleich beendet. Die nach Protokollierung des Vergleichs, aber noch vor Beendigung der mündlichen Verhandlung (BAG 16. Februar 2012 – 3 AZB 34/11 – NZA 2012, 1390) seitens des Arbeitsgerichts gesetzte Nachfrist endete am 30. September 2020 und somit vor Einreichung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Unerheblich für den Fristablauf ist, wann das Sitzungsprotokoll des Gütetermins, in dem eine Fristsetzung verkündet wurde, dem Klägervertreter zuging. Weiterhin ist auch unerheblich, dass der auf den 8. Oktober 2020 datierte arbeitsgerichtliche Beschluss, mit dem der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen wurde, ausweislich des „Ab-Vermerks“ der Geschäftsstelle (Bl. 54 d. ArbG-Akte) erst am 23. Oktober 2020 versandt wurde und somit erst an diesem Tag rechtlich existent (vgl. BGH 5. Februar 1954 – IX ZB 3/54 – BGHZ 12, 248, 252) wurde. Es kann auch dahingestellt bleiben, wie der Fall einer schuldlos versäumten Nachfrist zu bewerten wäre (hierzu LAG Hamm 14. Juni 2019 – 14 Ta 566/18 – a.a.O.). Hierauf hat sich der Kläger nicht berufen. Ein etwaiges Verschulden seines Prozessbevollmächtigten an der Fristversäumung wäre ihm nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen (BGH 12. Juni 2001 – XI ZR 161/01 – BGHZ 148, 66). III. 1. Die Entscheidung musste durch den Vorsitzenden allein (§ 78 Satz 3 ArbGG) und konnte ohne mündlichen Verhandlung ergehen (§ 78 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 572 Abs. 4, 128 Abs. 4 ZPO).10 2. Die Festsetzung eines Gebührenstreitwertes war im Hinblick auf das Vorhandensein einer Festgebühr gem. der Gebührentatbestandsnummer 8614 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG, die gem. § 1 Abs. 2 Nr. 4 GKG auf das arbeitsgerichtliche Verfahren Anwendung findet, nicht erforderlich. 3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. den §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor.12 4. Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 78 Satz 1 und 2 ArbGG). |