Bislang entsprach es der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass eine unzulässige Tatprovokation keine Unverwertbarkeit und auch kein Verfahrenshindernis nach sich zieht, sondern nur im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen ist. Mit seinem Urteil vom 10. Juni 2015 (2 StR 97/14) hält der 2. Senat des BGH hieran nicht mehr fest und vertritt die Auffassung, dass die gebotene Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dazu führe, dass in solchen Fällen ein Verfahrenshindernis zur Kompensation der Konventionsverletzung erforderlich sei.
Entsprechend hat er das Urteil des Landgerichtes mit dem die Angeklagten verurteilt wurden aufgehoben und das Verfahren eingestellt.
Ausserdem wurde in der Entscheidung folgender Leitsatz aufgestellt:
Die rechtsstaatswidrige Provokation einer Straftat durch Angehörige von Strafverfolgungsbehörden oder von ihnen gelenkte Dritte hat regelmäßig ein Verfahrenshindernis zur Folge
Der BGH verneint damit weiterhin das Vorliegen eines Verwertungsverbotes und führt aus, dass sich die Annahme eines Verfahrenshindernisses „schonend“ in das deutsche Strafrechtssystem einfüge und den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte genüge.
In den Urteilsgründen wird u.a. Folgendes ausgeführt:
[…] Die Urteilsgründe belegen die Voraussetzungen einer Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK verletzenden rechtsstaatswidrigen Tatprovokation.1. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) liegt eine gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK verstoßende Tatprovokation vor, wenn sich die beteiligten Ermittlungspersonen nicht auf eine weitgehend passive Strafermittlung beschränken, sondern die betroffene Person derart beeinflussen, dass sie zur Begehung einer Straftat verleitet wird, die sie ohne die Einwirkung nicht begangen hätte, und zwar mit dem Zweck, diese Straftat nachzuweisen, also Beweise für sie zu erlangen und eine Strafverfolgung einzuleiten. Der Grund für dieses Verbot liegt darin, dass es Aufgabe der Ermittlungsbehörden ist, Straftaten zu verhüten und zu untersuchen, und nicht, zu solchen zu provozieren (vgl. EGMR, Entscheidung vom 23. Oktober 2014 – 54648/09 [Furcht gegen Deutschland], JR 2015, 81, 84 mit Anm. Petzsche = StraFo 2014, 504, 506 mit Anm. Sommer und Anm. Hauer NJ 2015, 203; Meyer/Wohlers JZ 2015, 761 ff.; Pauly StV 2015, 411 ff.; Sinn/Maly NStZ 2015, 379 ff.).
Im Rahmen der Prüfung, ob die Ermittlungen „im Wesentlichen passiv“ geführt wurden, untersucht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sowohl die Gründe, auf denen die verdeckte Ermittlungsmaßnahme beruhte, als auch das Verhalten der die verdeckte Maßnahme durchführenden Ermittlungspersonen:
Insoweit stellt der Gerichtshof zunächst darauf ab, ob es objektive Anhaltspunkte für den Verdacht gab, dass der Betroffene bereits an kriminellen Aktivitäten beteiligt oder der Begehung von Straftaten zugeneigt war. Dabei spielt es eine Rolle, ob der Betroffene vorbestraft ist (was aber für sich allein noch kein ausreichendes Indiz darstellt) und bereits ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet worden war. Darüber hinaus kann im Rahmen dieser Prüfung, je nach den Umständen des konkreten Falles , nach Ansicht des Gerichtshofs Folgendes für eine Tatgeneigtheit sprechen: die zu Tag getretene Vertrautheit des Täters mit den im illegalen Betäubungsmittelhandel üblichen Preisen, seine Fähigkeit, kurzfristig Drogen beschaffen zu können, sowie der Umstand, dass er aus dem Geschäft einen finanziellen Vorteil ziehen würde.Bei der Prüfung des Verhaltens der Ermittlungspersonen untersucht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, ob auf den Betroffenen Druck ausgeübt wurde, die Straftat zu begehen. In Betäubungsmittelfällen können nach Ansicht des Gerichtshofs folgende Verhaltensweisen dafür sprechen, dass die Ermittlungsbehörden den Bereich des passiven Vorgehens verlassen haben: das Ergreifen der Initiative beim Kontaktieren des Betroffenen, das Erneuern des Angebots trotz anfänglicher Ablehnung, hartnäckiges Auffordern zur Tat, Steigern des Preises über den Durchschnitt oder Vorspiegelung von Entzugserscheinungen, um das Mitleid des Betroffenen zu erregen (vgl. EGMR aaO mwN; siehe auch EGMR, Entscheidung vom 4. November 2010 – 18757/06 [Bannikova gegen Russland], Rn. 37 ff.; Urteil vom 18. Oktober 2011 – 21218/09 [Prado Bugallo gegen Spanien], NJW 2012, 3502, 3503; Urteil vom 5. Februar 2008 – 74420/19 [Ramanauskas gegen Litauen], NJW 2009, 3565, 3566 f.; Urteil vom 9. Juni 1998 – 44/1997/828/1034 [Teixeira de Castro gegen Portugal], NStZ 1999, 47, 48).
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine staatliche Tatprovokation vor, wenn ein Verdeckter Ermittler (oder eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson) über das bloße „Mitmachen“ hinaus in Richtung auf eine Weckung der Tatbereitschaft oder eine Intensivierung der Tatpl anung mit einiger Erheblichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt. Sie ist nur zulässig, wenn diese gegen eine Person eingesetzt wird, die in einem den § 152 Abs. 2, § 160 StPO vergleichbaren Grad verdächtig ist, an einer bereits begangenen Straftat beteiligt gewesen oder zu einer zukünftigen Straftat bereit zu sein (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47 f.; Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 336 f.). Eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person darf hingegen nicht in einer dem Staat zurechenbaren Weise zu einer Straftat verleitet werden. Auch bei anfänglich bereits bestehendem Anfangsverdacht kann eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vorliegen, wenn die Einwirkung auf die Zielperson im Verhältnis zum Anfangsverdacht „unvertretbar übergewichtig“ ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 279; Urteil vom 23. Mai 1984 – 1 StR 148/84, BGHSt 32, 345, 346 f.; Senat, Urteil vom 21. September 1983 – 2 StR 370/83, NStZ 1984, 78, 79); im Rahmen der erforderlichen Abwägung sind insbesondere Grundlage und Ausmaß des gegen den Betroffenen bestehenden Verdachts, Art, Intensität und Zweck der Einflussnahme sowie die eigenen, nicht fremdgesteuerten Aktivitäten des Betroffenen in den Blick zu nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Mai 1984 – 1 StR 148/84, BGHSt 32, 345, 346 f.; Senat, Urteil vom 21. September 1983 – 2 StR 370/83, NStZ 1984, 78, 79).
3. An beiden Maßstäben gemessen überschritt das Verhalten der Verdeckten Ermittler die durch den Grundsatz des fairen Verfahrens und das Rechtsstaatsprinzip gezogenen Grenzen.a) Der Einsatz der Verdeckten Ermittler beschränkte sich nicht auf eine weitgehend „passive Strafermittlung“, wie es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte für zulässige Einflussnahmen auf den Täter voraussetzt, sondern stellt sich als eine massive aktive Einwirkung auf die Angeklagten dar, die dazu führte, dass sie sich nur deshalb an den begangenen Straftaten beteiligten.
aa) Bei der nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte erforderlichen Prüfung der Gründe, auf denen die verdeckte Maßnahme beruhte, ist in den Blick zu nehmen, dass beide Angeklagte wegen Drogendelikten vorbestraft waren. Doch begründen Vorstrafen für sich allein weder einen Anfangsverdacht für die Begehung weiterer Straftaten noch geben sie auch nur einen (ausreichenden) Anhalt für die Annahme möglicher Tatgeneigtheit. Andernfalls wäre die Resozialisierungswirkung der Vorstrafe generell in Frage gestellt. Zu berücksichtigen ist im konkreten Fall zudem, dass sich auch nach der erfolgten Verleitung zu Straftaten eine tatsächliche Einbindung der Angeklagten in das Drogenmilieu zu Beginn des Einsatzes der Verdeckten Ermittler nicht feststellen ließ. Der Angeklagte B. hatte selbst keine einschlägigen Kontakte mehr und musste den Mitangeklagten J. für die Suche nach Betäubungsmittelhändlern gewinnen. Dieser sprach zunächst eine ihm fremde Person an, die aber kein Interesse an einem Drogengeschäft hatte und ihn an einen anderen Lieferanten weiterverwies.
Auf Grund der im Zug des Ermittlungsverfahrens wegen Geldwäsche gewonnenen Erkenntnisse haben die Ermittlungsbehörden allerdings (noch) rechtlich vertretbar einen Anfangsverdacht hinsichtlich von Betäubungsmittelstraftaten bejaht und im Oktober 2010 ein entsprechendes Ermittlungsverfahren eingeleitet. Dieser Verdacht war aber nicht sonderlich gewichtig und stützte sich nur auf wenige, zudem vage Umstände. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich nach den im Oktober 2009 aus der Telefonüberwachung gewonnenen Erkenntnissen, bei denen von „Figürchen“ mit einer Qualität von „fast 100%“, „reinrein“ die Rede war und aufgrund derer die Ermittlungsbehörden von der Vermittlung eines Amphetamingeschäfts durch den Angeklagten B. ausgegangen sind, keine weiteren Hinweise auf eine kriminelle Verstrickung der Angeklagten ergeben hatten. Eine PKW-Kontrolle im April 2010 nach einem Treffen der Angeklagten mit A. , gegen den in den Niederlanden wegen des Verdachts der Teilnahme am internationalen Drogenhandel – allerdings ergebnislos – ermittelt worden war, brachte keine neuen Erkenntnisse. Die Annahme der Ermittlungsbehörden, dass der Angeklagte B. eben andere Kommunikationswege nutze und sich deshalb keine weiteren Ermittlungsergebnisse ergeben hätten, stellt sich letztlich als eine bloße Spekulation dar, die ohne weitere Anhaltspunkte für eine allgemeine kriminelle Verstrickung auch nicht durch kriminalistische Erfahrung gedeckt ist. Die auf die beschriebenen Umstände gestützte richterliche Gestattung des Einsatzes Verdeckter Ermittler im Dezember 2010 mag – unter Berücksichtigung des ermittlungsrichterlichen Beurteilungsspielraums – noch von den gesetzlichen Vorschriften getragen gewesen sein; zu berücksichtigen ist allerdings, dass damit nicht ohne Weiteres auch die Zulässigkeit einer Tatprovokation einhergeht, zumal es für diese konkrete Maßnahme selbst keine spezialgesetzliche Regelung gibt (vgl. § 110c StPO). Für die Beurteilung des Vorliegens der Eingriffsvoraussetzungen kommt es zudem auf die Verdachtslage zum Zeitpunkt der Einwirkung des Lockspitzels auf die Zielperson an. Je stärker der Verdacht ist, desto nachhaltiger kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch die Einflussnahme sein (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 49). Je geringer der Tatverdacht aber ist, umso weniger an Stimulierung ist erlaubt. Schließlich ist besondere Zurückhaltung geboten, wenn sich trotz Beobachtung und Vers uchen der Einflussnahme gerade keine weiteren belastbaren Anhaltspunkte für eine (unabhängig von der Tatprovokation) geplante oder durchgeführte Tatbegehung ergeben.
Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, dass zwar aus der Sicht der Ermittlungsbehörden noch hinreichende Gründe für die Anordnung von verdeckten Ermittlungsmaßnahmen gegeben waren, dem provozierenden Tätigwerden aber mit Blick auf die Stärke des geringen Tatverdachts von Anfang an enge Grenzen gesteckt waren.bb) Bei der weiteren nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs notwendigen Erörterung, ob und in welcher Weise durch die Verdeckten Ermittler Druck auf die Angeklagten ausgeübt wurde, sind die konkreten Umstände in den Blick zu nehmen, wie es zur Tatverleitung der Angeklagten gekommen ist. Zu berücksichtigen ist zunächst, dass Verdeckte Ermittler aus den Niederlanden in Deutschland tätig geworden sind, ohne dass zu jedem Zeitpunkt eine Genehmigung hierfür vorgelegen hätte. So waren „Ap.“ und „K.
“ erstmals am 10. Februar 2011 in Deutschland im Einsatz, eine Genehmigung ist aber erst am 16. März 2011 erteilt worden. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass sich der Angeklagte B. zahlreichen Anfragen des „Ap. “ nach Vermittlung seiner Drogenkontakte in den Niederlanden seit Anfang April 2011 widersetzte, bevor er dem ständigen und immer intensiverem Drängen am 30. Mai 2011 schließlich nachgab. Von maßgeblicher Bedeutung ist insoweit, dass dem Angeklagten B. wahrheitswidrig vorgespiegelt wurde, „Ap. “ und auch „N. “ würden von serbischen Abnehmern, die „rasend“ vor Wut seien, bedroht, weswegen „Ap. “ zusammen mit „K. “ schon seinen bisherigen Wohnort gewechselt habe. Erst als ihm erklärt wurde, dass sich die Situation noch weiter zugespitzt habe, erklärte sich der Angeklagte B. , der wiederholt
betont hatte, mit Rauschgiftgeschäften nichts zu tun haben zu wollen, dazu bereit, einen Freund zu fragen, ob dieser helfen könnte. Dabei verfügte der Ang eklagte B. nicht über eigene Kontakte; deshalb schaltete er den Angeklagten J. ein, bei dem durch vorangegangene Erzählungen der Eindruck entstanden war, es handele sich um eine Sache von „Leben und Tod“. Er ließ sich deshalb zur Tatbeteiligung überreden, konnte aber nicht auf einen bestimmten Lieferanten zurückgreifen, sondern musste einen solchen erst suchen. Die Tathandlungen der Angeklagten waren dabei geprägt und bestimmt davon, „Ap. “ und „N. “ einen Gefallen zu tun, ihr Handeln beruhte zu keinem Zeitpunkt auf eigenem Antrieb und ging auch nicht auf eigenes Gewinnstreben zurück. Es handelte sich um ein ganz und gar fremdnütziges Verhalten, zu dem es nicht gekommen wäre, wären der Angeklagte B. und mittelbar auch der Mitangeklagte J. nicht durch die Verdeckten Ermittler unter „Druck“ gesetzt worden.
Dies gilt in gleicher Weise für das zweite Geschäft, nicht nur für den ohnehin weitgehend unbeteiligten Angeklagten B. , der zwar den Angeklagten J. über die „Notwendigkeit“ eines zweiten Geschäfts informierte, aber zugleich deutlich machte, damit nichts mehr zu tun haben zu wollen. Es betrifft auch den Angeklagten J. , der zwar aufgrund der vorgetäuschten Bedrohungslage bereit war, einen Kontakt zum Lieferanten herzustellen, aber ansonsten mit dem Geschäft auch nichts zu tun haben wollte. Dies alles gilt umso mehr, als nach Durchführung der ersten Tat aus der Sicht der Strafverfolgungsbehörden, deren Ziel die Aufklärung von Straftaten und nicht deren Herbeiführung ist (vgl. BVerfG NJW 2015, 1083, 1084), kein legitimer Grund mehr bestand, unter erneutem Hinweis auf eine Gefahr für Leib und Leben des „Ap. “ eine zweite Tat zu initiieren.
Mit diesem Verhalten der Verdeckten Ermittler gegenüber den Angeklagten haben die Ermittlungsbehörden in beiden Fällen die ihnen bei Ermittlungen nach dem Grundsatz des fairen Verfahrens vorgegebene passive Haltung bei der heimlichen Aufklärung von Straftaten verlassen. Sie haben vielmehr – unter Außerachtlassung des ohnehin nur geringen Tatverdachts gegen die Angeklagten und der ständigen, zu einer weiteren Handlungsbegrenzung führenden Weigerungen des Angeklagten B. , sich an einem Betäubungsmittelgeschäft eines anderen zu beteiligen – ihre Einflussnahme im Laufe der Zeit immer weiter verstärkt und damit letztlich erst die Beteiligung der Angeklagten an ihrem eigenem Geschäft veranlasst. In beiden Fällen liegt damit nach den Maßstäben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hinsichtlich beider Angeklagter eine gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK verstoßende polizeiliche Tatprovokation vor.b) Auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist im vorliegenden Fall eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation gegeben.
Die Handlungen der Verdeckten Ermittler erschöpften sich nicht darin, die Angeklagten lediglich ohne sonstige Einwirkung angesprochen oder eine offen erkennbare Bereitschaft zur Begehung weiterer Straftaten ausgenutzt zu haben. Sie waren vielmehr – trotz wiederholter Weigerung, sich an Betäubungsmittelgeschäften beteiligen zu wollen – darauf gerichtet, gerade doch eine solche Beteiligung erreichen zu wollen, und stellen damit ohne Weiteres auch im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine staatliche Tatprovokation dar. Diese war auch unzulässig, auch wenn sie sich gegen Personen richtete, gegen die ein wenn auch geringer Tatverdacht bestand. Zwar ist bei diesem Personenkreis eine über das bloße „Mitmachen“ hinausgehende Initiierung oder Steigerung des (eigentlichen) Tatentschlusses grundsätzlich nicht unzulässig, doch bestehen auch hier rechtsstaatliche Grenzen eines Lockspitzeleinsatzes. Die Einwirkung auf eine verdächtige oder tatgeneigte Person darf im Verhältnis zum Anfangsverdach t nicht „unvertretbar übergewichtig“ sein.
Genau dies war hier aber der Fall. Es bestand – wie oben ausgeführt – allenfalls ein vager Anfangsverdacht gegen die Angeklagten, die sich erst bereit e rklärten, an den Betäubungsmittelgeschäften mitzuwirken, nachdem die Verdeckten Ermittler über Monate hinweg das Vertrauen des Angeklagten B. gewonnen hatten und diesem vorgespiegelt worden war, sie würden von serbischen Abnehmern des Rauschgifts bedroht. Es liegt ein deutliches Missverhältnis zwischen dem bestehenden Anfangsverdacht einerseits und den wiederholten, massiven Einwirkungshandlungen der Verdeckten Ermittler andererseits vor.c) Sowohl nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als auch derjenigen des Bundesgerichtshofs ist demnach eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation anzunehmen. Der Senat braucht deshalb an
dieser Stelle nicht zu entscheiden, ob – wie der 1. Strafsenat meint (Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, NStZ 2015, 541, 544) – die die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in der Auslegung des Art. 6 Abs. 1 EMRK prägenden Kriterien der Tatprovokation in der Judikatur des Bundesgerichtshofs abgebildet werden oder ob nicht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in ihren Voraussetzungen zur Annahme einer rechtsstaatlichen Tatprovokation enger ist (Verbot lediglich „unvertretbarer übergewichtiger“ Einwirkungen bei verdächtigen oder tatgeneigten Personen) und deshalb an die (wohl) weitergehende Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (im Wesentlichen „passive Strafermittlung“) anzupassen wäre (vgl. dazu Meyer/Wohlers, JZ 2015, 761, 769).II.
Der danach gegebene Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK führt im vorliegenden Fall zur Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses.1. Zwar entspricht es der bisher ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass eine unzulässige Tatprovokation kein Verfahrenshindernis nach sich zieht, sondern nur im Rahmen der Strafzumessung zu berücksicht igen ist (vgl. nur BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 – 1 StR 78/14, juris Rn. 7, insoweit in NStZ 2015, 226 nicht abgedruckt; Urteil vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 280; Urteil vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 324 ff.; Urteil vom 23. Mai 1984 – 1 StR 148/84, BGHSt 32, 345, 348 ff.).
2. An dieser „Strafzumessungslösung“ hält der Senat angesichts der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (nachfolgend a) nicht mehr fest. Die gebotene Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (nachfolgend b) führt nach Ansicht des Senats dazu, dass jedenfalls in den Fällen der vorliegenden Art ein Verfahrenshindernis zur Kompensation der Konventionsverletzung erforderlich ist (nachfolgend c).
a) Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung Furcht gegen Deutschland vom 23. Oktober 2014 (54648/09, Rn. 47, JR 2015, 81, 84 = StraFo 2014, 504, 506), mit der erstmals die Strafzumessungslösung der deutschen Rechtsprechung unmittelbar überprüft und als Mittel der Kompensation des Konventionsverstoßes verworfen wurde, erneut b etont, das öffentliche Interesse an der Verbrechensbekämpfung rechtfertige nicht die Verwendung von Beweismitteln, die als Ergebnis polizeilicher Tatprovokation gewonnen wurden, denn dies würde den Beschuldigten der Gefahr aussetzen, dass ihm von Beginn an kein faires Verfahren zu Teil wird.
Der Entscheidung lag eine Fallkonstellation zu Grunde, in der zum maßgeblichen Zeitpunkt des Herantretens der Verdeckten Ermittler an den Betroffenen bereits keine objektiven Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass dieser in kriminellen Rauschgifthandel verwickelt oder der Begehung von Straftaten sonst zugeneigt war. Zwar hatte der Betroffene in der Folge die Möglichkeit eines Rauschgiftverkaufs selbst vorgeschlagen. Da aber der Verdeckte Ermittler nach der Erklärung des Betroffenen, an einem Rauschgiftgeschäft nicht mehr interessiert zu sein, erneut Kontakt mit diesem aufgenommen und ihn überredet hatte, mit der Organisation des Rauschgifthandels fortzufahren, kam der E uropäische Gerichtshof für Menschenrechte zu dem Schluss, dass der Einsatz über eine rein passive Ermittlungstätigkeit hinausging und einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK begründete.
In Zusammenhang mit der Frage, ob dem Betroffenen durch die vom Landgericht vorgenommene erhebliche, wenn auch nicht bezifferte Strafmilderung eine ausreichende Kompensation für den Konventionsverstoß gewährt wurde, wiederholte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass alle als Ergebnis polizeilicher Tatprovokation gewonnenen Beweismittel ausgeschlossen werden müssen oder ein Verfahren mit vergleichbaren Konsequenzen gewählt werden muss, damit das Verfahren fair im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EMRK ist (EGMR, aaO, Rn. 64, 68). Alle anderen Maßnahmen können danach nicht als ausreichend angesehen werden, um eine angemessene Wiedergutmachung für eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK zu leisten. Aus diesem Grund kam der Gerichtshof nicht zuletzt aufgrund der Bedeutung des durch die unzulässige Tatprovokation gewonnenen Beweismaterials für den Beweis der Schuld zu dem Schluss, dass selbst eine erhebliche Milderung der Strafe nicht als „ein Verfahren mit vergleichbaren Konsequenzen wie der Ausschluss der angegriffenen Beweismittel“ angesehen werden könne (EGMR, aaO, Rn. 68 f.).
b) Diese Rechtsprechung ist vom Bundesgerichtshof bei der Bestimmung der Rechtsfolge einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation zu berücksichtigen.
aa) Innerhalb der deutschen Rechtsordnung stehen die Europäische Menschenrechtskonvention und ihre Zusatzprotokolle – soweit sie für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten sind – im Range eines Bundesgesetzes. Diese Rangzuweisung führt dazu, dass deutsche Gerichte die Konvention wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden haben (BVerfGE 111, 307, 317; 128, 326, 366 f.). Eine besondere Bedeutung für das Konventionsrecht als Völkervertragsrecht haben die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, weil sich in ihnen der aktuelle Entwicklungsstand der Konve ntion und ihrer Protokolle widerspiegelt (BVerfGE 111, 307, 319).
Zur Bindung der Gerichte an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) gehört daher die Berücksichtigung der Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Entscheidungen des Gerichtshofs im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung des innerstaatlichen Rechts. Sowohl die fehlende Auseinandersetzung mit einer Entscheidung des Gerichtshofs als auch deren gegen vorrangiges Recht verstoßende schematische „Vollstreckung“ können nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gegen Grundrechte in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verstoßen (BVerfGE 111, 307, 323 f.; BVerfG NJW 2015, 1083, 1085). Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist danach auch auf der Ebene des einfachen Rechts möglichst schonend in das vorhandene, dogmatisch ausdifferenzierte nationale Rechtssystem einzupassen (vgl. BVerfGE 111, 307, 327; 128, 326, 371).
bb) Danach kommt die Strafzumessungslösung, deren Vereinbarkeit mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Schrifttum von Anfang an umstritten war (vgl. statt vieler Imme Roxin, Die Rechtsfolgen schwerwiegender Rechtsstaatsverstöße in der Strafrechtspflege, 4. Aufl., 2004, S. 179 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., Einl. Rn. 148a, beide mwN) als Konsequenz rechtsstaatswidriger Tatprovokation nicht mehr in Betracht (so auch Meyer/Wohlers, JZ 2015, 761, 769; Sommer, StraFo 2014, 508; Petzsche, JR 2015, 88, 89; Pauly, StV 2015, 411 f.; Sinn/Maly, NStZ 2015, 379, 381 f.).
Zwar muss das nationale Rechtssystem nicht zwingend dem dogmatischen Ansatz des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte folgen (siehe BVerfG, NJW 2015, 1083, 1085). Denn solange die inhaltlichen Anforderungen, die Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK an die Fairness des Strafverfahrens stellt, erfüllt sind, überlässt es der Gerichtshof den nationalen Gerichten zu entscheiden, wie die Anforderungen der Konvention in die jeweiligen nationalen Strafrechtssysteme zu integrieren sind. Der Gerichtshof betont dementsprechend im Allgemeinen, dass die Frage der Zulässigkeit und Würdigung einzelner Beweise vornehmlich der Regelung des nationalen Rechts vorbehalten bleibe, wohingegen seine Aufgabe darin bestehe festzustellen, ob das Verfahren als Ganzes, einschließlich der Art und Weise der Beweisaufnahme, fair war (vgl. EGMR, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 54648/09 [Furcht gegen Deutschland], JR 2015, 84; Urteil vom 9. Juni 1998 – 44/1997/828/1034 [Teixeira de Castro gegen Portugal], NStZ 1999, 47, 48; Urteil vom 5. Februar 2008 – 74420/19 [Ramanauskas gegen Litauen], NJW 2009, 3565, 3566, jew. mwN). Dementsprechend hält der Gerichtshof auch ein Verfahren mit ähnlichen Konsequenzen grundsätzlich für geeignet, eine ausreichende Wiedergutmachung des Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK zu gewährleisten.
Wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aber nunmehr – nachdem der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit wiederholt die Strafzumessungslösung als ausreichend zur Kompensation angesehen hatte – ausdrücklich festgestellt hat, führt auch eine erhebliche Milderung der Strafe nicht zu Konsequenzen, die einem Ausschluss sämtlicher durch die konventionswidrige Tatprovokation des Staates erlangten Beweismittel vergleichbar sind. Die Strafzumessungslösung, soweit sie nicht zu einem vollständigen Absehen von Strafe führt (dafür Sinn/Maly, NStZ 2015, 379, 383) stellt damit auch keine vollständige Wiedergutmachung im Sinne des Art. 41 EMRK dar (vgl. Imme Roxin aaO S. 181 f.). Die Einhaltung der Mindeststandards der Konvention in der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (Art. 1, 19 EMRK) wird durch die Strafzumessungslösung daher nicht gewährleistet (vgl. aber BGH, Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, Rn. 7 f., wo die abschließenden Konsequenzen aus der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Strafzumessungslösung allerdings nicht ausdrücklich erörtert werden).c) Die danach gebotene Neubewertung der staatlichen Tatprovokation führt bei der erforderlichen schonenden Einpassung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in das nationale Rechtssystem im vorliegenden Fall zur Annahme eines Verfahrenshindernisses.
aa) Die Wendung des Gerichtshofs, wonach alle als Ergebnis polizeilicher Provokation gewonnenen Beweismittel ausgeschlossen werden müssen oder aber ein Verfahren mit vergleichbaren Konsequenzen eingreifen muss, damit das Verfahren – auch als Ganzes – als fair angesehen werden kann, könnte zwar für die Annahme eines umfassenden Beweisverwertungsverbots sprechen.
Ein solches Beweisverwertungsverbot stünde, wie der Bundesgerichtshof bereits dargelegt hat, indes mit grundlegenden Wertungen des deutschen Strafrechtssystems nicht ohne Weiteres in Einklang und führte zu unlösbaren Abgrenzungsschwierigkeiten (vgl. schon BGH, Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 334 f.; Urteil vom 23. Mai 1984 – 1 StR 148/84, BGHSt 32, 345, 355).
So betrifft ein Beweisverwertungsverbot grundsätzlich nur die unmittelbare Verwertung von bestimmten, rechtswidrig erlangten Beweismitteln zur Feststellung der Schuldfrage (vgl. BVerfG, NJW 2015, 1083, 1085; BVerfG, NJW 2011, 2417, 2419; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., Einl. Rn. 55; KKStPO/Senge, 7. Aufl., Vor § 48 Rn. 82; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, 28. Aufl., § 24 Rn. 21). In den Fällen der rechtsstaatswidrigen Tatprovokation betrifft das rechtswidrige, gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK verstoßende Handeln des Staates dagegen nicht erst die Erlangung von Beweismitteln, sondern es hat die Tat als solches zur Folge (vgl. auch Tyszkiewicz, Tatprovokation als Ermittlungsmaßnahme, 2014, S. 223 ff.; Gaede/Buermeyer, HRRS 2008, 279, 286). Insofern greift die Überlegung zu kurz, es seien die durch die Tatprovokation „gewonnenen“ Beweise zu eliminieren. Im Übrigen stellt sich die spätere Erhebung dieser Beweise im Strafverfahren jedenfalls nicht als von vornherein rechtswidrig dar. Die Beweiserhebung durch den Tatrichter ist vielmehr zunächst regelmäßig geboten, um die tatsächlichen Umstände einer behaupteten Tatprovokation klären und die daraus folgenden Konsequenzen prüfen zu können.
Umso weniger erscheint, was den Umfang eines möglichen Verwertungsverbotes angeht, eine Differenzierung zwischen „unmittelbar“ und „mittelbar“ durch die Tatprovokation erlangten Beweisen durchführbar (hierfür aber wohl BVerfG, NStZ 2015, 1083, 1086). Dies wird exemplarisch in den Fällen deutlich, in denen – wie hier und in dem der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Grunde liegenden Fall – die Verurteilung der Angeklagten im Wesentlichen auf deren Geständnis beruht. Wie der Bundesgerichtshof unter Bezugnahmen auf Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bereits entschieden hat, könnte die erforderliche Beschränkung der Zulässigkeit polizeilicher Tatprovokation nicht erreicht werden, wenn darauf abgestellt würde, ob die Angaben des Verdeckten Ermittlers (oder der Vertrauensperson) das wichtigste Beweismittel darstellen. In vielen Fällen sind deren Angaben zur eigentlichen Überführung des Provozierten nicht notwendig, weil häufig auch Polizeibeamte die Rauschgiftübergabe beobachten und dabei unter Sicherstellung von Drogen und Festnahme der Täter zugreifen, so dass es für die Beweiswürdigung häufig nicht entscheidend darauf ankommt, ob der Angeklagte später – bedingt durch die erlangten Ermittlungsergebnisse oder um geltend zu machen, zur Tat provoziert worden zu sein – ein Geständnis ablegt (BGH, Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 331 f.).
Allein der Ausschluss der Angaben der Lockspitzel von der Beweisführung gewährleistet nicht, dass am Ende ein Verfahren stehen könnte, welches im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in seiner Gesamtheit „fair“ sein könnte (so auch: Meyer/Wohlers, JZ 2015, 761, 765; ebenso wohl auch Sinn/Maly, NStZ 2015, 379, 383). Die Nichtverwendung aller auch in mittelbarer Weise erlangten Beweismittel liefe auch der Sache nach auf ein Verfahrenshindernis hinaus (so auch Meyer/Wohlers, JZ 2015, 761, 769: „Bestrafungshindernis“; vgl. auch Pauly, StV 2015, 411, 413).bb) Demgegenüber fügt sich die Annahme eines Verfahrenshindernisses „schonend“ in das deutsche Strafrechtssystem ein u nd genügt den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.
(1) Die Anerkennung eines Verfahrenshindernisses knüpft an die provozierte Tat selbst und daher – anders als ein Beweisverwertungsverbot – an der unmittelbaren Folge des rechtsstaatswidrigen Handelns an. Es führt zur Einstellung des Verfahrens hinsichtlich dieser Tat (§§ 206a, 260 Abs. 3 StPO) und damit zu vergleichbaren Konsequenzen wie der Ausschluss sämtlicher als Ergebnis polizeilicher Tatprovokation gewonnener Beweismittel (so auch Petzsche JR 2015, 88, 89; Gaede/Buermeyer, HRRS 2008, 279, 286).
(2) Gegen die Annahme eines Verfahrenshindernisses als Folge einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation bestehen auch keine durchgreifenden dogmatischen Einwände nach dem System des nationalen Rechts. Diese Lösung wurde bereits früher von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur Senat, Urteil vom 6. Februar 1981 – 2 StR 370/80, NJW 1981, 1626; Beschluss vom 13. November 1981 – 2 StR 242/81, NStZ 1982, 126; Beschluss vom 23. Dezember 1981 – 2 StR 742/81, NStZ 1982, 156) und wird auch heute noch von Teilen der Literatur (vgl. etwa Tyszkiewicz aaO S. 225 ff.; Gaede/Buermeyer, HRRS 2008, 279, 286; Esser, Auf dem Weg zu einem europäischen Strafverfahrensrecht, 2002, S. 178; Sinner/Kreuzer, StV 2000, 114, 117; Küpper, JR 2000, 257; s. auch LR/Erb, StPO, 26. Aufl., § 163 Rn. 72) befürwortet. Die Rechtsfigur des Verfahrenshindernisses ist unbeschadet der Tatsache, dass sie in der Strafprozessordnung nicht allgemein definiert ist, eine anerkannte dogmatische Kategorie und stellt daher – anders als etwa die Annahme eines gesetzlich nicht geregelten Strafausschließungsgrunds (hierfür etwa I. Roxin aaO S. 220 ff.) – eine aus dem Blickwinkel der innerstaatlichen Rechtsordnung schonende Möglichkeit der Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dar. Dem steht auch nicht die Notwendigkeit entgegen, das Vorliegen des Verfahrenshindernisses aufgrund einer umfassenden Gesamtwürdigung des Sachverhalts zu prüfen. Diese Notwendigkeit kann sich im Einzelfall auch bei der Prüfung anderer Verfahrensvorausse tzungen oder Verfahrenshindernisse ergeben, so etwa bei der Frage einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung (vgl. Senat, Urteil vom 25. Oktober 2000 – 2 StR 232/00, BGHSt 46, 159, 168 ff.) oder etwa beim Vorliegen eines besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung eines relativen Antragsdelikts, des Nichteintritts der Strafverfolgungsverjährung oder des Eingreifens eines Straffreiheitsgesetzes. Auch ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sich ein Verfahrenshindernis erst nach umfangreicher Sachverhaltserforschung ergibt (aA Imme Roxin aaO S. 210 mwN), beispielsweise in den Fällen des Strafklageverbrauchs. Der Gesichtspunkt, dass Verfahrenshindernisse in der Regel – wenngleich nicht stets – an objektiv feststellbare Tatsachen anknüpfen und nicht Ergebnis wertender Abwägungen sind (vgl. BGH, Urteil vom 23. Mai 1984 – 1 StR 148/84, BGHSt 32, 345, 351), muss im Übrigen zurücktreten, wenn feststeht, dass für eine solche Abwägung aufgrund des Gewichts des Verstoßes kein Raum bleibt, wie sich hier aus den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ergibt.
Der Annahme eines Verfahrenshindernisses als regelmäßige Folge einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation kann auch nicht entgegengehalten werden, die unterschiedslose Behandlung aller davon erfassten Fälle würde den großen Unterschieden insbesondere hinsichtlich des Umfangs des späteren schuldhaften Verhaltens des Provozierten nicht gerecht (so aber noch BGH, Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 333). Zum einen dürften etwa Fälle wie diejenigen eines zufälligen Ansprechens eines bislang unverdächtigen Rauschgifthändlers, der daraufhin eigene, umfangreiche Aktivitäten zur Durchführung eines Betäubungsmittelgeschäfts entfaltet, schon keine Konstellation sein, die als rechtsstaatswidrige Tatprovokation anzusehen ist, obwohl sie vielfach als Beispiele dafür angeführt werden, dass für solche Fälle die Annahme eines Verfahrenshindernisses nicht angemessen sei. Zum anderen stellt das in diesem Zusammenhang bemühte Argument, im Hinblick auf die Intensität der anfänglichen Verdachtslage, die Hartnäckigkeit des Verdeckten Ermit tlers sowie die Schuld des durch diesen zur Tat Provozierten gebe es weit au seinander liegende Fallgestaltungen, die eine Differenzierung erforderten (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 333 f.), eine Behauptung dar, die jedenfalls mit den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht (mehr) in Einklang zu bringen ist. Mit der Annahme der Voraussetzungen einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation müssen alle als Ergebnis polizeilicher Provokation gewonnenen Beweismittel ausgeschlossen werden oder aber es muss ein Verfahren mit vergleichbaren Konsequenzen eingreifen, damit das Verfahren – auch als Ganzes – als fair angesehen werden kann. Dies schließt weitere Differenzierungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten aus.(3) Ein Verfahrenshindernis widerspricht auch nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar bislang offengelassen, ob aus einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation ein Verfahrenshinde rnis hergeleitet werden kann; es hat dies aber jedenfalls in Ausnahmefällen für möglich erachtet, wenn sich ein tatprovozierendes Verhalten gegen einen (bis dahin) gänzlich Unverdächtigen richtet, der lediglich „als Objekt der staatlichen Ermittlungsbehörden einen vorgefertigten Tatplan ohne eigenen Antrieb ausgeführt hat“ (vgl. BVerfG, NJW 1987, 1874; NJW 1995, 651, 652; Beschluss vom 18. Mai 2001 – 2 BvR 693/01; NJW 2015, 1083, 1084). Damit ist verfassungsrechtlich die Annahme eines Verfahrenshindernisses aber nicht schon auf Ausnahmefälle beschränkt. Insbesondere erfolgt auch die Herleitung der bisherigen „Strafzumessungslösung“ nicht aus der Verfassung selbst; sie ist einfachrechtlich begründet. Eine andere Reaktion auf die rechtsstaatswidrige Tatprovokation wäre, worauf das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 18. Dezember 2014 (NJW 2015, 1083, 1086) ausdrücklich hingewiesen hat, daher von Verfassungs wegen zulässig. Soweit das Bundesverfassungsgericht darüber hinaus die Strafgerichte aufgefordert hat, zukünftig ein Verwertungsverbot bezüglich der unmittelbar durch die rechtsstaatswidrige Tatprovokation gewonnenen Beweise (insbesondere bezüglich der unmittelbar in die Tatprovokation verstrickten Zeugen) zu erwägen, stellt sich dies als ein – jedenfalls nicht aus verfassungsrechtlichen Erwägungen gewonnener – Hinweis dar, der im Übrigen im Rahmen der Nichtannahmeentscheidung der Kammer eine Bindungswirkung nach § 31 Abs. 1 BVerfG nicht entfaltet (vgl. BVerfGE 92, 91, 107).
3. Danach folgt aus der festgestellten rechtsstaatswidrigen Tatprovokation ein Verfahrenshindernis, obwohl im vorliegenden Fall mit Blick auf den gegen die Angeklagten bestehenden Tatverdacht die Voraussetzungen eines Verfahrenshindernisses von Verfassungs wegen nicht gegeben sind. Es kann d ahinstehen, ob in allen Fällen der rechtsstaatswidrigen Tatprovokation – was angesichts der strikten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nahe liegt – die Annahme eines Verfahrenshindernisses aus menschenrechtlicher Sicht geboten ist (so wohl Meyer/Wohlers, JZ 2015, 761, 770) oder ob in besonderen Ausnahmefällen eine Kompensation der Verletzung des fairen Verfahrens nach Art. 6 Abs. 1 EMRK auf andere Weise als durch die Einstellung des Verfahrens denkbar ist, denn angesichts des festgestellten Gewichts des tatprovozierenden Verhaltens kam hier die Annahme eines Ausnahmefalls nicht in Betracht.
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