Die Auswertung einer dem Antragsteller nach einer Verkehrskontrolle entnommenen Blutprobe ergab folgende Werte: Tetrahydrocannabinol (THC): 3,5 ng/ml, Hydroxy-THC: 1,4 ng/ml sowie Carbonsäure (THCOOH): 38 ng/m.
Bei der Auswertung einer bei einer weitereren Polizeikontrolle entnommenen Blutprobe konnte lediglich das THC-Abbauprodukt Carbonsäure in einer geringen Konzentration von 4,7 ng/ml festgestellt werden.
Die Fahrerlaubnisbehörde hatte hierauf die Fahrerlaubnis entzogen und die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet.
Hiergegen wendete sich der Antragsteller mit der maßgeblichen Begründung, er würde nur gelegentlich Cannabis konsumieren.
Das VG Frankfurt am Main (12 L 2144/18.F) hatte den Antrag als unbegründet abgelehnt.
Dies hat der Verwaltungsgerichtshof Hessen mit Beschluss vom 11.10.2018 (2 B 1543/18) bestätigt.
Der VGH Hessen hat zu seiner Entscheidung folgenden Leitsatz aufgestellt:
Aus den Entscheidungsgründen:
[…]Die gemäß §§ 146, 147 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die angefochtene Verfügung, mit der dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen worden ist, wiederherzustellen. Aus den mit der Beschwerde dargelegten Gründen, die das Beschwerdegericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, ergeben sich keine Gesichtspunkte, die zum Erfolg der Beschwerde führen.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes – StVG – i. V. m. § 46 Abs. 1 Satz 1 der Fahrerlaubnisverordnung – FeV – hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich jemand als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Voraussetzung der Entziehung ist, dass die Nichteignung positiv festgestellt wird.
Die regelmäßige Einnahme von Cannabis führt nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV zur fehlenden Fahreignung, ohne dass eine Verkehrsteilnahme unter dem Einfluss der Droge positiv festgestellt sein muss.Bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis ist nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 FeV das Bestehen der Fahreignung hingegen zu bejahen, wenn eine Trennung von Konsum und Fahren erfolgt und kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen, keine Störung der Persönlichkeit und kein Kontrollverlust vorliegen.
Von einem gelegentlichen Cannabiskonsum ist bereits dann auszugehen, wenn in einem gewissen zeitlichen Zusammenhang, der sich allerdings auch über mehrere Jahre erstrecken kann, mindestens zwei Konsumakte nachgewiesen sind (vgl. Hess. VGH, Beschlüsse vom 21. September 2017 – 2 B 1471/17 – und vom 21. Dezember 2016 – 2 B 2675/16 -; Bay. VGH, Beschluss vom 25. November 2006 – 11 CS 05/1453 -, DAR 2006, S. 349ff.).
Der Antragsteller wurde am 27. September 2017 erstmalig im Rahmen einer Polizeikontrolle angetroffen, als er unter dem Einfluss von Cannabis ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr führte. Die durch das rechtsmedizinische Instituts der Universität Frankfurt durchgeführte Untersuchung der beim Antragsteller entnommenen Blutprobe ergab folgende Werte: Tetrahydrocannabinol (THC): 3,5 ng/ml, Hydroxy-THC: 1,4 ng/ml sowie Carbonsäure (THCOOH): 38 ng/ml. Wegen dieses Vorfalls wurden gegen den Antragsteller ein einmonatiges Fahrverbot sowie eine Geldbuße verhängt. Im Rahmen einer weiteren Polizeikontrolle am 6. Dezember 2017 wurde beim Antragsteller eine ebenfalls eine Blutprobe entnommen Die Analyse dieser Blutprobe ergab dass THC und Hydroxy-THC im Blut nicht nachweisbar waren und lediglich das THC-Abbauprodukt Carbonsäure in einer geringen Konzentration von 4,7 ng/ml festgestellt werden konnte. Aus diesen beiden Vorfällen schloss der Antragsgegner, dass der Antragsteller als gelegentlicher Konsument von Cannabis anzusehen sei und dass es bei ihm an dem nach der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 der FeV erforderlichen Trennungsvermögen fehle. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit dem Argument, dass bezüglich des Trennungsvermögens nicht auf den ersten Vorfall abgestellt werden dürfe, da erst mit dem Vorfall am 6. Dezember 2017 von einem „gelegentlichen“ Konsum auszugehen sei, wohingegen es sich bei dem Vorfall vom 27. September 2017 noch um einen einmaligen Konsumvorgang gehandelt habe. Das Ergebnis der Blutuntersuchung der Blutprobe vom 6. Dezember 2017 zeige, dass der Antragsteller nicht unter dem Einfluss von Cannabis ein Fahrzeug geführt habe und daher zwischen den Konsum der Droge und dem Führen eines Kraftfahrzeugs trenne.
Dem Antragsteller ist zunächst zuzustimmen, dass es für die Beurteilung, ob er als gelegentlicher Konsument von Cannabis anzusehen ist, entgegen den Ausführungen des Antragsgegners im streitgegenständlichen Bescheid und auch des Verwaltungsgerichts in dem angefochtenen Beschluss nicht auf die Feststellungen bei der Kontrolle am 6. Dezember 2017 ankommen kann, zumal entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts (S. 4 des amtlichen Umdrucks des Beschlusses vom 9. Juli 2018, Zeilen 1 – 4) bei der Fahrt am 6. Dezember 2017 aufgrund der festgestellten Blutwerte gerade nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Antragsteller unter dem Einfluss von Cannabis ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt hat. Richtig ist, dass ein fehlendes Trennungsvermögen einem Fahrerlaubnisinhaber erst ab dem Zeitpunkt entgegengehalten werden kann, in dem auch feststeht, dass er mindestens gelegentlich Cannabis konsumiert hat. Der Rückschluss auf einen feststehenden mindestens zweimaligen und damit gelegentlichen Konsum lässt sich hier jedoch aus den Ergebnissen der Analyse der beim Antragsteller am 25. September 2018 entnommenen Blutprobe (vgl. Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Frankfurt vom 11. Oktober 2017) und den eigenen Angaben des Antragstellers gegenüber der Polizei zu seinem Cannabiskonsum ziehen.
Wie der Antragsteller selbst angegeben hat, fand am 23. September 2018 eine Feier anlässlich der Geburt seines Sohnes statt. Zu dieser Feier habe, so der Antragsteller, ein Besucher „Gras“ mitgebracht. Man habe ein bis zwei Joints gedreht und durch die Runde gereicht. Er, der Antragsteller, habe einige Züge genommen. Damit steht nach den eigenen Angaben des Antragstellers ein Konsumakt am 23. September 2018 fest. Die in der Blutprobe vom 25. September 2018 festgestellten Werte in Bezug auf THC und Hydroxy-THC lassen indessen nur den Schluss zu, dass der Antragsteller kurzfristig vor der Polizeikontrolle am 25. September 2018 ein weiteres Mal Cannabis konsumiert haben muss. Dies ergibt sich daraus, dass nach den dem Beschwerdegericht zugänglichen wissenschaftlichen Erkenntnissen (vgl. Tönnes/Auwärter/Knoche/Skopp: Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Feststellung einer mangelhaften Trennung von Cannabiskonsum und Fahren anhand der Konzentration von Tetracannabinol (THC) im Blutserum, Blutalkohol, Bd. 53 (2016), S. 409ff.), insbesondere ein THC-Wert in der beim Antragsteller festgestellten Höhe nur erklärbar ist, wenn wenige Stunden zuvor ein weiterer Konsumakt stattgefunden hat. Wie entsprechende Untersuchungen ergeben haben, beträgt die Wirkungsdauer von Cannabis nur wenige Stunden. Bei einer nach allgemeiner Praxiserfahrung realistischen Konsumeinheit (d.h. 35 mg THC bezogen auf 70 Kg Körpergewicht) hat sich in einer Auswertung kontrollierter Studien ergeben, dass bei einer Mehrzahl der Probanden bereits nach 6 Stunden die festgestellten THC-Werte deutlich unter 1,0 ng/ml lagen. In 95 % der Fälle lagen die Werte unter 1,5 ng/ml. Aus einer an zahlreichen Studienergebnissen überprüften Regressionsformel ergibt sich, dass eine Konzentration von 0,5 ng/ml einem Konsumzeitpunkt von maximal 17,5 Stunden (oberes 95 % Konfidenzintervall) entspricht (vgl. Tönnes /Auwärter/Knoche/Skopp a. a. O. S. 411; in die gleiche Richtung gehend unter Heranziehung weiterer Quellen: Hess. VGH, Beschlüsse vom 17. August 2017 – 2 B 1213/17 -; vom 27. April 2015 – 2 B 223/15 – sowie vom 4. September 2014 – 2 B 1182/14 -). Zwar ist es in seltenen Fällen möglich, dass bei einer als gelegentlich einzustufenden Konsumhäufigkeit auch noch mehr als 24 Stunden nach dem letzten Konsumakt noch THC-Konzentrationen von mehr als 1,0 ng/ml festgestellt werden können, hinreichend wahrscheinlich ist dies jedoch nicht. Dabei nimmt die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ausnahmefalls mit der Höhe der THC-Konzentration im entsprechenden zeitlichen Abstand zum Konsumakt weiter ab. Ein THC-Wert von 3,5 ng/ml, wie er hier in Rede steht, ist schlechterdings zwei Tage nach dem letzten Konsumakt kaum noch vorstellbar. Demgegenüber wurden derartige THC-Konzentrationen von 1,0 ng/ml und darüber nach dem letzten Konsumakt in mehreren Studien bei Personen festgestellt, die regelmäßig Cannabis konsumiert haben (vgl. Tönnes/Auwärter/Knoche/Skopp a. a. O.). Zugunsten des Antragstellers geht das Beschwerdegericht davon aus, dass dies auf den Antragsteller nicht zutrifft, da ansonsten unabhängig von der Frage, ob er zwischen dem Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeuge zu trennen vermag, nach der Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 der FeV bereits von seiner fehlenden Fahreignung auszugehen wäre.
Ist somit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der aufgrund der Blutprobe vom 25. September 2017 ermittelte THC-Wert von 3,5 ng/ml von einem weiteren, nach dem 23. September 2017 liegenden Konsumakt herrühren muss, steht einerseits fest, dass der Antragsteller bereits zu diesem Zeitpunkt gelegentlicher Cannabiskonsument gewesen sein muss, andererseits zeigt die Höhe der THC-Konzentration zugleich, dass es der Antragsteller an dem nach der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 der FeV erforderlichen Vermögen, zwischen dem Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr zu trennen, fehlen lässt.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller daher im Ergebnis zu Recht die Fahrerlaubnis entzogen. Dass sich der Antragsgegner dabei zur Begründung, warum beim Antragsteller von gelegentlichem Cannabiskonsum auszugehen ist, fälschlich auf die Ergebnisse der Blutprobe vom 6. Dezember 2017 berufen hat, steht der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Verfügung nicht entgegen. Dieser Begründungsmangel ist nämlich nach § 46 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes – HVwVfG – unbeachtlich. Steht ein Eignungsmangel nämlich aufgrund der vorliegenden Tatsachen fest, ist die Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i. v. m. § 46 Abs. 1 Satz 1 und 2 FeV i. V. m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV zu entziehen. Es handelt sich dabei um eine gebundene Entscheidung, die keinerlei behördliches Ermessen zulässt. Daher kann der insoweit bestehende Mangel in der Begründung nicht zu einer anderen Entscheidung in der Sache führen (vgl. Ramsauer in Kopp, VwVfG-Kommentar, 18. Auflage 2018, § 39 Rz. 59; § 46 Rz. 25a ff.).
Nicht zu beanstanden ist auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Verfügung. Zu Recht geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass das Vollzugsinteresse an dem offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakt, das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs in Anbetracht der zu schützenden Rechtsgüter (Leben und körperliche Unversehrtheit der Verkehrsteilnehmer, Sicherheit des Straßenverkehrs als solche) eindeutig überwiegt. Insoweit wird auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Beschlusses verwiesen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, weil sein Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 154 Abs. 2 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 52 Abs. 1, Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 47 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz – GKG – i. V. m. Nr. II. 1.5, 46.1, 46.3 und 46.5, des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abrufbar unter www.bverwg.de/informationen/streitwertkatalog.php). Der Antragsteller ist Inhaber der Fahrerlaubnisklassen AM, A1, A, B, C1, C und BE. Gemäß § 6 Abs. 3 Nr. 1 FeV umfasst die Fahrerlaubnisklasse A die Klassen AM und A1. Letztere erhöhen den Streitwert somit nicht. Für die Klasse A werden nach Nr. 46.1 des Streitwertkatalogs 5000,00 € in Ansatz gebracht. Darüber hinaus berechtigt auch die Klasse B zum Führen von Fahrzeugen der Klasse AM (§ 6 Abs. 3 Nr. 4 FeV), sodass sich auch aus diesem Grunde die Klasse AM nicht streitwerterhöhend auswirkt. Neben der Klasse B ist die Klasse BE nach Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen. Die Klasse B ist nach Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs ebenfalls mit 5000,00 € zu bewerten. Besonders zu berücksichtigen ist die Klasse C, da nach § 9 Abs. 1 FeV der Erwerb dieser Fahrerlaubnisklasse, den Besitz der Fahrerlaubnis der Klasse B voraussetzt. Hierfür ist nach Nr. 46. 4 des Streitwertkatalogs ein Wert von 7.500,00 € anzusetzen. Wiederum nicht streitwerterhöhend wirkt sich die Fahrerlaubnisklasse C1 aus, weil sie bereits nach § 6 Abs. 3 Nr. 5 FeV von der Fahrerlaubnisklasse C umfasst ist.
Der sich daraus ergebende Betrag für ein Hauptsacheverfahren von 17.500,00 € ist im Hinblick auf die Vorläufigkeit der Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren. Im Interesse einer einheitlichen Wertfestsetzung ist der Wert des Streitgegenstandes für das erstinstanzliche Verfahren entsprechend abzuändern. Das Beschwerdegericht macht insoweit von seiner Befugnis gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG Gebrauch.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3 und 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).
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