Nach § 180 ZPO kann eine Zustellung, sofern der Empfänger nicht angetroffen wird pp. auch durch Einlegen in den Briefkasten zugestellt werden. Eine solche Ersatzzustellung setzt grundsätzlich voraus, dass eine Wohnung des Adressaten an dem Ort, an dem zugestellt werden soll, tatsächlich von dem Adressaten genutzt wird.
Für den Begriff der „Wohnung“ im Sinne der Zustellungsvorschriften der ZPO kommt es grundsätzlich auf das tatsächliche Wohnen, nämlich darauf an, ob der Zustellungsempfänger hauptsächlich in den Räumen lebt und insbesondere, ob er dort schläft. Räume verlieren ihre Eigenschaft als Wohnung, wenn der Zustellungsempfänger sie nicht mehr zu den vorgenannten Zwecken nutzt, sondern den räumlichen Mittelpunkt seines Lebens an einen anderen Aufenthaltsort verlagert.
Ob dies der Fall ist, ist nach den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen, wobei auch Sinn und Zweck der Zustellungsvorschriften zu beachten sind. Die Beweiskraft der Zustellungsurkunde erstreckt sich nicht darauf, dass der Zustellungsadressat unter der Zustellungsanschrift wohnt Die urkundliche Erklärung des Postbediensteten, der Beklagte sei „in der Wohnung“ nicht angetroffen worden, begründet aber ein beweiskräftiges Indiz, das nur durch eine plausible Gegendarstellung entkräftet werden kann . Dementsprechend kann das Gericht aufgrund der Beurkundung der Ersatzzustellung im Regelfall solange davon ausgehen, dass der Zustellungsempfänger dort wohnt, als dieser die Indizwirkung nicht durch eine plausible und schlüssige Darstellung entkräftet, wozu die schlichte Behauptung, unter der Zustellungsanschrift nicht zu wohnen, noch nicht genügt.
Dies hat das Schleswig-Holsteinische OLG in seiner Entscheidung vom 15.02.2018 (5 U 116/17) und die Berufung mit der maßgeblichen Begründung der Vortrag dazu, dass die Berufungsfürherin nicht am Zustellungsort gewohnt habe sei unplausibel und im Übrigen rechtsmißbräuchlich als unbegründet zurückgewiesen.
Die Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Einzelrichterin der 7. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 18. Oktober 2017 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckbaren Betrages leistet.
Gründe
I.
Die Parteien streiten über die Vollstreckbarkeit eines gegen die Beklagte ergangenen Versäumnisurteils.
Das Landgericht Itzehoe erließ am 13. Juni 2002 ein Versäumnisurteil gegen die Beklagte, worin die Beklagte verurteilt wurde, an die Klägerin € 25.564,59 zu zahlen.
Dagegen legte die Beklagte Einspruch ein, den das Landgericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil vom 10. Oktober 2017 als unzulässig verworfen hat. Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angegriffenen Urteils Bezug genommen.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Beklagte habe den Einspruch nicht fristgemäß innerhalb der am 3. Juni 2002 abgelaufenen 2-wöchigen Einspruchsfrist (§ 339 Abs. 1 ZPO) eingelegt. Die Zustellung des Versäumnisurteils sei am 19. Juni 2002 wirksam erfolgt. Dies ergebe sich aus dem Zustellungsvermerk des Urkundsbeamten auf der Rückseite des Versäumnisurteils, der aus der Eintragung der zwischenzeitlich vernichteten Zustellungsurkunde übernommen worden sei und nach § 418 ZPO den vollen Beweis darüber erbringe, dass der Beklagten das Urteil am 19. Juni 2002 zugestellt worden sei. Die Beklagte habe den ihr obliegenden Gegenbeweis nicht erbracht. Die Behauptung der Beklagten, sie habe in dem Zeitraum vom Jahr 2000 bis 2016 keinen festen Wohnsitz im Sinne des § 7 BGB in Deutschland gehabt, reiche nicht aus, um den ihr obliegenden Gegenbeweis zu führen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die sie im Wesentlichen wie folgt begründet:
Das Landgericht habe die von der Beklagten angebotenen Beweisantritte darüber, dass sie bei Zustellung des Versäumnisurteils nicht in … K. (in Deutschland), sondern auf Sardinien gewohnt habe, übergangen. So habe das Landgericht den angebotenen Beweis durch den Zeugen F. weder zur Kenntnis genommen noch begründet, warum es diesem Beweisangebot nicht nachgegangen sei. Auch die eidesstattliche Versicherung der Beklagten vom 14. Februar 2017 hinsichtlich ihres Wohnsitzes habe das Landgericht nicht berücksichtigt (Bl. 114).
Die Beklagte sei 2002 von K. in der Schweiz nach Sardinien gezogen, wo sie bis zum Mai 2003 in P. C. gelebt habe. Der Lebensmittelpunkt der Beklagten habe sich also zum Zeitpunkt der Zustellung des Versäumnisurteils am 19. Juni 2002 auf Sardinien befunden. Das Namensschild der Beklagten an der Adresse B. 21 in … K. (in Deutschland) sei bereits am 1. Juni 2002 abgenommen worden. Es sei auch die polizeiliche Abmeldung erfolgt. Die Beklagte habe seit dem Jahre 2000 nicht mehr in K. gewohnt. Die Beklagte sei zwar im Jahre 2002 unter der Adresse B. 21 in … K. gemeldet gewesen. Sie habe dort aber tatsächlich nicht ihren Wohnsitz gehabt.
Das Landgericht habe den Beweiswert des Zustellungsvermerks auf der Rückseite des Versäumnisurteils falsch eingeschätzt. Der Zustellungsvermerk entfalte lediglich Indizwirkung. Diese Indizwirkung habe die Beklagte widerlegt, indem sie unter Beweisantritt vorgetragen habe, bereits seit 2000 nicht mehr unter der Zustelladresse gewohnt zu haben.
Schließlich könne sie die Forderung der Klägerin weder dem Grunde noch der Höhe nach nachvollziehen oder überprüfen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 10. Oktober 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Landgericht habe die Zustellung des Versäumnisurteils zu Recht für wirksam erachtet. Außerdem sei der gegen die Beklagte ausgeurteilte Zahlungsanspruch sachlich begründet.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch den Zeugen F.. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzung vom 1. Februar 2018 verwiesen.
Die Beklagte hat nach Schluss der mündlichen Verhandlung noch einen Schriftsatz eingereicht. Dieser gab keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Die Beklagte hat gegen das ihr zugestellte Versäumnisurteil vom 13. Juni 2002 nicht rechtzeitig Einspruch eingelegt. Das Landgericht hat den Einspruch daher zu Recht als unzulässig verworfen.
Die Zulässigkeit des Einspruchs ist nach § 341 Abs. 1 Satz 1 ZPO von Amts wegen zu klären (BVerfG, Kammerbeschluss vom 5. Oktober 1996 – 2 BvR 2195/95, juris Rn. 9; BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2007 – VII ZB 31/07, juris Rn. 7; vgl. auch: BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1999 – VI ZB 30/99, juris Rn. 6; Beschluss vom 16. Januar 2007 – VIII ZB 75/06, Rn. 8 jeweils zu § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Bei der Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen des Einspruchs gilt, wie bei einem Rechtsmittel, der so genannte Freibeweis (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1999 – VI ZB 30/99, juris Rn. 6; Beschluss vom 16. Januar 2007 – VIII ZB 75/06, Rn. 8; Beschluss vom 11. Oktober 2007 – VII ZB 31/07, juris Rn. 8). Danach ist das Gericht weder von einem Beweisantritt der Parteien abhängig noch auf die gesetzlichen Beweismittel beschränkt (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1999 – VI ZB 30/99, juris Rn. 6; Beschluss vom 16. Januar 2007 – VIII ZB 75/06, Rn. 8; Beschluss vom 11. Oktober 2007 – VII ZB 31/07, juris Rn. 8; vgl. auch: BVerfG, Kammerbeschluss vom 3. Juni 1991 – 2 BvR 511/89, juris 18).
Die Beklagte konnte die Indizwirkung der urkundlichen Erklärung des Postbediensteten, die Beklagte sei „in der Wohnung“ B. 21 in … K. (in Deutschland) nicht angetroffen worden, nicht entkräften (1.). Außerdem ist die Berufung der Beklagten darauf, unter der Adresse B. 21 in … K. (in Deutschland) nicht gewohnt zu haben, rechtsmissbräuchlich (2.).
1.
Die Beklagte hat die Indizwirkung der urkundlichen Erklärung des Postbediensteten nicht entkräftet.
a)
Die Ersatzzustellung nach § 182 ZPO aF setzt voraus, dass eine Wohnung des Adressaten an dem Ort, an dem zugestellt werden soll, tatsächlich von dem Adressaten genutzt wird (BGH, Urteil vom 27. Oktober 1987 – VI ZR 268/86, juris Rn. 9; Urteil vom 14. September 2004 – XI ZR 248/03, juris Rn. 14; Urteil vom 16. Juni 2011 – III ZR 342/09, Rn. 13).
Für den Begriff der „Wohnung“ im Sinne der Zustellungsvorschriften der ZPO kommt es grundsätzlich auf das tatsächliche Wohnen, nämlich darauf an, ob der Zustellungsempfänger hauptsächlich in den Räumen lebt und insbesondere, ob er dort schläft. Räume verlieren ihre Eigenschaft als Wohnung, wenn der Zustellungsempfänger sie nicht mehr zu den vorgenannten Zwecken nutzt, sondern den räumlichen Mittelpunkt seines Lebens an einen anderen Aufenthaltsort verlagert. Ob dies der Fall ist, ist nach den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen, wobei auch Sinn und Zweck der Zustellungsvorschriften zu beachten sind (BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. Oktober 2009 – 1 BvR 2333/09, Rn. 16; BGH, Urteil vom 24. November 1977 – III ZR 1/76, juris Rn. 11; Beschluss vom 12. Juli 1984 – IVb ZB 71/84, juris Rn. 9; Urteil vom 27. Oktober 1987 – VI ZR 268/86, juris Rn .9; Urteil vom 14. September 2004 – XI ZR 248/03, juris Rn. 14).25
Die Beweiskraft der Zustellungsurkunde erstreckt sich nicht darauf, dass der Zustellungsadressat unter der Zustellungsanschrift wohnt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 3. Juni 1991 – 2 BvR 511/89, juris Rn. 12; Kammerbeschluss vom 5. Oktober 1996 – 2 BvR 2195/95, juris Rn. 9). Die urkundliche Erklärung des Postbediensteten, der Beklagte sei „in der Wohnung“ nicht angetroffen worden, begründet aber ein beweiskräftiges Indiz, das nur durch eine plausible Gegendarstellung entkräftet werden kann (BVerfG, Kammerbeschluss vom 3. Juni 1991 – 2 BvR 511/89, juris Rn. 17; Kammerbeschluss vom 5. Oktober 1996 – 2 BvR 2195/95, juris Rn. 9; BGH, Beschluss vom 19. Juni 1996 – XII ZB 89/96, juris Rn. 8; Urteil vom 14. September 2004 – XI ZR 248/03, juris Rn. 15). Dementsprechend kann das Gericht aufgrund der Beurkundung der Ersatzzustellung im Regelfall solange davon ausgehen, dass der Zustellungsempfänger dort wohnt, als dieser die Indizwirkung nicht durch eine plausible und schlüssige Darstellung entkräftet, wozu die schlichte Behauptung, unter der Zustellungsanschrift nicht zu wohnen, noch nicht genügt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 3. Juni 1991 – 2 BvR 511/89, juris Rn. 17; Kammerbeschluss vom 5. Oktober 1996 – 2 BvR 2195/95, juris Rn. 9).
b)
Vorliegend hat die Beklagte die Indizwirkung der Zustellungsurkunde nicht entkräftet. Ihre Darstellung ihrer Wohnverhältnisse ist weder plausibel noch schlüssig.27
So hat sie zunächst vorgetragen, sie habe im Juni 2002 in der Schweiz, und zwar in … K., …, gelebt (GA 2). Dann behauptet sie, in … K., …, lediglich bis März 2002 gelebt zu haben (GA 69). Danach habe sie bis Ende April 2002 (gemeint ist wohl: 2003 – vgl. GA 70 und GA 117) auf Sardinien gelebt (GA 69), im Mai 2003 sei sie zurück in die Schweiz gezogen (GA 69). Die Beklagte hat dabei bei den Adressen in der Schweiz immer Ort, Postleitzahl, Straße und Hausnummer angegeben, während sie hinsichtlich ihres Wohnsitzes auf Sardinien zunächst nur pauschal auf die Insel Sardinien ohne nähere Konkretisierungen verweist (GA 2, 19 und 69). Erst in der Berufungsbegründung nennt sie erstmals den Ort auf Sardinien mit Postleitzahl (GA 115). Hier wiederholt sie auch ihren Vortrag, sie habe im Juni 2002 auf Sardinien gelebt (GA 113).
Die Beklagte räumt ein, im Jahr 2002 unter der Zustellungsadresse B. 21 in … K. (in Deutschland) gemeldet gewesen zu sein. Zunächst trägt sie jedoch vor, sie habe sich dort anlässlich eines kurzfristigen und vorübergehenden Aufenthalts in Deutschland angemeldet (GA 2) und es handele sich um die Anschrift einer Bekannten, zu der heute kein Kontakt mehr bestehe (GA 2). Dann behauptet sie, die Adresse in K. sei die ihrer Tochter (GA 43). Schließlich, in der mündlichen Verhandlung am 1. Februar 2018, trägt sie vor, sie habe sich dort angemeldet, um in Deutschland eine Postadresse zu haben, als sie in die Schweiz zog und die Adresse sei die Wohnung einer Bekannten, zu der sie doch weiterhin in Kontakt stehe, der sie jedoch ein Erscheinen als Zeugin vor Gericht habe ersparen wollen, weshalb ihr Name zunächst nicht angegeben worden sei.
Unplausibel erscheint auch, dass die Beklagte bei der Adresse in K. das Namensschild am 1. Juni 2002 abgeschraubt habe (GA 84), obwohl es sich bei dieser Adresse doch lediglich um eine Kontaktadresse gehandelt haben soll und sie selbst an einem anderen Ort gewohnt habe.
Weitere Indizien, die den Vortrag der Beklagten zu ihren Wohnverhältnissen als widersprüchlich erscheinen lassen sind, dass das Versäumnisurteil vom 13. Juni 2002 aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist. Hierbei ist von Gesetzes wegen zu prüfen (§ 335 Abs. 1 Nr. 2 ZPO), ob die nicht erschienene Partei ordnungsgemäß geladen worden ist. Eine solche Prüfung nehmen die Gerichte auch regelmäßig vor. Außerdem ist der Kostenfestsetzungsbeschluss von Juli 2002 der Beklagten öffentlich zugestellt worden (GA 9 u. 10). Es war demnach offensichtlich eine Zustellung in K. versucht worden, die fehlgeschlagen ist, was dafür spricht, dass der Zusteller sorgfältig gearbeitet hat. Schließlich legte die Beklagte mit ihrer Vollstreckungsabwehrklage vom 26. Januar 2017 einen Schriftsatz der damaligen klägerischen Bevollmächtigten vor, mit der diese die Anschrift der Beklagten in K. bekräftigen (GA 6). Da die Akte vernichtet ist, liegt es nahe, dass die Beklagte diesen Schriftsatz unter ihrer Adresse in K. empfangen hat. Diese Widersprüche hat die Beklagte im Rahmen ihrer Anhörung nicht auszuräumen vermocht. Sie hat zwar verschiedene Ungereimtheiten klargestellt, konnte aber nicht angeben, wie es zu ihnen kommen konnte. Sie hat auch keinerlei objektive Indizien dartun können, die ihre Behauptung, nicht in K. zu wohnen, stützen.
Die Aussage des Zeugen F. hat den Senat nicht überzeugt. Der Zeuge war erfüllt von dem Gedanken, dass die Klägerin der Beklagten schaden wolle und es sich bei der Klägerin um eine „Verbrecherorganisation“ handele. Er hat auch bei verschiedenen Punkten die Unwahrheit gesagt: So hat er zunächst angegeben, den Mahnbescheid nie erhalten zu haben. Nachdem er seine Schrift auf dem Widerspruch erkannte, gab er an, sich nicht erinnern zu können, wie er ihn erhalten habe. Möglicherweise sei er ihm von der Steuerberaterin der GmbH übersandt worden. Dies ist offensichtlich falsch. Die GmbH befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Insolvenzverfahren. Der Mahnbescheid ist auch nicht an die GmbH adressiert.
Weitere Ermittlungen sind insoweit nicht veranlasst. Soweit die Beklagte nunmehr – nach Schluss der mündlichen Verhandlung – noch umfänglich Beweis zum Wohnort der Beklagten anbietet, ist sie wie diesem Vorbringen nach § 296a ZPO ausgeschlossen. Das Gericht sieht keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, ihre Bekannte aus K. bewusst nicht benannt zu haben, um ihr eine Vernehmung zu ersparen. Das fällt ihr zur Last (§ 230 ZPO).
2.
Die Berufung der Beklagten darauf, unter der Adresse B. 21 in … K. (in Deutschland) nicht gewohnt zu haben, ist überdies rechtsmissbräuchlich, da die Beklagte über ihren tatsächlichen Lebensmittelpunkt bewusst und zielgerichtet einen Irrtum erregt hat.
a)
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass es eine unzulässige Rechtsausübung darstellt, wenn der Zustellungsadressat eine fehlerhafte Ersatzzustellung geltend macht, obwohl er einen Irrtum über seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt bewusst und zielgerichtet herbeigeführt hat (BGH, Urteil vom 16. Juni 2011 – III ZR 342/09, Rn. 15). Hierbei handelt es sich jedoch nicht um die Erleichterung einer wirksamen Zustellung im Wege der objektiven Zurechnung eines Rechtsscheins. Vielmehr wird dem Empfänger im Lichte des das gesamte Recht beherrschenden Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter engen Voraussetzungen lediglich versagt, sich auf die Unwirksamkeit einer Zustellung zu berufen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. Oktober 2009 – 1 BvR 2333/09, Rn. 18; BGH, Urteil vom 16. Juni 2011 – III ZR 342/09, Rn. 15).
b)
Nach ihrem eigenen Vortrag hat die Beklagte sich in K. polizeilich angemeldet, um in Deutschland eine Postanschrift und eine Zustelladresse zu haben. Sie hat damit nach außen hin den Eindruck erweckt, an dieser Adresse auch tatsächlich ihren Lebensmittelpunkt zu haben, obwohl das nach ihren eigenen Angaben tatsächlich niemals der Fall war. Sie hat damit nach außen hin bewusst einen falschen Eindruck über ihren tatsächlichen Lebensmittelpunkt erweckt. Außerdem hat sie offensichtlich unter der Adresse auch tatsächlich Post empfangen. Erst kurz vor der Zustellung des streitgegenständlichen Versäumnisurteils am 19. Juni 2002, nämlich am 1. Juni 2002, hat die Beklagte dann aber, nach eigenen Angaben, ihr Namensschild dort abgeschraubt. Das spricht dafür, dass sie den falschen Eindruck über ihren tatsächlichen Lebensmittelpunkt auch zielgerichtet herbeigeführt hat.
Dieser Rechtsmissbrauch verwehrt es der Beklagten daher, sich auf einen eventuellen anderen Lebensmittelpunkt zu berufen.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Der Rechtsstreit hat seinen Schwerpunkt in den tatsächlichen Feststellungen.38
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.