Unerlaubter Anbau von Betäubungsmitteln steht mit dem zeitgleichen unerlaubten Besitz weiterer Betäubungsmittel, die nicht aus dem Anbau stammen, im Verhältnis der Tateinheit.
Dies hat das OLG Braunschweig in seiner Entscheidung vom 09.11.2021 (1 Ss 56/21) festgestellt und die Entscheidung des Amtsgerichts abgeändert.
Die Entscheidung im Volltext:
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Wolfsburg vom 10. August 2021 dahingehend geändert, dass der Angeklagte wegen unerlaubten Anbaus von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt ist, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seiner Revision zu tragen.
Gründe
Das Amtsgericht Wolfsburg hat den Angeklagten wegen unerlaubten Anbaus von Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln schuldig gesprochen und – unter Berücksichtigung eines Härteausgleichs wegen einer bereits vollstreckten Geldstrafe – eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten gegen ihn verhängt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts züchtete der Angeklagte bis zum 2. Juli 2020 insgesamt vier Cannabispflanzen, deren abgeerntete Dolden und Blätter 8,1 Gramm Cannabis enthielten. Dieses Verhalten hat das Amtsgericht als unerlaubten Anbau von Betäubungsmitteln gewertet und hierfür eine Einzelfreiheitsstrafe von drei Monaten festgesetzt. Zugleich verwahrte der Angeklagte bis zum 2. Juli 2020 insgesamt 20,1 Gramm Amphetamin und weitere 32,8 Gramm Cannabis bei sich, wofür das Amtsgericht eine gesonderte Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln verhängte. Nach Auffassung des Amtsgerichts sei Tatmehrheit anzunehmen, weil der Besitz der letztgenannten Betäubungsmittel nicht aus dem Anbau hervorgegangen sei.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige (Sprung-)Revision des Angeklagten führt in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO zu der aus dem Tenor ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs mit der Folge des Wegfalls der beiden Einzelstrafen, wobei die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe als Einzelstrafe bestehen bleibt.
Die Annahme, der Besitz des Amphetamins (20,1 Gramm) und des Cannabis (32,8 Gramm) stehe zum Anbau des Cannabis in Tatmehrheit, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Besitz unterschiedlicher Betäubungsmittel stellt – wie vom Amtsgericht im Hinblick auf den Besitz der 20,1 Gramm Amphetamin und der 32,8 Gramm Cannabis zutreffend angenommen – nur einen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz dar (Weber, in: Weber/Kornprobst/Maier, Betäubungsmittelgesetz, 6. Auflage 2021, § 29 BtMG Rn. 1393). Dies gilt indes auch dann, wenn Besitz von Betäubungsmitteln mit einer anderen Begehungsvariante des § 29 Abs. 1 BtMG zusammentrifft, die zugleich ebenfalls einen Besitz entsprechender, weiterer Betäubungsmittel begründet; in diesem Fall steht der Besitz der Gesamtmenge an Betäubungsmitteln dann in Tateinheit zu der in Bezug auf eine Teilmenge verwirklichten anderen Begehungsweise (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Februar 2015, 4 StR 516/14, juris, Rn. 5). So liegt der Fall auch hier: In Bezug auf das von der Pflanze getragene Cannabis verwirklichte das Verhalten des Angeklagten auch die Tatbestandsvariante des Besitzes von Betäubungsmitteln, die hinter dem Anbau nur im Konkurrenzwege zurücktritt (vgl. Weber, in: Weber/Kornprobst/Maier, Betäubungsmittelgesetz, 6. Auflage 2021, § 29 BtMG Rn. 120, 1397, 1400). Dass die Betäubungsmittel aus gesondertem Anbau hervorgegangen sind, ist ohne Bedeutung.
Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil der Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen gegen den geänderten Schuldvorwurf hätte verteidigen können.
Die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe kann als Einzelstrafe bestehen bleiben, weil der Senat ausschließen kann, dass das Amtsgericht im Falle der Annahme von Tateinheit auf eine mildere Strafe als sechs Monate Freiheitsstrafe erkannt hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 23. September 1987, 2 StR 473/87, juris, Rn. 3, 4). Der Gesamtunrechts- und -schuldgehalt einer Tat bestimmt sich im Allgemeinen nicht nach der Frage des Konkurrenzverhältnisses (BGH, Beschluss vom 15. September 2021, 5 StR 135/21, juris, Rn. 15 m. w. N.). Das Amtsgericht hat bereits in Bezug auf den Besitz von Betäubungsmitteln eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten verhängt. Auch unter Berücksichtigung des durch das Amtsgericht lediglich in Bezug auf die Gesamtstrafe gewährten Härteausgleichs, den das Amtsgericht im Übrigen nicht hätte vornehmen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 2021, 6 StR 15/21, juris, Rn. 11 f.; BGH, Urteil vom 29. Juli 2021, 3 StR 156/20, juris, Rn. 39), ist auszuschließen, dass es eine noch niedrigere Strafe verhängt hätte, wenn es zutreffend von Tateinheit ausgegangen wäre.
Die weitergehende Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Der lediglich geringfügige Erfolg der Revision lässt es nicht als unbillig erscheinen, den Angeklagten mit den vollen Kosten der Revision und den ihm im Revisionsverfahren entstandenen Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).