Nach § 23 Abs. 1b StVO darf derjenige der ein Fahrzeug führt ein technisches Gerät nicht betreiben oder betriebsbereit mitführen, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören. Nach Satz 2 gilt dies insbesondere für Geräte zur Störung oder zur Anzeige von Geschwindigkeitsmessungen.
Mit Beschluss vom 29.06.2015 (2 Ss (OWi) 313/15) hat das OLG Celle festgestellt, dass der Verbotstatbestand des § 23 Abs. 1b Satz 1 StVO auch erfüllt ist, wenn ein Fahrzeugführer während der Fahrt ein Mobiltelefon betriebsbereit mit sich führt, auf dem eine sog. „Blitzer-App“ installiert und diese App während der Fahrt aufgerufen ist. Wenn der Fahrzeugführer eine solche App während der Fahrt aufgerufen habe, sei auch sein Smartphone dazu bestimmt, Geschwindigkeitsmessungen anzuzeigen.
In den Enstcheidungsgründen führt das OLG hierzu u.a. folgendes aus:
[…] Nach § 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO handelt ordnungswidrig im Sinne des § 24 des Straßenverkehrsgesetzes, wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine Vorschrift über sonstige Pflichten des Fahrzeugführers nach § 23 Abs. 1b StVO verstößt. Wer ein Fahrzeug führt, darf ein technisches Gerät nicht betreiben oder betriebsbereit mitführen, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören, § 23 Abs. 1b Satz 1 StVO. Nach Satz 2 gilt dies insbesondere für Geräte zur Störung oder Anzeige von Geschwindigkeitsmessungen (Radar- oder Laserstörgeräte).
Soweit ersichtlich ist die streitgegenständliche Frage, ob es sich bei einem vom Fahrzeugführer mitgeführten Smartphone um ein technisches Gerät im Sinne von § 23 Abs. 1b Satz 1 StVO handeln kann, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören, bislang obergerichtlich noch nicht entschieden worden.
Das von dem Betroffenen während seiner Fahrt am Armaturenbrett seines Fahrzeugs befestigte und eingeschaltete Smartphone, auf dem zu diesem Zeitpunkt die zuvor installierte sog. Blitzer-App des Herstellers C. betriebsbereit angezeigt wurde, stellt ein technisches Gerät dar, das während dieser konkreten Fahrt dazu bestimmt gewesen ist, Geschwindigkeitsmessungen und damit Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen.
(1) Der Umstand, dass ein Smartphone bauseits zur mobilen Telekommunikation und gerade nicht primär dazu bestimmt ist, Geschwindigkeitsmessungen anzuzeigen, führt zu keiner abweichenden Beurteilung.
Der verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz verlangt eine Verhaltensnorm so zu formulieren, dass der Normadressat in die Lage versetzt wird zu erkennen, welche Verhaltensweisen verboten sind und mit welchen staatlichen Sanktionen er bei verbotswidrigem Handeln zu rechnen hat (BVerfGE 45, 371 ff.). Diesen Anforderungen wird die Regelung des § 23 Abs. 1b Satz 1 StVO auch insoweit gerecht, als dass sie den unbestimmten Rechtsbegriff des „Bestimmtseins“ verwendet. Der auslegungsbedürftige Begriff des „Bestimmtseins“ bezeichnet den Zweck, für den etwas verwendet werden soll. Dieser Begriff wird auch sonst im Strafrecht zur Abgrenzung strafbaren Verhaltens von nicht strafbarem Verhalten verwendet. Zu nennen sind beispielsweise § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB (nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmtes Werkzeug), § 248c Abs. 1 StGB (nicht zur ordnungsgemäßen Entnahme von Energie aus der Anlage oder Einrichtung bestimmter Leiter) und § 268 Abs. 2 StGB (Beweisbestimmung von technischen Aufzeichnungen). Bei aller Unterschiedlichkeit der Verwendung des Begriffes des „Bestimmtseins“ in diesen Straftatbeständen, ist ihnen eine subjektive Komponente gemeinsam. Nach diesen Strafnormen wird vorausgesetzt, dass der jeweilige Gegenstand nach den Vorstellungen einer Person für einen näher genannten Zweck bestimmt oder eben nicht bestimmt ist. Bei den genannten Straftatbeständen steht die Bestimmtheit des Straftatbestandes gemessen an dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot im Übrigen nicht infrage. Sie kann deshalb – nur weil der Begriff des Bestimmtseins eines technischen Gerätes für die Anzeige oder Störung von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen im Sinne des § 23 Abs. 1b Satz 1 StVO der Auslegung bedarf – also erst recht nicht für einen Bußgeldtatbestand infrage gestellt werden, bei dem die Anforderungen an den Grad der Bestimmtheit der Norm wegen der im Vergleich zum Strafrecht geringeren Sanktionsandrohung geringer sind als bei Straftatbeständen (Albrecht in DAR 9/2006, 481 (483) mwN.).
Zwar kann ein Mobiltelefon in Gestalt eines Smartphones für viele verschiedene Zwecke genutzt werden. Wenn der Benutzer aber auf seinem Smartphone eine entsprechende Blitzer-App installiert oder installieren lässt und diese Blitzer-App während der Fahrt aufruft, um vor mobilen und/oder stationären Geschwindigkeitsmessanlagen gewarnt zu werden, gibt er seinem Smartphone durch dieses Verhalten aktiv und zielgerichtet die neue Zweckbestimmung, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen. Zwar verfügt das Smartphone immer noch über weitere Funktionen, dies ändert aber nichts an der aus Benutzersicht konkret bestimmten Zweckrichtung. Die insoweit vorliegende Fallkonstellation ist daher vergleichbar mit der Benutzung mobiler Navigationsgeräte, die über eine sog. Ankündigungsfunktion verfügen. Bei dieser Funktion werden dem Kraftfahrer die einprogrammierten Geschwindigkeitskontrollstellen jeweils rechtzeitig mitgeteilt. Auch diese Navigationsgeräte haben primär den Zweck, dem Nutzer den Weg zu seinem Ziel zu weisen. Dass bei Navigationssystemen mit Ankündigungsfunktion die Ankündigung nur eine unter vielen anderen Funktionen ist, ändert ebenfalls nichts daran, dass diese Geräte dem Verbot des § 23 Abs. 1b Satz 1 StVO unterfallen (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 23, Rn. 35; Lütkes-Bachmeier, Straßenverkehrsrecht, Bd. 2, Stand Sept. 2014, § 23, Rn. 30a; Kärger in DAR-Extra 2011, 711; Hufnagel in NJW 2008, 621 (622)).
Soweit in Rundfunksendungen vor Geschwindigkeitsmessungen gewarnt wird, ist das Radio lediglich geeignet, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen, aber gerade nicht von dem Fahrzeugführer dazu bestimmt. Ein Radio ist weder primär zur flächendeckenden Anzeige von Geschwindigkeitsmessungen bestimmt, noch kann es nachträglich hierfür besonders ausgestattet und entsprechend gewidmet werden. Darüber hinaus werden Blitzerwarnungen im Radio gerade nicht ortsbezogen für den konkreten Standort eines konkreten Hörers/Fahrers ausgesprochen. Der Radiohörer hat keinen Einfluss auf die Rundfunksendung und kann damit den Zweck des Radios zur Anzeige von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen nicht bestimmen. Deshalb fällt das Radio als technisches Gerät nicht unter die bußgeldrechtliche Verbotsnorm des § 23 Abs. 1b Satz 1 StVO.
(2) Diese Auslegung des § 23 Abs. 1b Satz 1 StVO entspricht auch dem Willen des Verordnungsgebers und dem Sinn und Zweck der Vorschrift.
Durch die 35. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 14.12.2001 (35. ÄndVStVR) wurde in § 23 der neue Absatz 1b eingefügt. Die Bestimmung beruht auf der durch das Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 19.03.2001 (StVRÄndG) in § 6 Abs. 1 Nr. 3i StVG eingefügten Ermächtigungsgrundlage. Durch diese wurde der Verordnungsgesetzgeber zum Erlass eines Verbots, das die Verwendung technischer Einrichtungen am oder im Kraftfahrzeug untersagt, die dazu bestimmt sind, die Verkehrsüberwachung zu beeinträchtigen, ermächtigt. Bereits in der amtlichen Begründung des StVRÄndG zur Aufnahme der genannten Ermächtigungsgrundlage heißt es „Bei der Durchsetzung von Geboten und Verboten im Straßenverkehr spielt die präventive Wirkung der für Zuwiderhandlungen vorgesehenen Sanktionen eine wichtige Rolle. Dabei ist erfahrungsgemäß nicht allein die Höhe der Sanktion, sondern auch das Entdeckungsrisiko bedeutsam. (…) Auch die Bundesanstalt für Straßenwesen hat in einer Studie ein vom Verkehrsteilnehmer als hoch empfundenes Entdeckungsrisiko als entscheidend für regelkonformes Verhalten beurteilt. Würde also hingenommen, dass sich die Kraftfahrer gegen Verkehrsüberwachungsmaßnahmen wirksam schützen, so hätte dies nachhaltig negative Auswirkungen auf den verantwortungsvollen Umgang mit den Verkehrsregeln. Mit den Radarwarngeräten stehen jetzt Anlagen zur Verfügung, die bei zunehmender Verbreitung die präventive Wirkung der Geschwindigkeits- und Abstandsüberwachung mindestens teilweise erheblich beeinträchtigen können. (…) Dies kann angesichts der Bedeutung, die gerade Zuwiderhandlungen in diesem Bereich für das Unfallgeschehen haben, nicht hingenommen werden. (…) Die konkrete Ausgestaltung der Verbotsnorm soll dem Verordnungsgeber überlassen werden, um noch nicht absehbaren technische Entwicklungen zukünftig besser Rechnung tragen zu können (BT-Drucks. 14/4304).
Die daraufhin in § 23 Abs. 1b StVO aufgenommene Regelung soll deshalb auch nach der amtlichen Begründung des Verordnungsgesetzgebers zur Sicherung einer erfolgreichen Bekämpfung von Geschwindigkeitsverstößen und anderen Verkehrszuwiderhandlungen beitragen. Die Regelung soll verhindern, dass sich Kraftfahrer durch technische Vorkehrungen im Kraftfahrzeug Maßnahmen der Verkehrsüberwachung entziehen können. Hierzu heißt es in der amtlichen Begründung: „Nicht nur einzelne technische Geräte wie die derzeit am meisten verbreiteten Radarwarngeräte und Laserstörgeräte werden von dem Verbot erfasst, sondern auch andere technische Lösungen, die einen vergleichbaren Effekt erreichen. Das gilt insbesondere für die Verknüpfung der Warnung vor stationären Überwachungsanlagen mit modernen Zielführungssystemen; die entsprechenden Geräte geben die Warnung ebenfalls automatisiert und ortsbezogen ab. Die Vorschrift lässt es im Interesse der Prävention genügen, wenn das Gerät aus Sicht des Kraftfahrers zur Warnung oder Störung bestimmt ist. Auf die konkrete Eignung der Geräte, wirksam vor Kontrollen zu warnen, kommt es nicht an. Würde das Verbot solche Geräte untersagen, die zur Warnung oder Störung geeignet sind, so wären Polizei und Behörden mit dem Nachweis überfordert. Nicht erfasst werden übliche Rundfunkgeräte, bei denen es sich zwar um technische Geräte handelt, mit denen Informationen über Standorte von Überwachungsanlagen entgegengenommen werden können, die hierfür aber nicht primär bestimmt sind. Anders verhält es sich bei Geräten, die zwar verschiedene Funktionen kombinieren (z.B. Zielführung und Warnfunktion), bei denen aber mindestens eine Komponente speziell der Warnfunktion dient. Im Interesse des Vollzugs wird neben dem tatsächlichen Betreiben auch das betriebsbereite Mitsichführen untersagt. Anderenfalls müsste für den Nachweis eines Verstoßes in jedem Einzelfall belegt werden, dass das Gerät tatsächlich betrieben worden ist; dies wäre nicht praktikabel.(..) Satz 2 beschränkt nicht den Umfang der Regelung auf die dort genannten Geräte, sondern dient der Verdeutlichung und dem Verständnis“ (Begr. zur 35. ÄndVVStVR v. 14.12.2001, VkBl. 2002, 142 ff., vgl. auch Hentschel/König/Dauer/König, 43. Aufl., § 23 StPO, Rn. 5/6).
Danach ist der subjektiv-historische Wille des Gesetz- und Verordnungsgebers klar in den amtlichen Begründungen zum Ausdruck gekommen. Die teleologische Auslegung gebietet es damit auch, den Begriff der technischen Geräte, die unter das Verwendungsverbot des § 23 Abs. 1b Satz 1 StVO fallen, weit zu verstehen. Es sollen insbesondere auch andere technische Lösungen als die in Satz 2 beispielhaft aufgezählten Radarwarn- und Laserstörgeräte von dem Verbot erfasst werden, wenn diese einen vergleichbaren Effekt erreichen. Die Verwendung von sog. Blitzer-Apps auf Smartphones fällt nach dem Willen des Gesetz- und Verordnungsgeber ebenfalls unter das Verbot.
Im vorliegenden Fall war also nicht der Nachweis erforderlich, dass die von dem Betroffenen betriebsbereit mit sich geführte Blitzer-App tatsächlich einwandfrei funktioniert und Warnungen vor Geschwindigkeitsmessungen angezeigt hat. Die dahingehende Behauptung des Betroffenen in der Hauptverhandlung hatte deshalb aus rechtlichen Gründen für die Entscheidung keine Bedeutung. Der Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dieser Frage hätte aus diesem Grund ebenfalls abgelehnt werden können.
(3) Soweit der Rechtsbeschwerdeführer geltend macht, Mobiltelefone seien ab-schließend von § 23 Abs. 1a StVO erfasst und könnten deshalb nicht der Regelung des § 23 Abs. 1b Satz 1 StVO unterfallen, verfängt dieser Vortrag ebenfalls nicht. Insoweit hat das Amtsgericht zutreffend ausgeführt, dass beide Absätze eine unterschiedliche Zielsetzung verfolgen. Das sog. Handyverbot des Absatzes 1a will eine Gefährdung des Straßenverkehrs durch Ablenkung des Fahrers bei Bedienen eines Mobiltelefons verhindern. Das Verbot des Absatzes 1b schützt dagegen den Straßenverkehr vor Geschwindigkeitsüberschreitungen. Vor diesem Hintergrund regelt der Absatz 1a keinen die Anwendung des Absatzes 1b ausschließenden Spezialfall.
(4) Die im Beschlusstenor vorgenommene Schuldspruchberichtigung beruht darauf, dass der Betroffene nach den getroffenen Feststellungen den Tatbestand der Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24 StVG, § 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO i. V. m. § 23 Abs. 1b Satz 1 StVO vorsätzlich (und nicht – wie vom Amtsgericht angenommen – lediglich fahrlässig) verwirklicht hat. Vorsätzlich im Sinne des § 10 OWiG handelt, wer die Tatbestandsverwirklichung in Kenntnis aller Tatbestandsmerkmale zumindest als möglich erkennt und billigend in Kauf nimmt. Der Betroffene hat alle zum gesetzlichen Tatbestand gehörenden Umstände zumindest als möglich erkannt. Insbesondere wusste er, dass er sein Smartphone mit der eingeschalteten Blitzer-App betriebsbereit mit sich führte. Der Senat konnte durch die Verweisung in den Urteilsgründen die genannten Lichtbilder in Augenschein nehmen. Danach war das relativ große Smartphone gut sichtbar nahezu mittig am Armaturenbrett direkt neben den Lüftungsschlitzen angebracht. Der Bildschirm zeigte das markante und auffällige Zeichen der Blitzer-App. Hierbei handelte es sich um einen großen Kreis mit drei Pfeilen in der Mitte. Bei dieser Sachlage musste dem Betroffenen als Fahrzeugführer das Mitsichführen des Smartphones mit der aufgerufenen Blitzer-App während der Fahrt bewusst gewesen sein. Der Senat war nicht gehindert, den Schuldspruch zu Ungunsten des Betroffenen zu ändern. Bei Schuldspruchänderungen durch das Rechtsbeschwerdegericht findet das Verbot der reformatio in peius keine Anwendung. Das Verschlechterungsverbot gilt nur für die Rechtsfolgen der Tat, nicht aber für den Schuldspruch (OLG Celle, Beschl. v. 9.8.2011, 322 SsBs 245/11; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 331, Rn.8).
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