Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei Begehung der Anlasstat aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht.
Die Diagnose einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis führt für sich genommen nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest län-gere Zeiträume überdauernden gesicherten erheblichen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit. Erforderlich ist vielmehr stets die konkretisierende Darlegung, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts-oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat .
Dies hat der BGH in seinere Entscheidung vom 8.12.2018 (4 StR 443/18) festgestellt und das Urteil des Landgerichts, mit dem der Angeklagte freigesprochen und seine Unterbringung angeordnet worden war aufgehoben.
Aus den Entscheidungsgründen:
[…]Nach den Feststellungen versetzte der Angeklagte, der an einer hebephrenen Schizophrenie leidet, dem elf Jahre alten Geschädigten, der auf sei-nem Fahrrad an dem Angeklagten vorbeifahren wollte, unvermittelt einen Stoß mit den Händen, wodurch der Geschädigte von seinem Fahrrad stürzte und gegen einen Zaun prallte. Dabei ging es dem Angeklagten – wie bereits mehrfach zuvor in der Vergangenheit – darum, sich in den Besitz des Fahrrades zu bringen. Nachdem der Geschädigte infolge des Sturzes die Gewalt über das Fahrrad verloren hatte, nahm der Angeklagte es – wie von vornherein beabsichtigt – an sich und flüchtete. Der Geschädigte trug durch den Sturz eine Schwellung an der Stirn davon und litt an Kopfschmerzen und Schwindel.
Die Strafkammer ist davon ausgegangen, dass die Fähigkeit des Angeklagten entsprechend der vorhandenen Unrechtseinsicht zu handeln, bei Begehung der Tat krankheitsbedingt aufgehoben war. Sie hat dies – den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen folgend – damit begründet, dass der Angeklagte, den die Zeugen „etwas wirr“ erlebt hätten, seine Handlungen nicht richtig willensmäßig habe steuern können.II.
Die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus kann nicht bestehen bleiben, weil die vom Landgericht vorgenommene Schuldfähigkeitsbeurteilung durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet.
a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei Begehung der Anlasstat aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht.
Die Diagnose einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis führt für sich genommen nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten erheblichen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit. Erforderlich ist vielmehr stets die konkretisierende Darlegung, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.; vgl. Beschlüsse vom 12. Oktober 2016 – 4 StR 78/16, StV 2017, 588; vom 23. August 2012 – 1 StR 389/12, NStZ 2013, 98; vom 24. April 2012 – 5 StR 150/12, NStZ-RR 2012, 239; vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307).b) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Weder die im Anschluss an die Ausführungen des Sachverständigen vorgenommene Wertung der Strafkammer, der Angeklagte habe im Tatzeitpunkt sei-ne Handlungen nicht richtig willensmäßig steuern können, noch das von nicht näher bezeichneten Zeugen als „etwas wirr“ erlebte Verhalten des Angeklagten werden in den Urteilsgründen durch Tatsachen belegt und für das Revisions-gericht nachvollziehbar ausgeführt. Einen Schub der schizophrenen Erkrankung hat das Landgericht für den Tatzeitpunkt nicht festgestellt. Ob die ab 2012 beim Angeklagten zu beobachtenden Symptome wie Denk- und Antriebsstörungen sowie eine sich in Grimassierungen und ballistischen Bewegungen zeigende affektive Störung auch bei der Tat vorlagen und sich auf die Handlungsmöglich-keiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation auswirkten, lassen die Urteilsausführungen offen. Soweit die Strafkammer als Ergebnis eines in einem früheren Strafverfahren eingeholten psychiatrischen Gutachtens mitteilt, dass beim Angeklagten eine schwere Störung der affektiven und impulsiven Kontrolle mit fremdaggressiven Verhaltensweisen gegeben sei, werden die diese Bewertung tragenden Anknüpfungs- und Befundtatsachen nicht wiedergegeben, so dass eine Überprüfung nicht möglich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Sep-tember 2012 – 4 StR 348/12). Die Urteilsgründe befassen sich weder mit den tatsächlichen Umständen, die im damaligen Verfahren zu Freisprüchen unter anderem von Vorwürfen der Körperverletzung und der versuchten gefährlichen Körperverletzung wegen Schuldunfähigkeit führten, noch mit den Sachverhalten, die den jeweiligen Tatvorwürfen zugrunde lagen. Vor dem Hintergrund des Umstands, dass der Angeklagte, der in der Vergangenheit seinen Lebensunterhalt durch die Reparatur und Weiterveräußerung von Fahrrädern bestritt, sich Fahrräder in einer Vielzahl von Fällen durch Diebstähle beschaffte, hätte sich der Tatrichter schließlich mit einem möglichen normalpsychologisch erklärbaren Beweggrund für die Raubtat zum Nachteil des Geschädigten auseinanderset-zen müssen.
[…]BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2018, 4 StR 443/18
Die Anordnung der Maßregel nach § 63 StGB kann daher nicht be-stehen bleiben. Mit Blick auf die Vorschrift des § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO ist auch der Freispruch des Angeklagten aufzuheben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. August 2014 – 3 StR 271/14, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Satz 2 Freispruch 1; vom 30. Juli 2013 – 4 StR 275/13 Rn. 18, insoweit in NStZ 2014, 36 nicht abge-druckt; vom 12. Oktober 2016 – 4 StR 78/16 aaO).
Entgegen dem Antrag des Generalbundesanwalts lässt der Senat die tatsächlichen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen nicht bestehen. Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird bei seiner Überzeugungsbildung zur Täterschaft des Angeklagten den beschränkten Beweiswert eines wieder-holten Wiedererkennens (vgl. Sander in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 82; Miebach in MK-StPO, § 261 Rn. 262 jeweils mwN) in den Blick zu nehmen haben. Hierzu besteht Veranlassung, weil der Geschädigte den Angeklagten vor der polizeilichen Wahllichtbildvorlage zunächst auf einer von seiner Mutter gefertigten, nur den Angeklagten zeigenden Videoaufnahme als Täter wiedererkannte. Auch dem sicheren Wiedererkennen durch den Zeugen S. in der Hauptverhandlung ging eine Wahllichtbildvorlage voraus, bei welcher der Zeuge den Angeklagten „ziemlich sicher“ als die nach der Tat mit dem Fahrrad angetroffene Person identifizierte.
Zudem werden die Einzelheiten der Durchführung der Wahllichtbildvorlagen eingehender als bisher geschehen in den Urteilsgründen darzustellen sein (vgl. Miebach aaO Rn. 259 ff.)