Ein Richter sah sich in seiner richterlichen Unabhängigkeit dadurch verletzt, dass ihm elektronisch eingereichte Eingaben zum Handelsregister nicht in ausgedruckter Form zur Bearbeitung vorgelegt werden. Er bat zunächst den Geschäftsleiter des Amtsgerichts zu veranlassen, dass ihm elektronisch eingereichte Eingaben zum Handelsregister zukünftig stets in ausgedruckter Form vorgelegt werden. Dem wurde nicht nachgekommen, so dass hierüber nun letztendlich der Bundesgerichtshof zu entscheiden hatte.
Aber auch der BGH entschied in seinem Urteil vom 21.10.2010 in dem Verfahren RiZ(R) 5/09, dass der Richer keinen Anspruch auf Ausdruck der elektronisch eingereichten Dokumente hat.
Es bleibt zu hoffen, dass diese Entscheidung nun auch auf andere per EGVP eingereicht Dokumente angewandt wird, damit die Gerichtsakten insbesondere nicht mehr sinnlos mit seitenlangen Ausdrucken von Übertragungsprotokollen aufgebläht werden…
Seine Entscheidung begründete der BGH u.a. wie folgt:
Die Einführung des elektronischen Handelsregisters durch das Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) vom 10. November 2006 (BGBl. I 2006, 2553) stellt keine Maßnahme der Dienstaufsicht dar. Etwas anderes gilt aber für die Weigerung, dem Antragsteller die elektronisch eingehenden Anträge auf Eintragung im Handelsregister in der gewünschten Papierform vorzulegen. Denn diese Weigerung hat zur Folge, dass der Antragsteller die Bearbeitung der Anträge
am Computer vornehmen oder selbst die von ihm gewünschten Ausdrucke erstellen muss; der erforderliche Bezug zu der richterlichen Tätigkeit des Antragstellers ist damit gegeben.
[…] 2. Die vom Antragsteller beanstandete Zurückweisung seines Antrags, ihm sämtliche elektronisch eingehenden Anträge auf Eintragung im Handelsregister in Papierform zur Bearbeitung vorzulegen, verletzt die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers nicht.
a) Eine Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit kommt durch Maßnahmen in Betracht, die dazu bestimmt oder geeignet sind, die richterliche Rechtsfindung durch psychischen Druck oder auf andere Weise unmittelbar oder mittelbar zu beeinflussen. Ausgehen kann ein solcher Einfluss auch von Anordnungen der Dienstaufsicht im Zusammenhang mit der Benutzung von Geräten und Hilfsmitteln, die der Richter für seine Arbeit benötigt. In den Schutzbereich der richterlichen Unabhängigkeit sind nach ständiger Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes nämlich nicht nur die Endentscheidung, sondern alle der Rechtsfindung auch nur mittelbar dienenden – vorbereitenden und nachfolgenden – Sach- und Verfahrensentscheidungen einbezogen (BGH, Urteil vom 24. November 1994 – RiZ(R) 4/94, NJW 1995, 731; Urteil vom 10. Januar 1985 – RiZ(R) 7/84, BGHZ 93, 238, 234 mwN; Urteil vom 31. Januar 1984 – RiZ(R) 3/83, BGHZ 90, 41, 45). So hat das Dienstgericht des Bundes (Urteil vom 24. November 1994 – RiZ(R) 4/94 aaO) entschieden, dass Maßnahmen der Dienstaufsicht, die einen Richter veranlassen können, sein Diensttelefon zur Erledigung seiner Aufgaben nicht in dem von ihm für sachgerecht gehaltenen Umfang zu benutzen, die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigen können. Gleiches gilt, wenn durch die Dienstaufsicht auf den Richter psychologischer Druck ausgeübt wird, den Inhalt des Protokolls mit einem Aufnahmegerät vorläufig aufzuzeichnen, statt für die Protokollierung einen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zuzuziehen (BGH, Urteil vom 21. April 1978 – RiZ(R) 4/77, NJW 1978, 2509).
b) Der Antragsteller wird durch die angegriffene Weigerung der Dienstaufsicht nicht dazu beeinflusst, ihm zur Verfügung stehende Geräte und Hilfsmittel in einer bestimmten Weise zu benutzen oder sich auf eine von mehreren gegebenen Möglichkeiten der Verfahrensgestaltung bei der Bearbeitung der Eingaben zum Handelsregister zu beschränken.
aa) Das Handelsregister wird mit Wirkung vom 1. Januar 2007 gemäß § 8 Abs. 1 HGB elektronisch geführt. Anmeldungen zur Eintragung in das Handelsregister und die sonstigen dort genannten Unterlagen sind gemäß § 9 Abs. 1 HGB elektronisch in öffentlich beglaubigter Form einzureichen. Von diesen Unterlagen werden grundsätzlich keine Ausdrucke auf Papier erstellt. Eine Ausnahme ist insoweit lediglich für den Fall einer Beschwerde vorgesehen. Insoweit bestimmt § 8 Abs. 3 Satz 5 der Handelsregisterverordnung, dass von den ausschließlich elektronisch vorliegenden Dokumenten Ausdrucke für das Beschwerdegericht zu fertigen sind, soweit dies zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens notwendig ist. Die elektronischen Eingaben zum Handelsregister sind daher vom Gesetz- und Verordnungsgeber als Grundlage für die Sachbearbeitung durch den Richter des Registergerichts bestimmt. Zu diesem Zweck ist dem Richter ein computergestützter Arbeitsplatz zugewiesen, der eine Bearbeitung dieser Eingänge am Bildschirm ermöglicht.
bb) Eine alternative Bearbeitung auf der Grundlage von Ausdrucken auf Papier ist trotz der praktischen Probleme bei der Aktenbearbeitung in elektronischer Form (Bildschirmgröße, Übersichtlichkeit, ergonomische Nachteile längerer Bildschirmarbeit) zur Vermeidung von Medienbrüchen (vgl. Berlit, E-Justice-Chancen und Herausforderungen in der freiheitlich demokratischen Gesellschaft, JurPC Web-Dok. 171/2007, Abs. 122) nicht vorgesehen. Dem Antragsteller steht daher ein Anspruch, zur Bearbeitung der Eingaben von der Geschäftsstelle generell mit papiernen Ausdrucken versorgt zu werden, nicht zu.
Daran ändert auch die Einschätzung des Antragstellers nichts, dass die Bearbeitung der elektronischen Eingaben gegenüber denjenigen in Papierform fehleranfälliger ist und eine sorgfältige Bearbeitung einen größeren Arbeitsaufwand erfordert. Ein Anspruch des Richters gegenüber der Justizverwaltung auf eine über das vom Gesetz- und Verordnungsgeber vorgesehene Maß hinausgehende Gestaltung der Arbeitsgrundlagen besteht nicht. So hat das Dienstgericht des Bundes bereits ausgesprochen, dass ein Richter keinen Anspruch gegen die Justizverwaltung auf Schaffung und Bereitstellung der sachlichen, institutionellen und personellen Ausstattung hat, die er zur Ausschöpfung seiner richterlichen Unabhängigkeit für erforderlich und wünschenswert hält (BGH, Urteil vom 3. November 2004 – RiZ(R) 2/03, NJW 2005, 905). Es besteht lediglich ein Anspruch des Richters darauf, dass er bei der Zuteilung der vorhandenen, für die Arbeit erforderlichen personellen und sächlichen Mittel in ermessensfehlerfreier Weise berücksichtigt wird (BGH, Urteil vom 25. September 2002 – RiZ(R) 2/01, NJW 2003, 282). Ob sich die Erforderlichkeit insoweit nach der – willkürfreien – subjektiven Wertung des Richters oder nach objektiven Kriterien bestimmt, kann hier dahingestellt bleiben, da nach dem vom Antragsteller nicht bestrittenen Vorbringen des Antragsgegners die Serviceeinheiten des Handelsregisters bereits jetzt bis zur Obergrenze belastet sind.
c) Die beanstandete Weigerung des Antragsgegners verstößt auch nicht deshalb gegen die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers, weil ihm ohne Vorlage der Ausdrucke auf Papier die Möglichkeit genommen ist, die eingegangenen Anträge ohne weiteres von zu Hause aus zu bearbeiten.
Aus der Unabhängigkeit – Art. 97 GG – des Richters folgt, dass er grundsätzlich seine Arbeit nicht innerhalb fester Dienstzeiten und nicht an der Gerichtsstelle erledigen muss (BGH, Urteil vom 25. September 2002 – RiZ(R) 2/01, NJW 2003, 282; Urteil vom 16. November 1990 – RiZ(R) 2/90, BGHZ 113, 36, 38 f.). Das gilt aber nicht, wenn die Ausführung der ihm obliegenden Dienstgeschäfte die Anwesenheit an der Gerichtsstelle erfordert. Denn die richterliche Unabhängigkeit ist kein Standesprivileg der Richter (BGH, Urteil vom 27. September 1976 – RiZ(R) 3/75, BGHZ 67, 184, 187). Erfordert die Bearbeitung der gemäß den Anforderungen des Gesetzgebers in elektronischer Form vorliegenden Eingaben zum Handelsregister die Anwesenheit des Richters an seinem computergestützten Arbeitsplatz, liegt darin keine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit durch die Dienstaufsicht. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller zudem eingeräumt, die für die Bearbeitung der Eingaben zum Handelsregister vom häuslichen Arbeitsplatz aus erforderlichen Ausdrucke auf Papier selbst zu fertigen. Ein weitergehender Anspruch auf Verschaffung der vom Antragsteller gewünschten Arbeitsunterlagen besteht nicht.
Die Entscheidung kann hier auf den Seiten des BGH im Volltext abgerufen werden.