Die Erteilung von Akteneinsicht sowohl an den Verletzten nach § 406e StPO als auch an Dritte gem. § 475 StPO erfordert zunächst, dass der Antragsteller die Tatsachen schlüssig und substantiiert vortragen muss, aus denen sich ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht ergibt.
In seinem Beschluss vom 19.06.2018 (618 Qs 20/18) hat das Landgericht Hamburg sich eingehend mit den Voraussetzungen der Akteneinsicht durch Verletzte und Dritte auseinandergesetzt und diesen Anspruch im vorliegenden Fall mit der maßgeblichen Begründung der Beschwerdeführer habe zu den Anspruchsvoraussetzungen die aus der Akte jedenfalls nicht direkt ersichtlich seien nicht substantiiert vorgetragen.
Aus den Entscheidungsgründen:
[…]
Der Beschwerdeführer beantragte mit Schreiben vom 09.05.2018 die Gewährung von Akteneinsicht und bat um Übersendung der Akte. Zur Begründung führte er an, Forderungen gegen die A. GmbH zu verfolgen, die zwar bereits tituliert seien, jedoch nicht beigetrieben werden könnten. Er beabsichtige nunmehr, Schadensersatz gegen einige der Angeschuldigten geltend zu machen im Rahmen eines Adhäsionsverfahrens. Die Akteneinsicht sei für die Prüfung der Erfolgsaussichten seines Vorgehens erforderlich.
Das Amtsgericht Hamburg lehnte den Antrag auf Akteneinsicht nach Anhörung der Staatsanwaltschaft sowie der Angeschuldigten mit Beschluss vom 04.06.2018 ab, da ein berechtigtes Interesse nicht ersichtlich sei.
Hiergegen erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 11.06.2018 Beschwerde, die er im Wesentlichen damit begründet, nunmehr bestrebt zu sein, etwaige sich aus einer möglicherweise verschleppten Insolvenz ergebende Schadensersatzforderungen gegen die Angeschuldigten geltend machen zu wollen. Es sei anerkannt, dass die Prüfung insolvenzrechtlicher Schadensersatzansprüche ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 475 StPO darstelle.
Der Beschwerde wurde durch das Amtsgericht nicht abgeholfen.
II.
Die statthafte Beschwerde wurde form- und fristgerecht eingelegt. Die Entscheidung über die Akteneinsicht ist (für den Verletzten) nach § 406e Abs. 1 S. 1, Abs. 4 StPO bzw. (für einen Dritten) nach §§ 475, 478 Abs. 3, jeweils i.V.m. § 304 StPO anfechtbar.
Die Beschwerde war jedoch als unbegründet zu verwerfen. Dem Beschwerdeführer steht ein Recht auf Akteneinsicht weder nach § 406e StPO noch nach § 475 StPO zu.Dabei kann dahinstehen, ob der Beschwerdeführer als Verletzter im Sinne von § 406e Abs. 1 StPO anzusehen ist, denn unter keinem Gesichtspunkt kann ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme in Akten und Beweismittel festgestellt werden.
Die Erteilung von Akteneinsicht sowohl an den Verletzten nach § 406e StPO als auch an Dritte gem. § 475 StPO erfordert zunächst, dass der Antragsteller die Tatsachen schlüssig und substantiiert vortragen muss, aus denen sich ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht ergibt; ein Fall des § 406e Abs. 1 S. 2 StPO liegt erkennbar nicht vor. Zu beachten ist dabei jedoch, dass an die Pflicht zur Substantiierung keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen, da eine konkretisierende Darstellung dem Antragsteller regelmäßig ohne die Kenntnisse aus den Akten, in die er Einsicht begehrt, gerade nicht möglich ist (OLG Köln, Beschluss vom 16.10.2014, 2 Ws 396/14). Bei einem Einsichtsbegehren zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche darf die Akteneinsicht hingegen nicht auf eine Ausforschung hinauslaufen oder einer nach dem Zivilrecht „unzulässigen Beweisgewinnung“ dienen (Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., Rz. 7 zu § 406e).
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes hat der Beschwerdeführer weder Tatsachen schlüssig und substantiiert vorgetragen, aus denen sich ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht ergibt, noch ist ein solches Interesse aus der Akte ersichtlich.
Zwar ist anerkannt, dass die Prüfung der Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche, insbesondere insolvenzrechtlicher Ansprüche gegen einen Beschuldigten, ein berechtigtes Interesse für die Gewährung von Akteneinsicht in Ermittlungsakten darstellt, soweit es nach dem Vorbringen des Gesuchstellers und dem dem Gericht vorliegenden Akteninhalt möglich erscheint, das Bestehen zivilrechtlicher Ansprüche anhand der Akten verifizieren zu können (OLG Köln, Beschluss vom 16. Oktober 2014, III-2 Ws 396/14 m.w.N.).
Der Beschwerdeführer hat jedoch hierzu nicht substantiiert vorgetragen. Der pauschale Verweis darauf, dass etwaige Schadensersatzforderungen aus der verschleppten Insolvenz „gegenüber den Angeklagten, insbesondere gegenüber den Angeklagten zu 1. und zu 4.“ geprüft werden sollen, ist nicht hinreichend. Die nur pauschalen Ausführungen ermöglichen es dem Gericht nicht, eine erforderliche Prüfung, ob die Voraussetzungen einer Auskunftserteilung vorliegen, auf welche Art und Weise gegebenenfalls das insoweit eingeräumte Ermessen auszuüben ist und ob die schutzwürdigen Interessen der Angeschuldigten gegebenenfalls das Auskunftsinteresse überwiegen, durchzuführen. Weitere Ausführungen, etwa dazu weshalb die erbetene Akteneinsicht für den Beschwerdeführer im Rahmen eines etwaigen Zivilverfahrens zur Rechtsverteidigung erforderlich sei, fehlten.Auch aus der Akte selbst ergeben sich keine Anhaltspunkte für ein berechtigtes Interesse des Beschwerdeführers. Zwar erklärt der Antragsteller hierzu, es solle geprüft werden, ob Schadensersatzforderungen gegen einige Angeklagte, insbesondere gegenüber den Angeklagten zu 1. und zu 4., erfolgreich geltend gemacht werden können. Jedoch sind aus der Akte derartige zivilrechtliche Ansprüche im Zusammenhang mit den in dem vorliegenden Verfahren gegenständlichen (möglichen) Straftaten nicht ohne weiteres ersichtlich.
[…]LG Hamburg, Beschluss vom 19.06.2018, 618 Qs 20/18
Insbesondere sind keine Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a InsO ersichtlich, da die Forderung des Beschwerdeführers gegen die A. GmbH bereits über eineinhalb Jahre vor dem Zeitraum der vorgeworfenen Taten rechtskräftig festgestellt wurde. § 15a InsO (als Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB) bezweckt die rechtzeitige Einleitung von Insolvenzverfahren, damit materiell insolvente Gesellschaften ohne persönlich haftende Gesellschafter nicht ohne insolvenzrechtlichen Schutz zu Lasten gegenwärtiger und zukünftiger Gläubiger fortgeführt werden. Altgläubiger, deren Ansprüche bereits vor der Insolvenzreife entstanden sind, können grundsätzlich nur den Quotenschaden aufgrund der letzten Verschleppungsperiode ersetzt verlangen. Der Quotenschaden jedoch ist durch den Insolvenzverwalter geltend zu machen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 06.01.2015, 4 U 598/14; vgl. auch BGH, Urteil vom 22.10.2013, II ZR 394/12). Der mögliche Schadensersatzanspruch des Beschwerdeführers als Altgläubiger in diesem Sinne wäre in Bezug auf § 15a InsO mithin auf den eingetretenen Quotenschaden beschränkt, welchen jedoch nicht er sondern (nur) der Insolvenzverwalter geltend machen darf.
Ebenso ist ein Anspruch des Beschwerdeführers aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 283 StGB nicht ersichtlich. Letzterer normiert den Grundfall der Insolvenzdelikte. Abs. 1 verlangt, dass der Schuldner in einer bestimmten Liquiditätslage, der sogenannten Krise, die Überschuldung, drohende und eingetretene Zahlungsunfähigkeit umfasst, eine in den Nrn. 1–8 aufgeführte Handlung vornimmt. Tatbestandsmäßiges Verhalten besteht aus dem Eintritt der Krise und der Begehung der inkriminierten Handlung durch den Schuldner (Radtke/Petermann, in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl. 2014, Rz.1 zu § 283). Die Strafnorm des Bankrotts zählt zu den in § 823 Abs. 2 BGB angesprochenen Schutzgesetzen (BGH, Urteil vom 25.09.2014, IX ZR 156/12). Der Schutzzweck von § 283 StGB besteht jedoch darin, die Masse im Interesse der gesamten Gläubigerschaft zu sichern (BGH, Urteil vom 04.04.1979, 3 StR 488/78; Heine/Schuster, in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 29. Aufl. 2014, Rz. 2 zu Vor §§ 283 ff.). Auf § 823 Abs. 2 i.V.m. § 283 InsO gestützte Schadensersatzansprüche sind mithin grundsätzlich solche, die ihre Ursache in einer Masseschmälerung haben und deshalb allen Gläubigern zustehen. Daher ist auch insoweit nach § 92 InsO ausschließlich der Insolvenzverwalter und nicht der Beschwerdeführer berechtigt, etwaige Ansprüche geltend zu machen. Hierdurch wird die von § 92 InsO bezweckte Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger gefördert, welche sonst versucht wären, nach dem Prioritätsprinzip ihre Ansprüche gegen dritte Schuldner durchzusetzen (vgl. zum Zweck des § 92 InsO Hirte, in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 14. Aufl. 2015, Rz.1 f. zu § 92).
Schließlich ist auch nicht ersichtlich oder vorgetragen, dass der Beschwerdeführer etwa über die Zahlungsunfähigkeit der GmbH getäuscht und ihm ein Schaden dadurch entstanden ist, dass er durch die Täuschung von einer früheren Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen abgehalten worden ist, wodurch sich gegebenenfalls ein Anspruch nach § 826 BGB oder vertragliche Ansprüche ergeben könnten. Vielmehr trägt der Antragsteller vor, er verfolge die titulierte Forderung – diverse Zwangsvollstreckungsmaßnahmen seien jedoch ergebnislos verlaufen.
Somit erschöpft sich – unabhängig von der Frage der hier nicht mehr zu prüfenden entgegenstehenden schutzwürdigen Interessen der Betroffenen – das Interesse des Beschwerdeführers darin, mögliche Vollstreckungsmöglichkeiten auszuforschen und eine nach dem Zivilrecht „unzulässige Beweisgewinnung“ zu erreichen. Ein Zusammenhang mit den den Angeschuldigten vorgeworfenen Straftaten wurde weder substantiiert vorgetragen noch ist ein solcher ersichtlich.