Die mit einer Entkleidung verbundene Durchsuchung eines Strafgefangenen stellt einen schwerwiegenden Eingriff in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht dar. Sie darf nur nach den Maßgaben des § 46 HStVollzG unter strikter Wahrung der Verhältnismäßigkeit erfolgen.
Diese Leitsatz hat das OLG Frankfurt in seiner Entscheidung vom 27.06.2017 (3 Ws 118/17) aufgestellt und der Rechtsbeschwerde des Gefangenen gegen einen Beschluss des LG Frankfurt teilweise abgeholfen und festgestellt, dass dass die am 21. September 2016 in der JVA […] vorgenommene, mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung des Strafgefangenen rechtswidrig war.
Zur Begründung seiner Entscheidung führt das OLG u.a. folgendes aus:
[…] Der Beschwerdeführer begehrt zu Recht nachträglich die Feststellung der durchgeführten Maßnahme.Die mit einer Entkleidung verbundene Durchsuchung eines Gefangenen stellt einen schwerwiegenden Eingriff in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht dar. Dies gilt insbesondere für Durchsuchungen, die mit einer Inspizierung von normalerweise geschlossenen oder verdeckten Körperöffnungen verbunden sind (vgl. hierzu BVerfG Beschluss vom 5. November 2016 – 2 BvR 6/16). Es bedarf hierfür einer gesetzlichen Ermächtigung. Überdies ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit strikt zu wahren.
Der hessische Gesetzgeber hat insoweit die Zulässigkeit eines derartigen aus Gründen der Sicherheit und Ordnung der Anstalt erforderlichen erheblichen Eingriff in § 46 HessStVollzG geregelt, hieran gemäß § 46 Abs.2, Abs.3 i.V.m. Abs.1 S.2, 3 HessStVollzG aber weit strengere Voraussetzungen geknüpft, als bei sonstigen Durchsuchungen oder Absuchungen eines Gefangenen, seiner Sachen oder der Hafträume. Dass diese strengen Voraussetzungen für die Anordnung und die Art und Weise der Durchführungen vorliegend bei der am 21. September 2016 vorgenommenen Durchsuchung des Beschwerdeführers vorgelegen hätten, ergibt sich nicht einmal aus dem eigenen Tatsachenvortrag der Anstalt in ihrer Stellungnahme vom 22. November 2016, deren Inhalt die Strafvollstreckungskammer durch Bezugnahme zum Gegenstand ihrer Entscheidung gemacht hat. Es lag danach weder Gefahr in Verzug vor, noch beruhte die körperliche Durchsuchung auf einer Anordnung der Anstaltsleitung im Einzelfall (§ 46 Abs.2 HStVollzG). Vielmehr beruhte sie auf einer allgemeinen Hausverfügung, wonach bei der Aufnahme von Gefangenen die besondere Gefahr des Einbringens von verbotenen und gefährlichen Gegenständen gesehen wird und deshalb aus Gründen der Sicherheit und Ordnung eine Sicherheitskontrolle mit vollständiger Entkleidung, Überprüfung der Achselhöhlen, der Fußsohlen, des Abtastens der Haartracht und Einblick in die Mundhöhle sowie der äußerliche Inaugenscheinnahme des Schambereichs vorgenommen wird. Der diesbezügliche Vortrag der Anstalt impliziert, dass auch im Falle des Beschwerdeführers entsprechend dieser offenbar generellen Vorgehensweise verfahren worden ist. Diese Handhabung entspricht aber nicht in allen Teilen den gesetzlichen Vorgaben des § 46 Abs. 3 HStVollzG. Zwar kann die Anstaltsleitung danach allgemein anordnen, dass Gefangene bei der Aufnahme einer mit einer vollständigen Entkleidung und einer Inspektion der Körperöffnungen verbundenen Durchsuchung unterzogen werden. Die Untersuchung von Körperöffnungen, wozu vor allem Kontrollen des Mundraumes und des Anus gehören, darf aber gemäß § 46 Abs.3 i.V.m. Abs.2 S. 2 HStVollzG nur durch den ärztlichen Dienst und zwar durch einen Arzt selbst, also keinesfalls durch Justizvollzugsbeamte vorgenommen werden. Überdies ist als Ausdruck der strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen in § 46 Abs.3 Hs.2 HStVollzG eine Abweichungsmöglichkeit vorgesehen, wenn die Ausübung eines Missbrauchs bzw. einer Gefahr für die Sicherheit und Ordnung fernliegt.
Beide Vorgaben sind hier nach den Vorgaben der Hausanordnung erkennbar nicht erfüllt worden. Soweit auch die routinemäßig angeordnete Kontrolle der Mundhöhle erfolgt ist, hätte dies nur ein Arzt durchführen dürfen. Dass ein Arzt zugegen gewesen wäre, behauptet auch die Anstalt nicht.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass den die Hausanordnung durchführenden Justizvollzugsbeamten bewusst war, dass sie ungeachtet des Wortlautes von der allgemeinen Anordnung zu Gunsten des Beschwerdeführers abweichen können, etwa weil er ständig unter Aufsicht war, keinen Kontakt zu Dritten hatte oder ihm aufgrund einer isolierten Unterbringung praktisch keine Möglichkeit verbleibt, unerlaubte Gegenstände an sich zu nehmen, weiterzugeben oder sonst in die Anstalt einzubringen (vgl. hierzu BeckOK-Rhode HStVollzG 2017, § 46 Rdnr.18). Es ist nicht erkennbar, dass diese Verhältnismäßigkeitserwägung in die Entscheidung über das „ob“ der Maßnahme eingeflossen ist. Aus dem Vortrag der Anstalt ergeben sich hierfür keine Anhaltspunkte.
Diese Umstände hat die Strafvollstreckungskammer, in deren Entscheidung weder die gesetzlichen Vorgaben des § 46 HStVollzG noch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts überhaupt Erwähnung finden, völlig unberücksichtigt gelassen.
[…]