Der Angeklagte war ursprünglich vom Amtsgericht nach einem von ihm verursachten Verkehrsunfall wegen fahrlässiger Gewässerverunreinigung zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 20 € verurteilt worden.
Das Landgericht Oldenburg hatte das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und den angeklegten freigesprochen.
Diesen Freispruch hat das OLG Oldenburg in seinem Urteil vom 21.07.2014 ( 14 Ns 580/13) bestätigt und in den Entscheidungsgründen u.a. folgendes ausgeführt:
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Der Freispruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Der Senat teilt zwar die Ansicht der Revision, dass schon das vom Landgericht festgestellte Fahrverhalten des Angeklagten ein Überholen bei unklarer Verkehrslage im Sinne von § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO darstellen dürfte. Denn wenn dem Angeklagten wegen der Ausmaße des vor ihm fahrenden Transporters die Sicht nach Vorne genommen ist, ist die Verkehrslage schlicht unübersichtlich und somit unklar (vgl. zur unklaren Verkehrslage: Heß, in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Aufl. 2014, § 5 StVO Rn. 26).
2. Im Übrigen begegnet der aus rechtlichen Gründen erfolgte Freispruch jedoch keinen Bedenken. Im Einzelnen:
a. Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft und mit dem Landgericht hält der Senat in Ansehung der dem Angeklagten als Führer eines PKW vorgeworfenen Handlung den Anwendungsbereich der fahrlässigen Gewässerverunreinigung gemäß § 324 Abs. 1, Abs. 3 StGB für nicht eröffnet.
aa. Nach dem im Gesetzentwurf (BT-Drs 8/2382, S. 15) formulierten Willen des Gesetzgebers soll sich die Prüfung der in Absatz 3 normierten Fahrlässigkeit selbstverständlich auf die Frage der Sorgfaltspflichtverletzung erstrecken, wobei sozialadäquate Risiken zu berücksichtigen seien. Die in diesem Zusammenhang ausdrücklich in Bezug genommenen Erläuterungen zu Absatz 1 weisen darauf hin,
„… auch Verkehrsunfälle, die zu Verunreinigungen führen, werden (vornehmlich über Absatz 3) erfaßt (Kollisionen mit Tankwagen, Zusammenstöße mit Schiffen, die – wie Öltanker – gefährliche Fracht befördern)“.
Schon diese Formulierung spricht dagegen, dass es der Intention des Gesetzgebers gerecht werden dürfte, wollte man Ereignisse des normalen Straßenverkehrs im Hinblick auf mögliche Umweltgefährdungen unter Strafe stellen.
bb. Diese Einschätzung fügt sich mit einer Auswertung der zur fahrlässigen Gewässerverunreinigung ergangenen Rechtsprechung. Die insoweit veröffentlichten Entscheidungen behandeln durchweg allein solche Fallgestaltungen, die der Gesetzgeber mit seiner Beschränkung auf gefährliche Fracht befördernde Transportmittel bereits im Blick hatte (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 1. Dezember 1992 – 2 Ss 263/92 -, NJW 1993, 1408, betreffend einen Heizöltransporter; OLG Hamm, Beschluss vom 3. November 1992 – 2 Ss 1029/92 -, juris, betreffend ein Tankfahrzeug; OLG Hamburg, Urteil vom 25. Oktober 1982 – 2 Ws 144/82 -, NStZ 1983, 170, betreffend eine Schiffskolli-sion).
cc. Der Meinungsstand in der Literatur gibt ein uneinheitliches Bild ab. Während verschiedene Stimmen – einige ohne nähere Begründung – eine auf einen Verkehrsunfall zurückzuführende Verunreinigung von der Norm erfasst sehen wollen (vgl. Fischer, 61. Aufl. 2014, StGB, § 324 Rn. 10; Ransiek, in: Kindhauser/Neumann/Paeffgen, StGB, 4. Aufl. 2013, § 324 Rn. 47 und § 324a Rn. 17; LK- Steindorf , StGB, 11. Aufl. 2005, § 324 Rn. 122) wird auch die einschränkende Ansicht vertreten, die Norm sanktioniere nur Führer solcher Fahrzeuge, die für die Umwelt darstellende gefährliche Güter mitführen (vgl. Alt, in: MüKO, StGB, 2. Aufl. 2014, § 324 Rn. 51).
Der Senat hält demgegenüber die Auffassung für vorzugswürdig, die sowohl den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers als auch den daraus herzuleitenden Schutzzweck der Norm zureichend in den Blick nimmt (vgl. hierzu Heine/Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 324 Rn. 15, Schall, in: SK-StGB, 8. Aufl., Stand Juli 2012, § 324 Rn. 49; Krell, NZV 2012, 116). Danach ist maßgeblich, ob die Verkehrsvorschriften nur allgemein die Verkehrssicherheit regeln (wie Vorschriften zu Geschwindigkeit, Überholen, Fahrzeugzustand) oder zumindest auch den Schutz des Wassers bezwecken wollen. Allein die Verletzung allgemeiner straßenverkehrsrechtlicher Normen ist nicht ausreichend; die verletzte Sorgfaltspflicht muss vielmehr gewässerspezifisch sein und nicht bloß einen Schutzreflex darstellen (vgl. Krell, aaO., S. 117). Denn wer zu schnell oder bei Rot über die Ampel fährt, handelt zweifelsfrei fahrlässig gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern, aber nicht gegenüber der Umwelt. Für eine solche Begrenzung des Schutzzwecks der Norm streitet zudem ein Vergleich mit dem allgemein angewendeten Sorgfaltsmaßstab im Umweltstrafrecht. Dort ist bei fehlenden Sondernormen entscheidend, welche Sorgfalt ein „umweltbewusster Rechtsgenosse“ (vgl. hierzu OLG Celle, Urteil vom 15. Oktober 2009 – 32 Ss 113/09 -, NdsRpfl 2010, 32) hätte walten lassen. Dass ein solcher gerade aus Pflichtbewusstsein gegenüber der Umwelt stets verkehrstreu sein Fahrzeug lenkt, ist lebensfremd (vgl. Krell, aaO.).
Ob dabei allein Verkehrsverstöße von Kraftfahrern, die gefährliche Güter transportieren, erfasst werden oder auch von Fahrern, die solche Fahrzeuge beispielsweise überholen, kann hier dahinstehen; denn beide Alternativen liegen nicht vor.
b. Das von der Staatsanwaltschaft erstmals mit der Revision bejahte besondere öffentliche Interesse nach § 230 StGB führt ebenfalls nicht zum Erfolg des Rechtsmittels. Die Erklärung ist unbeachtlich.
Zwar unterliegt die Kundgabe des besonderen Strafverfolgungs-interesses keiner Frist und kann – worauf die Generalstaatsanwaltschaft rekurriert – noch in der Revisionsinstanz nachgeholt werden (vgl. Fischer, aaO., § 230 Rn. 4; Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 29.Aufl. 2014, § 230 Rn. 8; jeweils m.w.N.). Verneint die Staatsanwaltschaft allerdings im gerichtlichen Verfahren ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung, so ist sie hieran nach Erlass des Urteils gebunden (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 1964 – 2 StR 208/64 -, NJW 1969, 1969 = BGHSt 19, 377). Dies ist zur Überzeugung des Senats hier der Fall.
aa. Die Staatsanwaltschaft hat mit dem Strafbefehlsantrag allein die fahrlässige Gewässerverunreinigung verfolgt. Dies geschah in Kenntnis des Umstandes, dass zuvor die Fahrerin des anderen am Unfall beteiligten PKW ausdrücklich durch Erklärung ihres Bevollmächtigten auf einen Strafantrag verzichtet und deren Beifahrerin sich die Stellung eines Strafantrages zwar vorbehalten, letztlich aber keinen solchen gestellt hatte. Indem die Staatsanwaltschaft im Übrigen keine nach § 154a StPO mögliche Verfolgungsbeschränkung vorgenommen hatte, dokumentierte sie ihr – seinerzeit – fehlendes Strafverfolgungsverlangen.
bb. Bis zur Revisionsbegründung ist es seitens der Staatsanwaltschaft zu keiner anderen Beurteilung der Interessenlage gekommen, obwohl bereits das Amtsgericht in seinem Urteil ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass eine Strafverfolgung wegen der zum Nachteil der Fahrzeuginsassen begangenen fahrlässigen Körperverletzungen an der mangelnden Erklärung seitens der Staatsanwaltschaft nicht in Betracht komme. Wenn die Staatsanwaltschaft in Kenntnis dieser Ausführungen gleichwohl nachfolgend nicht erklärt, sie bejahe das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung, kann dem keine andere Bedeutung beigemessen werden, als dass dies gerade nicht geschehen soll (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 29. Oktober 2008 – 1 Ss 408/08 -, juris Rn. 7). Dies gilt umso mehr, als die Staatsanwaltschaft in der Revisionsbegründung erklärt, das besondere öffentliche Interesse werde „nunmehr“ bejaht.
In diesem Zusammenhang kann die unter Hinweis auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 18. Oktober 2011 (5 StR 346/11, juris) vertretene Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft nicht überzeugen, sie habe das besondere öffentliche Interesse in der Hauptverhandlung nicht bindend verneint. Der vom Bundesgerichtshof zu beurteilende Sachverhalt zeichnet sich – anders als hier – dadurch aus, dass die Anklageerhebung wegen des – dasselbe Rechtsgut betreffenden – Vorwurfs der gefährlichen Körperverletzung erfolgte. Die Staatsanwaltschaft hatte daher bei Anklageerhebung im Gegensatz zum vorliegenden Geschehen keinen Anlass, die Frage des Vorliegens eines öffentlichen Interesses zu prüfen. Erst als das erkennende Gericht hiervon abweichend auf eine mögliche Verurteilung wegen einfacher Körperverletzung hingewiesen hatte, war die Staatsanwaltschaft gefordert. Im vorliegenden Fall, in dem es um die Einbeziehung einer weiteren Rechtsgutsverletzung ging, hatte die Staatsanwaltschaft diese Frage schon mit der Anklageerhebung ablehnend entschieden.