Der gleichzeitige Besitz verschiedener Betäubungsmittelmengen, die jede für sich noch keine nicht geringe Menge darstellen, begründet allein weder für die Annahme eines Handeltreibens mit noch für die Annahme eines Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge die hierfür erforderliche Bewertungseinheit hinsichtlich der Gesamtmenge.
Diesen Leitsatz hat das OLG Celle zu seiner Entscheidung vom 6.6.2017 (1 Ss 22/17) aufgestellt, der Revision stattgegeben, das Urteil aufgehoben und das Verfahren an eine andere kleine Strafkammer zurückverwiesen.
Seine Entscheidung begründet das OLG maßgeblich wie folgt:
[…] Liegen einem Handeltreiben unterschiedliche Rauschgiftarten zu Grunde, kommt eine Zusammenschau der jeweils für sich genommenen geringen Mengen mit der Folge, dass diese zusammen eine nicht geringe Menge darstellen (vgl. BGH NStZ 2003, 434), nur in Betracht, wenn die unterschiedlichen Rauschgiftmengen eine Bewertungseinheit darstellen. Zwar werden sämtliche Betätigungen, die sich im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes auf den Vertrieb einer einheitlichen Rauschgiftmenge beziehen, vom gesetzlichen Tatbestand in dem pauschalierenden, verschiedenartige Tätigkeiten umfassenden Begriff des Handeltreibens zu einer Bewertungseinheit und damit zu einer Tat des Handeltreibens verbunden (vgl. BGH, Beschl. v. 5. August 2014, 3 StR 340/14, juris). Dabei ist jedoch entscheidend, dass sich die Bemühungen des Täters auf dieselbe Rauschgiftmenge beziehen (vgl. BGH NStZ 1997, 344). Allein der gleichzeitige Besitz zum Handel bestimmter Betäubungsmittelmengen aus verschiedenen Liefervorgängen reicht hierfür nicht aus (vgl. BGH NStZ 2008, 470; NStZ-RR 2017, 147). Wenn nicht ein einheitlicher Erwerbsvorgang gegeben ist, setzt die Annahme einer Bewertungseinheit voraus, dass die Betäubungsmittelmengen zu einem einheitlichen Verkaufsvorrat vereint werden (vgl. BGH NStZ-RR 2012, 121). Liegen hierfür Anhaltspunkte vor, sind Feststellungen zu Zahl und Frequenz der Ein- und Verkäufe sowie deren Zuordnung zueinander erforderlich (vgl. BGH StV 2002, 257). Bei unangemessenen Aufklärungsaufwand kommt gegebenenfalls auch eine an den Umständen des Falls orientierte Schätzung in Betracht (vgl. BGH NStZ-RR 2012, 121). Nicht ausreichend ist demgegenüber, dass der Täter Teilmengen beider Rauschgiftarten in einheitlichen Verkaufsvorgängen an einen Abnehmer veräußert (vgl. BGH, Beschl. v. 24. Januar 2017, 3 StR 487/16). Daran gemessen genügen die Feststellungen im angefochtenen Urteil nicht, um von einem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ausgehen zu können. Denn die Kammer hat lediglich festgestellt, dass der Angeklagte die unterschiedlichen Rauschgiftmengen gleichzeitig in seinem Besitz hatte.2. Eine Strafbarkeit nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Auch insoweit wären von unterschiedlichen Lieferanten bezogene und nicht zu einem einheitlichen Vorrat zusammengeführte Rauschgiftmengen nicht als einheitliche – den Grenzwert der nicht geringen Menge erst überschreitende – Gesamtmenge zu betrachten.
Indessen stellt nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH der Besitz verschiedener Betäubungsmittelmengen nur einen Verstoß gegen das BtMG dar (vgl. etwa BGH StV 1982, 524; NStZ-RR 2016, 82). Dementsprechend geht auch die Literatur teilweise davon aus, dass mehrere geringe Mengen verschiedener Betäubungsmittel sich durch Addition der Bruchteile zu einer nicht geringen Menge ergänzen können (vgl. Körner/Patzak/Volkmer, 8. Aufl., § 29 BtMG Teil 13, Rn. 95). Dieser Auffassung hat der BGH in einer neuen Entscheidung vom 24. Januar 2017 (3 StR 487/16) eine Absage erteilt. Es liege im Fall des Besitzes unterschiedlicher Rauschgiftmengen nicht ein Fall des Besitzes eben dieser Gesamtmenge vor; vielmehr handele es sich zwar um eine Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB, jedoch in der Form von zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen des Besitzes der Teilmengen. Die so vorgenommene Auslegung der durch den BGH aufgestellten Prämisse, es liege bei einem Besitz verschiedener Betäubungsmittelmengen nur ein Verstoß gegen das BtMG vor, steht zwar im Widerspruch zu der Entscheidung des BGH vom 1. August 1978 (1 StR 173/78, juris), in der die Annahme von gleichartiger Tateinheit bei gleichzeitigem Besitz verschiedener Betäubungsmittelmengen als unzutreffend bezeichnet wird, sowie der Entscheidung des BGH in StraFo 2005, 83, wonach bei gleichzeitigen Besitz verschiedener Betäubungsmittelmengen das Gesetz nur einmal verletzt werde – was im Fall von Tateinheit gerade nicht der Fall ist -, überzeugt aber jedenfalls im Ergebnis, weshalb sich der Senat dieser Auffassung anschließt. Denn eine Unterscheidung für die Bewertung, ob eine Bewertungseinheit vorliegt oder nicht, danach, ob der Täter Betäubungsmittel besitzt oder mit ihnen Handel treibt, kann dem Gesetz, das den Besitz und das Handeltreiben jedenfalls im Fall von §§ 29, 29a BtMG gleichstellt, nicht entnommen werden. Es ist zudem wenig einleuchtend, warum der Handel treibende Täter im Verhältnis zu dem bloß besitzenden Täter durch das Entfallen des Verbrechensvorwurfs privilegiert werden soll, was der Fall sein könnte, wenn der dieselbe Rauschgiftmenge betreffende Besitz hinter dem Vorwurf des Handeltreibens zurücktritt (vgl. BGH NStZ-RR 2015, 174; NStZ-RR 2016, 82).
3. Die getroffenen Feststellungen tragen die Annahme eines Handeltreibens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auch aus einem anderen Grunde nicht. Weil die Kammer selbst von einem – wenn auch geringen – Eigenkonsum des Angeklagten ausgeht, kann aufgrund der den Grenzwert der nicht geringen Menge nur geringfügig überschreitenden Gesamtrauschgiftmenge nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Angeklagte Rauschgift in einem Umfang, der immer noch den Grenzwert der nicht geringen Menge übersteigt, für den Handel vorrätig gehalten hat. Hierzu dürfte selbst bei Annahme einer Konsumeinheit von lediglich 2 g Cannabis (vgl. hierzu Körner/Patzak/Volkmer, a.a.O., Teil 28, Rn. 39) der Angeklagte nicht einmal zwei Konsumeinheiten für den Eigenkonsum besessen haben. Andernfalls wäre zwischen dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und dem gleichzeitigen Besitz der davon nicht betroffenen Betäubungsmittelmenge Tateinheit anzunehmen gewesen (vgl. BGH NStZ-RR 2016, 82). Es hätte daher konkreterer Feststellungen der Kammer zum Eigenkonsumverhalten des Angeklagten bedurft, um nachvollziehbar von einem Handeltreiben in nicht geringer Menge ausgehen zu dürfen.
4. Für die neu zu treffende Entscheidung weist der Senat abschließend darauf hin, dass die von der Kammer gewählte Darstellung hinsichtlich des Inhalts des bei dem Angeklagten gefundenen Büchleins rechtlichen Bedenken unterliegt (vgl. BGH, NStZ-RR 1996, 266; OLG Köln, Beschl. v. 8. Juni 2007, 83 Ss-Owi 40/07, juris).
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