Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen. Die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ist dabei ein wesentlicher Indikator für das Vorliegen beider Elemente des bedingten Tötungsvorsatzes.
Hinsichtlich des Willenselements sind neben der konkreten Angriffsweise regelmäßig auch die Persönlichkeit des Täters, sein psychischer Zustand zum Tatzeitpunkt und seine Motivation mit in die erforderliche umfassende Gesamtbetrachtung einzubeziehen.
Bei einer äußerst gefährlichen Gewalthandlung, die insbesondere anzunehmen ist, wenn der Täter auf das Tatopfer mit einer scharfen Schusswaffe schießt
liegt es zwar nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne dabei zu Tode kommen, und dass er, weil er gleichwohl sein gefährliches Handeln beginnt oder fortsetzt, einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt.
Dies enthebt den Tatrichter indes nicht von der Verpflichtung, die subjektive Tatseite unter Berücksichtigung aller für und gegen sie sprechenden Umstände sorgfältig zu prüfen.
Dies hat der BGH in seiner Entscheidung vom 25. April 2018 (2 StR 428/17) festgestellt und die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des landgerichts Frankfurt verworfen.
Dies wird in den Entscheidungsgründen maßgeblich wie folgt begründet:
[…] Das Landgericht hat sich insbesondere aufgrund des festgestellten absteigenden Schusskanals und des Umstands, dass der Angeklagte ein geübter Schütze ist, ohne Rechtsfehler die Überzeugung verschafft, dass er gezielt auf die Beine des Tatopfers geschossen und dabei darauf vertraut hat, dass er keine anderen Körperbereiche treffen werde. Es hat – ausgehend von einem zutreffenden Maßstab, der die Gefährlichkeit des Schusswaffeneinsatzes als einen wesentlichen, für die Annahme von bedingtem Tötungsvorsatz sprechenden Umstand ansieht – eine umfassende Gesamtabwägung vorgenommen, in der es alle für die konkrete Tat maßgeblichen Umstände aufgegriffen hat. Insbesondere hat es, dass ein Schuss in den Oberschenkel eines Menschen wegen der Gefahr, dort die Oberschenkelschlagader zu treffen, eine gefährliche Handlung darstellt.
Im Ergebnis kann hier dahinstehen, ob die Erwägung des Schwurgerichts rechtlichen Bedenken ausgesetzt ist, der Angeklagte habe bereits die durch einen Schuss in den Oberschenkel begründete Lebensgefahr nicht erkannt, weil es sich um Spezialwissen handele, über das der Angeklagte nicht verfügt habe. Für die daraus sich ergebende Schlussfolgerung der Strafkammer, es fehle deshalb bereits am kognitiven Element des Tötungsvorsatzes, könnte immerhin sprechen, dass der Angeklagte , unmittelbar nach der Tat auf den Vorwurf eines versuchten Tötungsdelikts angesprochen, darauf hingewiesen hat, nur auf die Beine seines Opfers geschossen zu haben.
Jedenfalls aber hat das Landgericht mit insgesamt tragfähigen Erwägungen das voluntative Element des bedingten Tötungsvorsatzes verneint. Es hat dabei alle maßgeblichen Umstände in seine Gesamtabwägung eingestellt, ohne damit überspannte Anforderungen an die Feststellung des Tötungsvorsatzes zu stellen. Demgegenüber erweist sich das Vorbringen der Revision, das Landgericht habe den Beweiswert offensichtlicher Lebensgefährlichkeit einer Han dlungsweise zu gering veranschlagt, oder auch deren Bewertung der Motivation und des Nachtatverhaltens des Angeklagten weitgehend als eine eigene Würdigung der Umstände, ohne dass damit der Sache nach ein Rechtsfehler aufgezeigt wird. Dies gilt auch für den Gesichtspunkt der alkoholbedingten Enthemmung des Angeklagten. Dass das Landgericht insoweit von einem „vorsatzkritischen“ Umstand ausgegangen ist, ist entgegen der Ansicht der Revisionsführerin nicht zu beanstanden. Zwar kann eine Alkoholisierung geeignet sein, die Hemmschwelle für besonders gravierende Gewalthandlungen herabzusetzen, und damit zu einem Umstand werden, der für die billigende Inkau fnahme eines Todeserfolgs spricht. Eine alkoholische Beeinflussung des Täters zur Tatzeit kann aber durchaus auch dazu führen, dass dieser das in seinem Tun enthaltene Risiko einer Tötung falsch einschätzt (vgl. Senat, Urteil vom 17. Juli 2013 – 2 StR 176/13, NStZ-RR 2013, 341 f.). Erweist sich damit ein Beweisanzeichen – wie hier die alkoholbedingte Enthemmung des Täters (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 2017 – 3 StR 172/17, NStZ 2018, 37, 38 f.) – als ambivalent, ist eine rechtlich vertretbare tatrichterliche Entscheidung darüber, in welchem der möglichen, zueinander in einem Gegensatz stehenden Beweiszusammenhänge ein solcher Umstand im konkreten Fall indizielle Bedeutung entfaltet, vom Revisionsgericht hinzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2012 – 3 StR 158/12, NStZ-RR 2013, 89, 90). Das Landgericht ist – wie sich dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen lässt – davon ausgegangen, dass die Tatbegehung durch den Alkoholgenuss zumindest begünstigt worden ist und der Angeklagte sein Tatopfer ansonsten lediglich geohrfeigt hätte. Dass es daraus nicht den Schluss gezogen hat, er habe in Folge des Alkoholgenusses den möglicherweise tödlichen Ausgang billigend in Kauf genommen, sondern der alkoholbedingten Enthemmung stattdessen eine gegen den Vorsatz sprechende Bedeutung zugemessen hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden.