Da der Urkundsbeweis im Selbstleseverfahren außerhalb der Hauptverhandlung erhoben wird, bedarf es der Kenntlichmachung und des Hinweises an die Verfahrensbeteiligten, dass der in dieser Sonderform gewonnene Beweisstoff dennoch als Inbegriff der Hauptverhandlung im Sinne des § 261 StPO der Überzeugungsbildung des Gerichts zugrunde gelegt werden kann.
Dies wird durch die Feststellungen nach § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO beweiskräftig vollzogen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juli 2010 – 3 StR 76/10, NStZ 2010, 712). Dabei muss für die Berufsrichter und Schöffen die erfolgte Kenntnisnahme vom Wortlaut der Urkunden festgestellt werden, während für die übrigen Verfahrensbeteiligten die Feststellung der Gelegenheit zur Kenntnisnahme genügt (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Februar 2014 – 1 StR 706/13, juris Rn. 3). Die Durchführung eines Selbstleseverfahrens kann als wesentliche Verfahrensförmlichkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 15. März 2011 – 1 StR 33/11, juris Rn. 15) nur durch das Hauptverhandlungsprotokoll bewiesen werden (§ 274 Satz 1 StPO). Fehlt der entsprechende Vermerk, so ist die Inbegriffsrüge nach § 261 StPO eröffnet, da die dem Selbstverfahren zugeführten Urkunden als verwertbarer Beweisstoff nicht zur Verfügung standen (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 2017 – 3 StR 424/16, juris Rn. 7).
Dies hat der BGH in seiner Entscheidung vom 10.05.2022 (2 StR 501/21) festgestellt und auf die Revision des Angeklagten das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24. Juni 2021, soweit es den Revisionsführer betrifft, im Strafausspruch mit den Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des am 8. September 2020 sichergestellten Amphetamins aufgehoben und das Verfahren insofern an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
BGH 2 StR 501/21