Ein Strafgefangener der JVA Fuhlsbüttel, der in der dortigen Bäckerei arbeitet, machte für seine Tätigkeit ab Januar 2015 eine Vergütung nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) geltend.
Das Langericht Hamburg wies den entsprechenden Antrag zurück.
Das Hanseatisches OLG wies mit Beschluss vom 15.07.2015 (3 Ws 59/15 Vollz) die Rechtsbeschwerde des Inhaftierten ebenfalls zurück und stellte mit seiner Entscheidung folgende Leitsätze auf:
- Das Mindestlohngesetz findet auf Strafgefangene keine Anwendung, denn es gilt nach § 22 Abs. 1 Satz 1 MiLoG nur für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
- § 40 HmbStVollzG ist auch in Verbindung mit der Hamburger Strafvollzugsvergütungsordnung weiterhin verfassungsgemäß.
In den Entscheidungsgründen führt das OLG u.a. Folgendes aus:
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 116 Abs. 1 StVollzG unzulässig, weil es nicht geboten ist, die Entscheidung des Landgerichts zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu überprüfen.
1. Das Mindestlohngesetz findet auf Strafgefangene keine Anwendung, denn es gilt nach § 22 Abs. 1 Satz 1 MiLoG nur für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Nach der Begründung des Gesetzes (Bundestagsdrucksache 18/1558 S. 26) hat es zum Ziel, die Tarifautonomie zu stärken und angemessene Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sicherzustellen. Es ist allgemein anerkannt, dass die Arbeit im Strafvollzug öffentlich-rechtlicher Natur ist, die Gefangenen nicht Arbeitnehmer sind und zwischen den Gefangenen und der Anstalt kein Arbeitsvertrag geschlossen wird (Arloth, Strafvollzugsgesetze, 3. Aufl. 2011, § 37 StrVollzG Rn. 6; AK-StVollzG, 6. Aufl. 2012, Vor § 37 StVollzG Rn. 30 jeweils m.w.N.). So ist gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 HmbStVollzG der Strafgefangene verpflichtet, die ihm zugewiesene Arbeit auszuüben.
Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Mindestlohngesetzes erlangt der Strafgefangene auch nicht etwa dadurch, dass er bzw. für ihn die Anstalt Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zahlt. Die Beitragspflicht besteht nicht etwa nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III („Personen, die gegen Arbeitsentgelt … beschäftigt sind“), sondern wird vom Gesetzgeber in § 26 Abs. 1 Ziff. 4 SGB III ausdrücklich bestimmt.
2. § 40 HmbStVollzG ist auch in Verbindung mit der Hamburger Strafvollzugsvergütungsordnung weiterhin verfassungsgemäß. Nach § 40 Abs. 2 Satz 3 Ziff. 1 HmbStVollzG ist das Arbeitsentgelt unter Zugrundelegung von 9 vom Hundert der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV zu bestimmen, also des durchschnittlichen Arbeitsentgelts aller Versicherten in den alten Bundesländern. Der Beschwerdeführer erhielt im Januar und Februar 2015 ohne Berücksichtigung von Zeit- und Leistungszuschlägen nach Vergütungsstufe 2 100 Prozent von 9 Prozent der Bezugsgröße, im März 2015 nach Vergütungsstufe 3 125 Prozent von 9 Prozent = 11,25 Prozent der Bezugsgröße. Bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der monetären Entlohnung ist ferner zu berücksichtigen, dass gemäß § 2 Abs. 3 HmbStVollzVergO der Grundlohn sich um 13 Prozentpunkte erhöht, wenn der Gefangene in Stufe 1 vier Monate, in Stufe 2 sechs Monate und in Stufe 3 acht Monate gearbeitet hat. Der Beschwerdeführer hat daher die konkrete Aussicht, in Vergütungsstufe 3 138 Prozent von 9 Prozent = 12,42 Prozent der Bezugsgröße zu verdienen.
§ 40 Abs. 2 Satz 3 Ziff. 1 HmbStVollzG entspricht inhaltlich §§ 43, 200 StVollzG, die als Reaktion auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Juli 1998 (NJW 1998, 3337ff) neu gefasst worden sind. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Nichtannahmebeschluss vom 24. März 2002 (NJW 2002, 2023-2025) die gesetzliche Neuregelung, die in einer monetären und nichtmonetären Vergütung der Arbeit bestand, als „derzeit noch vertretbar“ angesehen, gleichzeitig aber den Gesetzgeber aufgefordert, die Bezugsgröße nicht festzuschreiben, sondern einer steten Prüfung zu unterziehen. Entgegen der in der Literatur geäußerten Kritik (etwa Callies/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Aufl. 2011, § 200 Rn. 3; AK-StVollzG, 6. Aufl. 2012, § 200 Rn. 3 – 5, jeweils m.w.N.) hält der Senat die Höhe der monetären Vergütung für noch verfassungsgemäß (ebenso OLG Hamm, Beschl. v. 20. September 2012, 1 Vollz(Ws) 456/12 – juris, ausführlich Arloth, Strafvollzugsgesetze, 3. Aufl. 2011, § 43 StVollzG Rn. 5). Die Höhe des Arbeitsentgelts ist erst dann von Verfassungs wegen zu beanstanden, wenn es zusammen mit den anderen Vorteilen, die für die Gefangenenarbeit gewährt werden, offensichtlich nicht geeignet ist, den Gefangenen in gebotenem Maße davon zu überzeugen, dass Erwerbstätigkeit zur Herstellung einer Lebensgrundlage sinnvoll ist (BVerfG a.a.O., Abs. 38). Das vermag der Senat im vorliegenden Fall nicht zu bejahen. Gerade im Bereich einfacherer Tätigkeiten herrscht in der freien Wirtschaft weiterhin ein erheblicher Lohndruck. Eine spürbare Erhöhung der Gefangenenentlohnung würde die Wettbewerbsfähigkeit der anstaltseigenen Betriebe beeinträchtigen mit der Folge des Verlustes von Arbeitsplätzen in den Vollzugsanstalten, was unter Resozialisierungsgesichtspunkten kontraproduktiv wäre. Nicht zuletzt weist das Landgericht in seinem angefochtenen Beschluss zutreffend darauf hin, dass der Beschwerdeführer mit seinem Nettoverdienst in der Haft nicht grundlegend schlechter steht als ein Mindestlohn beziehender Arbeitnehmer nach Abzug von Lohnsteuer und Sozialabgaben sowie Abzug der Kosten für Wohnung, Verpflegung und Fahrtkosten zur Arbeit.
3. Die Gefangenenentlohnung nach § 40 HmbStVollzG verstößt nicht gegen die Europäische Grundrechtscharta. Der Beschwerdeführer wird nicht wegen seiner sozialen Herkunft diskriminiert. Er unterliegt den Einschränkungen des Hamburger Strafvollzugsgesetzes, weil er Straftaten begangen hat.
4. Die weiteren vom Beschwerdeführer zitierten europarechtlichen Empfehlungen haben keinen rechtsverbindlichen Charakter. Es kann daher dahin stehen, ob die gegenwärtige Gefangenenentlohnung in Hamburg dieser Empfehlung widerspricht.
[…] die Frage nach dem Mindestlohn für Strafgefangene, […]